Quo vadis Bootsbau – was ist aus Dir geworden – Teil #4

Guten Tag,

ohne an dieser Stelle in Verzweiflung alten Bootsbau Traditionen hinterherzuweinen und darüber Entwicklungen, die einige Dekaden in Sachen Bootskonstruktion mit sich gebracht haben – völlig beiseite zu schieben – kann, so glaube ich, folgendes festgestellt werden:
Der Aufwand in Arbeitsstunden ist durch moderne Methoden industrieller Fertigung enorm verringert worden – ansonsten wäre ja die Fertigung serieller Yachten kaum für einen Hersteller interessant – denn die mögliche Wertschöpfung ist die Wurst, die einem Hersteller Hund stets vor der Nase hängt. Interessant, dass in der Öffentlichkeit – anders als z.B. im Automobilbau – die notwendigen Arbeitsstunden bis zur Fertigstellung niemals genannt werden – es verbleibt im Bereich der Vermutungen, dass es enorm wenige Stunden sein müssen. Ebenfalls interessant, dass die Verkaufspreise heutiger Serien Schiffe nicht im Gleichschritt reduzierter Fertigungszeiten proportional gesunken sind.

Typenvielfalt und Taktzeiten von Modellwechseln angesichts insgesamt bescheidener Gesamtstückzahlen lassen vermuten, dass die Kosten für neue Modelle durch moderne Formfertigung schnell rentabel sind, denn ansonsten würden wir ja nicht in atemlosen Takt mit neuesten Modellen konfrontiert werden – als wenn es kein Morgen mehr gäbe.

Wenn im Gegenzug die Marktpreise für neue Yachten recht schnell im Bereich veritabler Immobilien liegen, sollte die Frage nach der Wertigkeit erlaubt sein.

Wertigkeit kann zwar durch Werbung beeinflusst werden, ist hingegen unter Seglern erheblich einfacher ablesbar an der Langzeitqualität ihrer schwimmenden Schwäne – sowie Angebot und Nachfrage, die am Ende in einen Preis der Ware mündet, zu dem sie tatsächlich verkauft wird.

Auch wenn hier und da immer mal wieder der Eindruck erweckt wird, dass eine Yacht einen maximalen Lebenszyklus besitzt und hernach verschrottet wird – unser Herz, Verstand und Lebenserfahrung folgt anderen Spielregeln.

Vielleicht hilft hier ein Blick über den Zaun:
Bei Immobilien haben wir ein Gegenkonzept – was in Beton gegossen wurde, fährt im Paternoster der Wertsteigerung nahezu unweigerlich nach oben.
Bei Mobilen – also Autos – frisst der Wertverlust – und Rost – an Buchwerten und Substanz – und es offenbart sich am Ende, wieviele Exemplare übrig bleiben, ob sie als Oldtimer für Wertsteigerungen taugen – oder als gepresstes Blech für neue Träume in andere Form gegossen und wiederverarbeitet werden.

Bei schwimmenden Mobilen – und die interessieren uns hier besonders – ist es die Bauqualität, die präjudizierend den Verlauf der Wertentwicklung entscheidet. Denn, nicht wahr, kaum ein Seglerkopf wäre bereit, im Geiste den Wert seines Schiffes als nach einer bestimmten Zahl von Jahren „abgesegelt“ zu betrachten – und sich am Ende über jeden Kaufpreis freuen, solange der „über Null“ beträgt.
Wir verfügen über ein ausgeprägtes Wertempfinden in Bezug auf unsere Schiffe – und es ist ein Faktum, dass derzeit viele Segler regelmässig Schluckauf bekommen, angesichts der Kaufpreis Angebote, die sie – je nach Temperament – höflich ablehnen – oder sich beleidigt wieder in ihr Auto setzen und um die Ecke flüchten.
In den USA werden Marktgegebenheiten emotionsloser gehandhabt: eine offer kann man annehmen oder es bleiben lassen – ohne dass ein Zacken aus der Krone fällt… Gefühle sind meist fehl am Platz, Tränen werden selten vergossen.
Um wieder in die gerade Furche dieses Fred´s zurückzukommen: je besser die Qualität des Schiffes – und hier kommt die Solidität der Bauweise ins Spiel – desto besser der Werterhalt. Für Oldtimer hat sich bereits ein veritabler Markt gebildet –
New Classics sind dabei, sich zu etablieren – GFK Yachten aus Grossserie jedoch werden am Gebrauchtmarkt in enormen Stückzahlen angeboten, meist zu vergleichbaren Preisen – hingegen Verkäufe geraten zunehmen schwer, der Markt ist nahezu zum Stillstand gekommen – oder schon vollkommen erstarrt – nur über veritable Preiszugeständnisse sind Verkäufe überhaupt noch möglich. Seit Monaten sammelt mein Kopf ungläubig Fakten über Schiffsverkäufe sowie die für veritable Yachten tatsächlich gezahlte Preise – paradiesische Zeiten für Segler auf der friedlichen Suche nach dem für sie „richtigen“ Schiff – sie sind Kaiser und König in Personal Union.
Ist es nicht erstaunlich, dass explizit der Markt für Aluminium Schiffe völlig anderen Regeln folgt?

Ich denke, es ist in Seglerköpfen ein Allgemeinplatz, dass Aluschiffe einen Sonderplatz einnehmen in Bezug auf Solidität der Bauweise und Stabilität des Rumpfes, weil die örtliche Festigkeit eben eine andere ist, als bei GFK Serienyachten.
Ein Ausflug in das FOTOARCHIV des Versicherers PANTAENIUS lässt erahnen, wie es um die Solidität von Schiffen bestellt ist, die unvorschriftsmässige Situationen wie Strandung, Sturm oder Kollision nicht haben überleben können..

Metallschiffe wurden und werden in Deutschland nahezu ausnahmslos handwerklich hergestellt, der Grund für enorme Kosten bereits für den Rumpf, sodass der Preis für das fertige Schiff recht schnell ins Enorme steigt. Der Produktionsstandort Deutschland für Stahl- oder Aluschiffe ist international kaum von Bedeutung, von One Offs einmal abgesehen.

Nennenswerte Stückzahlen sind nur mit REINKE Yachten erreicht worden, die als Knickspant Bauten auch vom furchtlosen Hobby Bauer realisiert werden konnten, auch wenn sich hier die Vermutung aufdrängt, dass es wohl auch heute noch unzählige unvollendete Bauwerke in Deutschlands Vor- oder Hintergärten gibt, die im Bauverlauf irgendwann steckengeblieben sind, teils weil die Aufgabe schlicht unterschätzt wurde oder der Kostenrahmen dem Einkommen, oder die Partnerin davongelaufen ist. Wertschöpfungen sind mit derartigen Neubauten kaum möglich gewesen, denn auch gebrauchten Selbstbau Yachten haftet stets das Stigma nicht immer fachgerechter Aufgabenlösungen an. Schiffbau ist, anders als Hausbau, eine recht komplexe Angelegenheit – an der viele Segler gescheitert sind, weil sie zu unvorbereitet in ein Abenteuer gestiegen sind, dessen Anforderungen ihnen nicht deutlich genug gemacht geworden ist.

Wenn in Deutschland einige grosse Serienwerften von Kunststoffschiffen sich im internationalen Wettbewerb behaupten können, Innovationen bei der Produktion von Aluminiumschiffen hat es bei uns hier kaum gegeben.
In Holland sieht die Situation hingegen anders aus. Dort gibt es viele Werften, die aus der Grosschiffahrt bekannte Produktions Verfahren auch für den Bau von Yachten übernommen haben.
So werden ganze Sektionen geplottet, als Schnittmuster von Plasma Schneidern CNC gesteuert, verarbeitet und verformt, was den Rumpfzusammenbau mit nur minimalen Toleranzen und Beulentiefe möglich macht. So entstehen Yachten mit einer Oberflächen Perfektion, die lediglich gestrahlt, hingegen selten gespachtelt und lackiert werden muss.
Unnötig zu erwähnen, dass derartige Schiffe aufgrund konventioneller Spantabstände enorme Festigkeitswerte aufweisen und somit besonderen Anforderungen wie z.B. Grundberührung, Eisgang oder mechanische Beschädigung in einer besonderen Weise gegenüber geschützt und gewappnet sind. Die Tatsache, dass in seewasserbeständiger Legierung AlMg4,5Mn gebauten Yachten sogar ohne Farbanstrich bestens geschützt sind, macht sie im rauhen Alltagsbetrieb überaus robust, ganz anders als die Eierschale eines GFK Schiffes, die vergleichsweise nur wenig ausgesteift und gering belastbar ist.
Jimmy Cornell, beschrieb die Unterschiede zwischen Stahl- und Aluschiff – mit beiden ist er jeweils um die Welt gesegelt – treffend: beim Stahlschiff wurde der Pinsel für Ausbesserungen kleiner Rempeleien niemals trocken – beim Aluschiff wurden misslungene Anlegemanöver anderer Segler nur mit einem Grinsen quittiert: have a nice day. Seine OVNI 430 sah nach 10 Jahren und geschätzten 80.000sm immer noch taufrisch aus – fertig für neue Abenteuer mit dem neuen Eigner.
Wer einmal in Les Sable D´Olonnes den Serienbau von OVNIs gesehen hat, versteht recht schnell, warum diese Schiffe eine derart grosse Popularität besitzen: ihr Preisaufschlag gegenüber GFK Schiffen ist vergleichsweise moderat, Nachfrage und Lieferzeit enorm – und der Gebrauchtmarkt stabil, als wenn es keine Krise gäbe.

Frankreich ist traditionell das Land, in dem viele Aluminium Schiffe gewachsen sind und dies hat seinen Ursprung nicht nur darin, dass Eric Tabarly schon frueh seine berühmten PEN DUICKS aus diesem Werkstoff baute. Es wird einfach viel mehr und härter gesegelt als bei uns.
Die deutschen Weltumsegler Astrid und Wilhelm Greiff, langjährige Freunde von Jimmy Cornell und Repräsentanten von WORLD CRUISING haben vor bald 20 Jahren ihre Weltumsegelung mit einer französischen VIA 42 absolviert, einem Schiff, dessen Bauwerft infolge zu perfekter Bauweise später finanziell notleidend geworden ist. Die VIA als Kielschwerter mit Ruderhacke ist heute eine gesuchte Rarität.

CHATAM, CHASSIRON, DALU, DAMIEN, GARCIA, LEVRIER DE MER, MADEIRA, MARACUJA, META, ROMANEE, TRIREME, TRISMUS, TRISBAL, REVE TROPIQUE, VIA – Allesamt Schiffe, die bei uns meist unbekannt geblieben sind, einige davon nur in Stahl, viele dagegen in Stahl und Alu, wieder andere ausschliesslich in Aluminium – insgesamt eine Szene von stabilen Schiffen, mit denen unzählige weite Reisen gemacht worden sind – allesamt langlebig und lebendig – und am Markt gesucht.

Zur Erinnerung: Frankreich gilt zu Recht als Nation der Seefahrer, wo die Bevölkerung an den Rekorden ihrer Heroen landauf landab teilhaben und Sieger auf den Schultern durch die Hauptstadt getragen werden. Frankreichs Segler sind was die Fussballer in unserem Land.

Es ist eine Besonderheit der Aluminium Bootsbau Szenerie, dass sie auf Bootsmessen kaum anzutreffen ist, was seine Erklärung recht einfach darin hat, dass die Werften kaum einen Auftragsmangel zu verzeichnen haben.

Die Geschichte dahinter spricht für sich. Erwähnenswert vielleicht noch, dass Messekosten gemeinhin als Werbungs- und Vertriebskosten in Verkaufspreise eingearbeitet werden. Wenn Vertrieb also ohne Messepräsentation möglich ist, erhält der Kunde mehr Leistung für sein Geld. Logik, auch wenn´s weh´tut.
Die in Deutschland legendären Yachten der NORDSEE Serie, allesamt von DÜBBEL & JESSE auf Norderney gebaut, sind auf dem Gebrauchtmarkt gesuchte Schiffe, die allerdings meist lebenslang in Eignerfamilien über Generatoren verbleiben, weil man sich bewusst ist, ein Schiff zu besitzen, dass man qualitativ niemals noch einmal würde erwerben können. Das Ende dieser Werft war tragisch, sie endete mit dem Tod eines der beiden Eigentümer, Herrn Dübbel.

Wahrscheinlich ist BENJAMINS in Emden eine der wenigen Werften, die sich heute noch mit dem Bau von Aluminium Yachten professionell beschäftigen und nennenswerte Stückzahlen an ihre Auftraggeber abliefern.

Auch in Hamburg bei FELTZ gebaute SKORPION Yachten besitzen einen soliden Ruf in der Fahrtenseglergemeinschaft. Aluminium und Stahl, beide Werkstoffe werden dort noch heute verarbeitet, wobei in den vergangenen Jahren zunehmend Aufträge für kommunale Auftraggeber und die Berufsschiffahrt erledigt wurden.

Alu- und Stahlschiffbau ist in Deutschland zum Stiefkind geraten, was keineswegs an mangelnder Nachfrage gelegen haben kann. Es bedarf unternehmerischer Weitsicht, die Geschicke einer Werft in einer Form zu lenken, dass attraktive Schiffstypen guter Konstrukteure mit modernsten Baumethoden gefertigt werden, um am Ende einen Preis zu realisieren, den der Kunde zu zahlen bereit ist.

Es ist kein Wunder, dass in diesem Marktsegment nahezu ein jeder interessierte Segler fast automatisch zu unseren westlichen Tulpen Züchtern fährt, weil dort eine dynamische Werft Szenerie nach modernsten Baumethoden interessante Schiffe zu fairen Preisen anbieten kann.

Wer einmal bei KOOI in Makkum oder KOOPMANS in Sneek gesehen hat, wie professionell dort Schiffe gebaut werden, versteht sofort, warum man derartig solide gebauten Schiffen vom ersten Tage auf See sein volles Vertrauen schenken kann…. meint

Peter Foerthmann

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2 Antworten zu Quo vadis Bootsbau – was ist aus Dir geworden – Teil #4

  1. otto sagt:

    und genau das stimmt! schaut euch mal koopmans in Sneek an! für mich als Segler und mechanikermeister ist das nicht zu toppen!!!!
    Gruß otto

  2. Frank Schmiedeberg sagt:

    und umso stolzer sind wir auf unsere Nordsee 33 , in einer Scheune gefunden und wieder zum Leben erweckt . Gruß Frank

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