Segeln verdienen

MONETARISIERUNG DES SEGELNS

„Irgendwas mit Segeln“ eine beliebte, gleichwohl stets vage Antwort, wenn man einen Segler nach seinem Lieblings Berufswunsch fragt, denn der Gedanke ist ebenso naheliegend wie faszinierend, durch das Hobby Einkommen zu erzielen – die zweite Stereotype, wie sie in vielen Legenden zu lesen ist. Untersuchen wir den Fall.
– Produzieren, Handeln, Vermieten oder Kaputtes heile machen.
– Waschen, Föhnen, Polieren, notfalls auf allen vieren.
– Segeln und darüber schreiben, ggf. zu dichten.
Damit sind schon die Optionen umrissen, ein Hobby mehr oder weniger elegant, in Einkommen umzurubeln, bzw. zu verwandeln. Der wichtigste Schritt zuallererst:

ROSA BRILLE ABNEHMEN!
Deutschland mag in einigen Wirtschaftsbereichen tonangebend sein, der maritime Bereich gehört mit Sicherheit nicht dazu. Die Indikatoren für
Anzahl produzierter Schiffe
– Auflagenhöhe maritimer Zeitschriften
– Hits in einschlägigen Segelforen
– Entwicklung der Mitgliederzahlen von Segelvereinen
– miserable Aussendarstellung eines Deutschen Hochsee Segelvereins
zeigen eine Realität, bei der jede Hose von allein zu Boden geht.

Wenn im richtigen Leben Fakten und Bilanzen jeden Luftballon schnell zum Platzen bringen, scheint in den Köpfen von Seglern, die sich durch Schreiben unsterblich zu machen planen, hier und dort der Sinn für die Fakten abhanden gekommen zu sein. Das explodierende Angebot von Lese- und Erlebnisstoff trifft nahezu stets auf eine stabile Menge interessierter Leser. Die Folgen kennen wir alle: Preise und Auflagen fallen und verkümmern. Das gewaltige Angebot von Blogs nimmt den Verlagen die Butter vom Brot, weil hohe Preise kaum noch durchzusetzen sind. Der Verdrängungswettbewerb ist in vollem Gange, festangestellte Mitarbeiter werden durch Freelancer ersetzt, Inhalte nicht immer aus eigener Feder generiert, es regieren die Controller mit durchschlagenden ( Er-) Folgen, eine davon vermutlich die Schlussredaktion, deren Fehlen dem versierten Leser, als Fehler, unvermittelt ins Auge springt und in der Birne für Schluckauf sorgt.

Der Versuch, sich den Realitäten zu verweigern, statt dessen eigene Prominenz und durchschlagende Erfolge zu beschwören, gerät rührend und wird von einer überaus klugen Leserschaft recht schnell entlarvt. Der Druck muss gewaltig sein, der Kostendruck, um es genauer zu formulieren.

DIE DISTANZ ZUR INSTANZ
Wenn einstige Segelhelden die volle Breite der Segel Thematik in Kompendien zu hohen Preisen haben verkaufen können, treffen diese heute auf einen satten Markt, auf ein gewaltiges Überangebot, zumal die Hands-On-Informationen von E-Books und Blogs vielfach aktueller zur Verfügung stehen. Die Folgen für die Verlage sind so gravierend wie ernüchternd, weil der Bedeutungsverlust mit sinkenden Auflagen paradiert. Wenn ein grosser Verlag als Schachzug seinen Einflussbereich über einen Segelverein mit angeschlossener Vereinszeitung zu erweitern sucht, wenn über grossformatige Anzeigen der Versuch unternommen wird, die Blauwasserberatung zu monetarisieren, wenn unter Akademie Label Autoren durch´s Land zu tingeln haben, so wird für mich erkennbar, wie verzweifelt die Lage sein muss, dass man die Deckung seriöser Zurückhaltung von früher, heute so unverblümt fallen lässt. Es geht um einen spärlich gedeckten Tisch, an dem zu viele Mitesser Platz benommen haben. Es geht um Wichtigkeiten kontra den Realitäten.

Die vertikale Distanz zu Instanzen – sollen wir sie Päpste nennen? – ist kleiner geworden, weil Infos im Netz wohlfeil vorhanden und kritische Distanz heute möglich geworden ist. Wenn früher den „Päpsten“ unangefochten – oder blind !- Ehre und Kotau erwiesen wurde, so geraten sie hier und dort unter Druck, weil man am Lack zu kratzen wagt. Um nicht missverstanden zu werden: dies macht die Lebensleistung vergangener Helden keineswegs kleiner, verändert hingegen die Blickrichtung auf das geschrieben Wort, weil die Distanz auf Grund besserer Informationen zu schrumpfen scheint, zumal Neuauflagen nicht immer mit gebührendem Aufwand überarbeitet zu werden scheinen.

Wenn ehemals fachliches Wissen nur über Verlage mit angeschlossener Registrierkasse zur Verführung gestanden hat, so stehen Informationen jeder Couleur heute unbeschränkt, preiswert oder gar umsonst zur Verfügung. Print gegen Online, der Kampf findet auf allen Ebenen statt, verzeichnet Entlassungen, Opfer und Übernahmen, wird am Ende keinen Stein mehr auf dem anderen lassen. Wer hier mit halbherzigen Schritten agiert, wird von den Ereignissen überrollt, weil am Ende nur die Zahlen zeigen, ob die Herrschaften an der Spitze die richtigen Visionen haben, oder ob sie sich am Ende dann doch selbst blamieren. Es sind die kleinen Gegebenheiten, die signalisieren, welcher Druck im System vorhanden ist, wie um Marktanteile heute mit besonderen Mitteln gerungen wird. Vermutlich wäre es vor wenigen Jahren undenkbar gewesen, dass ein Mann wie BOBBY SCHENK mit einem „neuen“ Verlag eine Liaison eingegangen wäre. Siehe_

Grab von Bernard Moitessier

BRAUCHEN WIR NEUE HELDEN?
Der Stoff, aus dem neue Helden wachsen können, ist anspruchsvoll, es darf bezweifelt werden, dass Jahrzehnte gewachsener Strukturen – und Päpste – im nationalen Gedächtnis beiseite zu räumen sind, zumal Respekt und langjähriges Vertrauen hier einen Humus geschaffen haben, der durch veränderte Sichtweisen – oder Diktate! – schwerlich zu beeinflussen sein wird. Immer wieder kommt mir Bobby Schenk´s Bemerkung in den Sinn, wonach man einen guten Verleger daran erkenne, dass er aus den Totenschädeln seiner Autoren Champagner trinke. Diese Strukturen mutwillig zu stören oder gar zu zerstören, wird ggf. sogar vom Publikum geahndet.

Zeitgleich nimmt die kritische Leserschaft zu, die neue Kompendien dezidiert unter die Lupe nimmt, weil Wissen heute virulent verfügbar und Vergleiche plötzlich möglich werden. Eine gefährliche Klippe für Autoren, die es zu umschiffen gilt, was bei fehlerbehafteten Büchern nur zeitversetzt zu machen ist – sodann rückwärts wirk! – weil das geschriebene Wort Auflagen weise unters Volk gebracht wird, zumal die Zeit – wie der Stand der Technik! – schon wieder voran geflitzt ist.

DIE HÖHE DES FRESSKORBES
Ist es realistisch, zu glauben, dass man vom Schreiben über das Segeln leben kann? Diese Frage ist leicht zu beantworten, wenn man die Gleichung Lebenshaltungskosten und Wünsche nach einem guten Auskommen mit den Realitäten im deutsch sprachigen Raum abzugleichen bereit und in der Lage ist. Ein klares Nein, bzw. nur von extrem wenigen Menschen zu realisieren. Die Praxis zeigt, dass die meisten Autoren über andere Einkommen verfügen, bzw. mit einem Lebenspartner gesegnet sind, der solide verdient, um einem gemeinsamen Auskommen in einem teuren Land eine Basis zu geben. Schreiben als Hobby? Einverstanden! Aber, wer mag sich das heute eingestehen? Mich selbst gern als Beispiel, da jeder weiss, womit ich meine Brötchen verdiene.

DIE SELBSTDARSTELLUNG
Wie bringe ich mich in den Fokus einer nach Neuigkeiten hungernden Gemeinde? Welcher Sensationen bedarf es, hier Aufmerksamkeit zu erringen? Wie nutze ich ein sozialen Netzwerk um in Lee einer Sozialkultur ganz unverblümt Gewinne zu rekuperieren? Wieviel Ehrlichkeit ist vonnöten, dass man meinen Intentionen glaubt, obgleich jeder weiss, dass ich selber lüge?

Die Pferde zur Legende werden heute vorzugsweise von achtern aufgezäumt. Als WILFRIED ERDMANN von der ersten Weltumsegelung heimkehrte, konnte er nur mit Mühe das Misstrauen der Kritiker im Zaume halten.

Heute werden Weltumsegelungen oder die Querung der Nord West Passage verkündet, bevor das Schiff überhaupt zu Wasser geht, es werden Eisverstärkungen formuliert und laminiert, kühne Pläne umrissen, die Welt als Spielplatz eigener Wichtigkeit apostrophiert, um hernach die Feuchtigkeit geplatzter Seifenblasen mit würziger Seeluft zu verwechseln. Die Demontage eigener Unzulänglichkeit wird heute vorzugsweise auf offener Bühne gegeben, wobei fast immer widrige Umstände als ursächlich für die Undurchführbarkeit einer geplanten Reise verortet werden. Schuld wird – ganz wie im richtigen Leben – stets zur Seite geschoben, damit das Ego – zumindest vermeintlich ! – weiter strahlen kann. Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, wer böse darüber denkt!

Dummerweise hat der Unterhaltungswert von Narzissten heute nur eine begrenzte Halbwertzeit, weil die nächste Sensation bereits zum Sprung ansetzt und ein Titel Knaller hinter der nächsten Strassenecke lauert, zumal die Presse allzu gern die Peitsche knallt. Einschlägige Geschichten in Deutschland enden häufig rührend, wobei mancher Protagonist nicht zu merken scheint, wie sehr er sich selbst demontiert und sodann prächtig blamiert. Hauptsache im Gespräch, Hauptsache Klicks.

Wie wohltuend anders dagegen ein junger Hamburger Segler, der ohne viel Aufhebens für kleines Geld ein Schiff gekauft und losgesegelt ist, ohne dass Presse Funk und Fernsehen davon Wind bekommen hätten. CHRISTOPH VOUGESSIS ( 18 ) ist mit seiner kleinen HURLEY 22 bereits in den Gewässern von Cabo Verde eingetroffen und es hat den Anschein, dass er mit seinem Lebens unprätentiös bestens zu Rande kommt.

FOMO Fear of missing out ist heute Standard Sprech, die Furcht, etwas zu verpassen, herrscht allgegenwärtig. Twitter Facebook & Co machen fertig, statt glücklich, 56% der Menschen haben Schiss, etwas zu verpassen. Das sind die Botschaften, denen viele Menschen sich nicht zu entziehen wagen. Es ist schon erstaunlich – und erfrischend – wie wenig diese Medien in der Segler Szene haben Fuss fassen können! Ein Hoffnungsschimmer?

Denn, nicht wahr: eine Hand wäscht die andere – meistens nicht – soziale Netzwerke sind in ihrem Wesen höchst unsozial, weil die Lüge und Fake hier zum Standard avanciert.

Dumm gelaufen für solide Pläne, mit Segeln seinen Lebensunterhalt zu verdienen, jedenfalls, wenn man hier nicht mit List und Tücke eine neue Lücke im Marktgeschehen generierte, die wir alle bisher übersehen haben …

Hmmmm … mal nachdenken ….
Peter Foerthmann

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