Vassilingalou – der Kranich

kranich_kleinDER KRANICH
Der Herbst liegt mit seiner nassen, kalten Schnauze vor der Tür. Treu und beständig. Die Tage sind beleidigend kurz geworden. Vielleicht der letzte Hochdruck vor dem ersten Frost. Früher Nebel vermischt sich mit der feuchten Atemluft, während ich die Axt schwinge. Holz für das Kaminfeuer. Frrrrup, krrrr, rrrup ertönt es zärtlich aus der Ferne. Die ganze Luft klingt mit, ihre gigantische Schwingglocke verabschiedet die Kraniche. Auf Wiedersehen! Wir bleiben, wir nehmen die Kälte an. Ihr nehmt dafür den Schmerz des Abschieds auf eure Flügel. Macht’s gut und grüßt den Süden.

Ein paar Monate später: Zwischen dreckigen Fetzen Schnee, stehe ich knöcheltief im Matsch. Der Winter und der Frühling sind schon seit einigen Wochen im Clinch. Wie üblich für die Gegend vor meiner Haustür, wälzen sie sich bis zur Unerträglichkeit. Wieder hacke ich Holz für den Abend. Und höre sie plötzlich. Krrruup! Sie sind da! Und haben das Versprechen für den Sieg der Wärme mitgebracht. Für den neuen Anfang. Ihre müden Flügel haben sie kilometerweit getragen. Ihre fadendünnen Beine hängen gewichtslos im Wind. Mein Herz ist voll. Die Kraniche sind wieder da.

Wieder einmal die abendliche Runde. Wir sitzen unbequem im engen Cockpit und liebkosen unsere Gläser. Neue Gesichter sind dabei. Die Sprache – Mitteleuropäisch:
„…ich bin groß gewachsen und war immer der kräftigste, obwohl Vegetarier.“
„…ich hab so einen Riesenspaß an Altkanzler Helmut Schmitz‘ Bemerkung: „Mit den SS- Truppen fühlten wir uns immer sicher!“ – Unter uns, die waren ja auch eine Spitzeneinheit, haben so viel geleistet!“

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„… also: Ein Vogel landet mitten auf dem Ozean bei uns an Bord. So ein Apparat, sage ich euch“,
und zeigt dabei die Größe eines vierjährigen Kindes.
„Es hatte eine Störung im Passat gegeben und da müssen sie wohl an Höhe verloren haben. Ich kann euch sagen, solche Haufen scheißt das Vieh“, und zeigt Bemerkenswertes.
„Ich soll dem was zu fressen geben“, meint meine Freundin. „Ich will ihm einen Fisch aus dem Kühlschrank geben. Kaum sieht er mich den Fisch rausholen, und schon schießt er auf mich zu. Der Vogel ist schlau, sage ich euch, von nun an steht er parat, nur wenn er die Kühlschranktür hört.“
„Die Primaten haben auch durch Fleisch- und Fischfressen ihren Vorteil erlangt, oder?“
Wirft einer ein.
„Der könnte doch weiterfliegen, oder? Ich meine, als der Passat wieder da war, könnte er doch weiter fliegen!?“
„Aber nein, drei Tage später schläft er nur noch drinnen! Meine Freundin meint: „Es ist doch kalt draußen, stell dir doch vor, es kommt ein Squall und der wird nass!“
Möve genmanipuliert

„Also scheißt er die Bude voll und das Zeug ätzt, sage ich euch. Und es stinkt auch noch unbeschreiblich. Dann gebe ich Idiot dem beim Frühstück ein kleines Stück Speck. Das war’s! Der frisst nur noch Speck! Ich liebe das Zeug über alles und habe deshalb einen guten Vorrat, aber das Ding hat mir den gesamten Speck weggefressen. Es will nichts anderes mehr fressen. Gott sei Dank kommen wir schon an und es ist so neun Uhr abends und meine Freundin meint: „Bau schnell das Beiboot zusammen und geh Speck kaufen!“ Nicht einklarieren, nicht ausruhen oder so, nein, Speck kaufen! Ist schon gut! Also, das schlaue Teil hätte sogar einen Speck bekommen, wenn’s nicht ganz anders gekommen wäre. Wir rennen das Deck hoch und runter, um das Schlauchboot aufzubauen, da fällt meine Freundin durch die Vorderluke kopfüber in die Kajüte und reißt sich die Achillessehne an. – Frauen halt! Das war’s, statt Speck kaufen müssen wir zum Arzt. Ihr Pech, sein Pech, den Scheißvogel meine ich. Mein Glück! Das Ding muss dann wohl am Verhungern gewesen sein und ist weggeflogen…“
“…nein, nein, ich segele immer einhand.“
„ Nein, das war nur, weil ein Weib dabei war, sonst kommt mir sowas nicht an Bord…“

„Was hättest du dann zu erzählen gehabt?“, denke ich mir. Sage es aber nicht, weil er nach vier Whiskey sehr groß ist. Und diese Vegetarier-Diät mit Speck ist mir auch suspekt.

„Was war das denn für ein Vogel?“, fragt einer.
„Ein Kranich war´s!“

23.04.2014, St. Martin

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