DER FAKTOR MENSCH – DIE WEBFEHLER
Es ist 14 Monate her, dass ich angefangen habe, über GGR und LLR zu berichten, zwei Ereignisse, die in Bezug auf ihren Anspruch einander ähnlich, deren Durchführung hingegen unterschiedlicher kaum hätte erfolgen können. 36 Segler, Amateure zumeist, hatten sich entschlossen, nonstop allein um die Welt zu segeln.
- 18 Segler in der LLR, in Memoriam Bernard Moitessier, unorganisiert, individuell in fast allen Bereichen, inklusive einem Zeitplan mit weiten Grenzen
- 18 Matadore im GGR, einer dem britischen Verständnis des damaligen Gewinners RKJ folgenden Regatta, heute mit umfangreichem Regelwerk, dessen Vorgaben starke Nerven und ein belastbares Konto bei den Matadoren erforderlich machten.
Don McIntyre als Initiator, Impressario und treibende Kraft, hatte das Start-Up GGR als Regatta für Amateure initiiert und den Plan, durch mediale Vermarktung im Vier Jahres Rhythmus, Einkommen zu erzielen.
Sechs Monate später haben wir einen Überblick, was daraus geworden ist.
- Im GGR befinden sich vier Segler auf der Zielgraden, sowie einem tapferen Tapio, der seiner Muschelfarm in Slow Motion den Pacific zeigt. 5 Entmastungen bei etlichen Kenterungen, 4 Schiffe wurden aufgegeben, 3 Rettungsmanöver durchgeführt, ein schwer verletzter Abhilash, der sich von seiner Rücken Operation mühsam erholt.
- In der LLR sind noch 10 Segler unterwegs, spektakuläre Code Red Ereignisse sind nicht vorgefallen.
Regatta oder Abenteuer? Die Unterschiede bei Planung und Durchführung wurden zu einer Herausforderung der besonderen Art und es muss hier nicht erklärt werden, welchen psychischen Belastungen ein Segler ausgesetzt ist, wenn der Count Down sekundenweise tickt.
Wenn die Phantasie erst spazieren geht, stellt sich allzu schnell die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines Unternehmens, wenn die Konsequenzen derart verschieden und schwerwiegend sind.
Während die LLR Segler unspektakulär ihren Kurs verfolgen und medial selten in Erscheinung treten, haben wir dank medialer Präsenz einen recht genauen Eindruck von 18 GGR Seglern, die ausgezogen sind, sich der Herausforderung im hellen Licht medialer Aufmerksamkeit zu stellen. Dank Bildern, Videos und Podcasts sind sie uns näher gebracht worden, haben hier und dort Herzen erobert, wobei manch ein Beobachter sich hier selbst entdecken, sich identifizieren oder sublimieren konnte, denn der Ur Traum von einer Weltumsegelung wohnt vermutlich in jeder Segler Seele, womit die virtuelle Teilnahme an der GGR zum Placebo werden konnte.
Der dies schreibt, besitzt einen besonderen Fokus auf das GGR, was in verschiedenen Blogs nachzulesen ist. Im Bermuda Dreieck unterschiedlicher Interessenlagen – Veranstalter – Segler – Sponsor – bemühe ich mich, einen klaren Kopf zu behalten, eine Herausforderung, die überall an Grenzen stößt, weil der Faktor Mensch unberechenbar bleibt, insbesondere, wenn er von monetären Präferenzen angetrieben wird. Die Lebenserfahrung lehrt mich, dass soziale Interaktion vorzugsweise vertikal zu erfolgen sucht, derweil ein friedliches – respektvolles – Miteinander nur horizontal funktioniert. Kommen Vorteile, Geld oder Macht ins Spiel, werden Grenzen menschlicher Verhaltensweisen überschritten, die mich schon immer besonders interessiert haben, weil ich in diesem Seegebiet mein Zuhause habe.
DÜNNES EIS FÜR VERANSTALTER
Sechs Monate „Demolitian Race“ haben verdeutlicht, dass strikte Regeln nicht immer sinnvoll sind, weil dies vermutlich weitere Aufgaben – oder Verluste? – zur Folge hätte haben können, vermutlich der Grund für die Entscheidung des Veranstalters, die Segler aktiv zu beraten, um gefährliche Wettersituationen zu entschärfen, und den Verlust weiterer Matadore zu vermeiden – oder am Ende gar vor leeren Rängen zu moderieren? Zumal man das Routing nicht weiterhin ggf. weniger qualifizierten Amateurfunkern überlassen wollte, einer Grauzone erlaubter Assistance, die von den Matadoren höchst unterschiedlich ausgedeutet wurde, vom einfachen Amateur Funker ( Istvan ) bis zu professioneller Beratung bei anderen Seglern, Ham Radio macht alles möglich. Auch das Befahren einer no go zone, das vereinzelt mit „penalty“ bestraft, wurde zuletzt entschärft. All dies sind sinnvolle Lehren, die dem Charakter eines Races kaum entgegen stehen, weil sie die Sicherheit auf See erhöhen.
Der vom Veranstalter offenbar zwiespältig eingeschätzte Einsatz von Jordans Series Drogue Systemen im Southern Ocean, wird am Ende vielleicht sogar eine Schlüsselrolle zufallen, wenn sich herausstellen sollte, welche Sturmtaktiken im GGR und LLR von den Seglern verwendet wurden. Die Ergebnisse sind frappierend: LLR Segler haben offenbar wiederholt Stürme unter JSD Treibanker abgewettert, während im GGR vermutlich nur Susie diese Taktik gewählt hat, wenngleich vergeblich. Bemerkungen des Veranstalters, dass man Schleppleinen leichter und schneller wieder an Bord ziehen könne, geben Raum zu der Vermutung, dass ein Regattasegler eben auch im Sturm vorzugsweise ohne allzu grosse Zeitverluste unterwegs sein sollte, weil die Peitsche knallt.
Die JSD Thematik wurde anlässlich des Verlustes von Susies Schiff bei ATTAINABLE CRUISING ausführlich kommentiert.
Kritisch zu bewerten ist auch eine andere Präferenz mit weitreichenderen Folgen. Wenn ein Veranstalter mit australischem Pass, dem nationale Umweltschutz Gesetze bekannt sein sollten ( ! ), von den Behörden unter Hinweis auf rigide Strafen aufgefordert wird, die Reinigung von Unterwasserschiffen zu unterlassen und dies am Ende nur Tapio trifft, derweil etliche Segler zuvor ihre Schiffe vor Ort gesäubert haben, hätte man sich mehr Weitsicht gewünscht. Die Konsequenzen jedenfalls hätten für Tapio nicht schwerwiegender sein können, wobei keineswegs gesichert ist, ob nicht per se sogar die Seetüchtigkeit des Schiff Schaden nehmen könnte. Ein stark bewachsenes Hauptruder verliert an Wirksamkeit, zumal es bei der Asteria ohnehin enorm weit vom Heck entfernt gelegen ist, ergo weniger wirksam ist, als z.B. bei einer Rustler 36. Tapio´s SMS und Podcast sind zu entnehmen, dass er bei Schwerwetter dazu übergegangen ist, seine Windsteueranlage durch zusätzliche Steuerimpulse seiner Pedalsteuerung zu unterstützen, damit das Schiff besser auf Kurs gehalten wird. Für mich ein Hinweis, dass die Wirksamkeit des Hauptruders durch den Bewuchs bereits nachgelassen haben könnte.
Oder hat es an der Präsenz ihres Sponsor´s in Tasmanien gelegen, dass sie vor den Kameras des Veranstalters ihr Unterwasserschiff hat reinigen können? In Hobart jedenfalls wurde vermutlich dadurch eine Weiche gestellt, die allein für Tapio tragische Konsequenzen hat, denn Capt. Coconut und Igor sind bereits vor Hobart links abgebogen und Istvan hat in einer einsamen Bucht „Schutz gesucht“, wo ihn der Veranstalter per Automobil besuchte.
Ob es sinnvoll gewesen ist, das GGR unter Vorgabe besonders rigider Regeln zu etablieren – „if it was not on Suhaili, you cannot use it“ – vermag ein jeder für sich selbst zu beurteilen, insbesondere angesichts heute vorliegender Erfahrungen sowie der Auswertung der Berichte von Havaristen, die ihr Schiff verloren haben. Ich stehe sicher nicht alleine mit meiner Meinung, dass man segensreiche technische Errungenschaften zur Verbesserung der Sicherheitslage der Segler, nicht unter Vorsatz hätte verbieten sollen, insbesondere, wenn man im Ernstfall medienwirksam „Siegel bricht“ sodann alle Register zieht, um Schiffe und Flugzeuge zu strapazieren, in Seenot geratene Segler aufzufischen. Gute Seemannschaft beinhaltet auch Weitsicht eines Veranstalter, zumal die Welt nun gesehen hat, wohin es führt, wenn man Amateursegler vergleichsweise blind, mit Walker Schlepplogge und ohne verlässliche Wetterprognosen unter Regattabedingungen einer vorgegebenen Route im Southern Ocean folgen lässt, und das Fallbeil der Chichester Class den ohnehin gewaltigen psychischen Druck nochmals verstärkt, weil Seglern eine Entscheidung aufgezwungen wird, sich zwischen guter Seemannschaft – z.B. zur Reparatur einen Hafen anzulaufen – und Risikobereitschaft zu wählen.
Hier werden Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung sicherlich ausserhalb eines omnipräsenten Veranstalters und Moderators gefunden werden, deren Niederschlag in potentiellen Veranstaltungen ähnlicher Art zu finden sein wird.
Die unangenehme Frage nach der Sinnhaftigkeit des GGR gliche dann schnell einem Ritt auf der Rasierklinge, wenn dies vielleicht nur als mediales Ereignis geplant wurde, vergleichbar mit TV Formaten von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“? Immerhin haben die Tragödien von Abilash und Susie weltweit die Headlines erreicht, inklusive einer Kontaktadresse für Interview Anfragen in des Veranstalter´s Pressetexten. Diesen Gedanken allerdings weiter zu verfolgen, verweigere ich mich, auch wenn ein Blick auf die La Longue Route beweist, dass es sensationelle „Code Red“ Ereignisse dort nicht gegeben hat. Die enorme Summe aller im GGR verursachter Schäden, Folgen bzw. Verluste werfen Fragen auf, nicht nur, weil diese von den Seglern selbst zu schultern sind. Der Veranstalter versäumt nie, immer wieder freundlich darauf hinzuweisen, dass die Teilnahme freiwillig erfolgt sei, man also die Risiken habe kennen müssen, er im übrigen stets bestätigt, dass er mit einer ähnlichen Ausfallrate gerechnet habe. Sarkasmus sieht für mich ähnlich aus.
MEINE ERFAHRUNGEN
Reizvoller für mich, einige Bemerkungen zu meinen Erfahrungen mit dem Veranstalter zu machen, die im menschlichen Spannungsfeld von Veranstalter und einem Sponsor für Windsteuersysteme ihre Quelle haben. Meine anfänglichen Befürchtungen mangelnder Sachlichkeit sind von der Realität übertroffen worden, insbesondere weil offenkundig geworden ist, dass die erhoffte Seriosität in der medialen Berichterstattung zugunsten subjektiver Präferenzen für den eigenen Sponsor ersetzt worden ist. Bei allem Vertrauen auf kritische Beobachter dieser Veranstaltung, sowie stiller Hoffnung auf die Selbstheilungskräfte innerhalb der cruising community, empfinde ich diese Liaison als Faux Pas, der negativ auf den Veranstalter strahlt. Als Beispiel mag der Vermerk in einer GGR Official Pressemitteilung vom 02.01.2019 genügen:
Kopar´s Puffin has suffered continued self-steering issues from Day 1
Begleitet von einem Foto von Istvan´s Schiff, eine Meldung, die sich in der weltweiten Presse wiederfindet, zumal Journalisten allzu gern mit copy and paste ihr Gehalt verdienen und ein Veranstalter am vorderen Ende der Nahrungskette sitzt, weshalb er seine Press Release sorgsam formuliert.
Wohlgemerkt: der Veranstalter ist über die technischen Zusammenhänge an Bord der Puffin nahtlos informiert, verfügt zudem über ganz persönliche Erfahrungen mit einem Skipper der besonderen Art, der offenbar nur ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten zu folgen bereit und in der Lage ist, indem er vor dem Start rundum offenbarte, dass er notfalls auch ohne Green Card starten würde, weil er etliche Vorgaben des Veranstalters als persönliche Schikane empfunden habe.
Wenn ich mich bereits früh zu ausführlicher Berichterstattung zum GGR entschlossen habe, sehe ich heute, wie wichtig dies gewesen ist, weil meine anfänglichen Bedenken von Fakten nahezu sämtlich eingeholt worden sind. Klar, dass all dies einem Veranstalter nicht gefallen kann, aber: wofür sollte ich mich entschuldigen?
GGR – TUMMELPLATZ FÜR SPONSOREN?
Eher nicht, denn die Fakten sind offenkundig. Meine Findungen zum allseits beliebten Thema in der Bluewater Cruising Community, sind nachzulesen. Man kann sie auf den Terminus verkürzen, dass die Anzahl hier erreichbarer aktiver Segler weltweit zu gering erscheint, um aufwendige Campagnen zu initiieren. Das grosse Geld ist schlau, denn es weiss genau, wo ein Investment lohnt, wo Klick Taifune zu erwarten, oder wo man infolge Besucher Flaute lieber auf der Mauer sitzen bleibt, um bessere Gelegenheiten abzuwarten. Die Erfahrungen des Veranstalters zeigen dies exemplarisch. Grosssponsoren sind kaum präsent, hingegen nur bei einigen wenigen Matadoren vorhanden, deren Schiffe in der Folge mit geringerem persönlichen Kapitaleinsatz besser ausgerüstet werden konnten, was die Ungleichheit vergrösserte.
Mein besonderes Augenmerk gilt dem Sponsoring im überschaubaren Bereich, z.B. durch Sachleistungen. An dieser Stelle habe ich investiert und fünf Seglern zu Sach- und Dienstleistungen verholfen, für die ich ansonsten einen Kaufpreis verlange und erhalte.
Ich habe gelernt, mich auf mein Gegenüber einzulassen, ihnen, je nach Wissensstand, zu meinem Lebensthema, mehr oder weniger umfangreich, Erklärungen zu unterbreiten. Eine Arbeit, die mir seit 44 Jahren Freude bereitet, über die ich mich nie beklage, weil sie zu einem schönen Teil meines Lebens geworden ist: Erfahrungen mit positiven Menschen, die, wie ich, das gleiche Hobby pflegen, bei denen gegenseitiger Respekt Basis für Vertrauen ist.
Diese positiven Gedanken im Kopf, habe ich mich in die Arbeit im GGR gestürzt, habe hunderte Schriftwechsel zu allen Facetten erledigt und meine Gegenüber virtuell und persönlich auf den Stegen ein wenig kennen gelernt, wie es im Verlauf so eines Prozesses nur natürlich ist. Unter klugen Menschen führt Wissensaustausch zu Ergebnissen, deren Folgen an den Schiffen von Igor, Abhilash, Tapio zu sehen waren. Das es auch anders verlaufen kann, hatte mich veranlasst, bereits wenige Tage nach dem Start die Chronologie eines Missverständnissen aufzuschreiben.
Wenn alle Schranken fairen Umgang gefallen sind, man eigene Versäumnisse und Planungsfehler, die man in Mikrofone dezidiert diktiert, zeitgleich rigoros verneint, sie gleichwohl im Wochentakt seinem Sponsor in die Schuhe zu schieben sucht, drängt sich ggf. am Ende der Reise die Frage auf, wer das Schiff denn um die Welt gesteuert hat? Eine Glatteis Frage, deren Antwort jeder Segler kennt, dem die stringente Logik mechanischer Heckverzierungen keine Rätsel mehr verbergen.
Die Spannung jedenfalls … steigt!
Peter Foerthmann
Deine Ernennung in den Diplomatischen Dienst steht kurz bevor! Mit diesem Artikel ist die „Habilitation“ gelungen. – Hab Dich auch schon mit deutlicheren Worten gehört. – Trotzdem, gut geschrieben, eben…