Jean Luc VD Heede

SV MATMUT – ANKUNFT LES SABLES IM JANUARREGEN

Moin Moin Peter,

hier ist der Ben von den Sailing Conductors!
Da ich im Moment gespannt das Golden Globe Race verfolge und ja gerade sowieso in der Bretagne wohne, war es für mich nur eine halbtägige, 54 Seemeilen Segelboot-Reise (Ok Mist, es war eine Stunde mit dem Auto…) bis nach Les Sables d’Olonne. Ich hatte gehofft, dich da anzutreffen, aber ich verstehe… von Hamburg aus hätte das mit dem Boot bestimmt eine gute Woche gedauert (bei gutem Wind!)… Trotzdem habe ich euch vermisst und möchte Marzena und dir hiermit gerne ein paar kleine Eindrücke von diesem Event zuschicken 🙂
Ich habe schon zu oft “Deep Water” gesehen, den Dokumentarfilm über das “Sunday Times Golden Globe Race” von 1968. Eigentlich ist es der einzige Film, der eine lebenslange Aufenthaltsgenehmigung auf meinem Laptop besitzt. Es ist die wahnsinnige (und leider auch tragische) Geschichte über das erste Einhand-Nonstop-Around the World-Rennen, wo auch Bernard Moitessier auf seiner berühmten Joshua mitgemacht hat und auch gewonnen hätte, wäre er nicht kurz vor dem Ziel falsch abgebogen und auf Tahiti gelandet… Gewonnen hat dann Robin Knox-Johnston mit seiner hölzernen knapp 10m langen „Suhaili“.
Jetzt, genau 50 Jahre später sollte das gleiche Spektakel noch mal stattfinden – das Golden Globe Race 2018. Gleiche Regeln wie damals: Zugelassen sind nur ein Sextant und ne Kiste mit Rum. Keine modernen elektronischen Navigationsgeräte, kein GPS, nichts. Spannend, oder? Ich muss sagen, ich habe schon das ein oder andere Mal drüber nachgedacht, ob ich nicht vielleicht auch… Naja.
Gestern (20.01.19) um 9 Uhr sollte jetzt der diesjährige Gewinner, der Franzose Jean-Luc Van Den Heede in Les Sables d’Olonne einlaufen. Klar musste ich da dabei sein (und mir vielleicht schon mal ein paar Tipps für das nächste Rennen in 50 Jahren sichern!). Leider war das Wetter eher mittelmäßig, nicht würdig einem Weltumsegler, der nach ziemlich genau 7 Monaten endlich wieder trockenen (oder nassen?) Boden unter den Füßen spüren sollte. Ich war überfrüh da, hatte zum Glück dran gedacht mir eine Thermoskanne Kaffee mitzunehmen, und schlurfte damit so feucht-fröhlich am Kai entlang, zwischen den anderen Zuschauern hindurch, die augenscheinlich noch früher aufgestanden waren als ich und es noch weniger aushalten konnten, endlich diesen Jean-Luc am Horizont ausfindig zu machen. Ihre eigene Thermoskanne mit Kaffee hatten sie allerdings wohl vergessen in der Eile herzukommen, genüßlich bemerkte ich, dass ich der einzige war mit was warmem braunen zwischen den Händen und ein paar neidische Blicke auf mich fielen. Sonst bin ich immer derjenige mit den neidischen Blicken…
Ich war kurz irritiert, als ich an einigen alten Kanonen vorbeilief (was hatten sie vor???), war dann aber beruhigt, da der Gewinner ja schließlich Franzose war und nicht Deutscher oder gar Engländer. Wo ist jetzt der beste Platz zum Winken? Je weiter ich Richtung Leuchtturm schlenderte, desto mehr Menschen standen mir im Weg. Ich goss mir gerade noch eine dritte Tasse Kaffee ein, als mein Blick auf eine Leiter fiel, die auf eine Mauer überhalb der Menschenmassen führte. Mit dem Becher zwischen den Zähnen nahm ich die rostigen Sprossen in die Hand und wagte den Aufstieg. Niemand schien mich dabei zu beobachten. Direkt vor mir dann der schöne Leuchtturm. Auf einem Schild stand irgendwas von “Interdit”… aber ich konnte die Bedeutung nicht ganz entziffern.. Also vorbei. Und jetzt stand ich ganz alleine auf dem Logenplatz, hatte besten Ausblick über das Meer, den Horizont und den Pöbel.
 
So eine Ankunftsfeier ist schon irgendwie eine zähe Sache. Ganz besonders bei Regen, Wind und Kälte. Von dem Zeitpunkt an, wenn man endlich freudig den Gewinner-Segler am Horizont ausmachen kann, bis zu dem Moment, an dem die gesamte Kolonne endlich an dir vorbei fährt, können schon gut 90 Minuten vergehen. Getröte, Winken, Bravo-Schreie, dann ist sie auch schon vorbei. Und so richtig viel sehen ist dann auch nicht drin, trotz Logenplatz…
Dann geht die 20-minütige Pilgerreise in die Marina, wo Jean-Luc Van Den Heede endlich das erste Mal von Bord steigen kann, wenn er denn vorbeigelassen wird von den vielen Reportern und der Menschentraube, die alle einen genauen Blick auf den Skipper und sein kleines, mit Seegras bewachsenes Boot “Matmut“, eine Rustler 36, erhaschen wollen. Der starke Geruch von Seewasser aus allen Weltmeeren steigt einem in die Nase, der Beweis für seine Leistung – dieser Mann ist die definitiv um die Welt gesegelt. Kurz kommt mir noch in den Sinn, auch an der internationalen Auswahl von Barnacles zu lutschen, um die Echtheit der Weltumsegelung zu überprüfen, lasse aber dann doch von dem Gedanken ab… Wieder denke ich drüber nach, wie es wohl sein muss, auf diesem Boot knapp 7 Monate am Stück ungemütlich leben zu müssen, mit sehr wenig Schlaf, oft durchgefroren und dank starkem Wellengang nicht selten unfähig einen Kaffee zu kochen, oder gar eine warme Malzeit. Ich weiß etwa, wie sich das anfühlt, da ich ja gerade selber mit meiner “Marianne” (30 Fuß Vollkieler von 1976) 9 Tage lang von Bergen, Norwegen nach Le Havre in Frankreich gesegelt bin. 6 Tage davon bei (nur) etwa 30 Knoten und natürlich wie immer gegenan. Ich will nicht wissen, wie sich das anfühlt bei 50 Knoten plus! Ich lag jedenfalls die 6 Tage nur dösend in der Koje, zu fertig, um zu lesen oder groß was zu essen. Also 9 Tage allein unterwegs war schon eine tolle Herausforderung, aber Lust auf noch mindestens 202 weitere Tage davon? (211 Tage hat Jean-Luc insgesamt gebraucht. Der letzte Segler trifft eventuell irgendwann im Mai ein) Mmmm, ich überlege mir das noch mal…
Und jetzt ist er endlich auf der Bühne und lässt sich feiern! Der Franzose Jean-Luc Van Den Heede hat als erster die Nonstop-Einhand-Weltumsegelung des Golden Globe Races geschafft. Und das mit 73 Jahren!!! Unglaublich. Respekt. Was ein Typ. Und jetzt steht er ganz lässig da oben auf der Bühne und man sieht es ihm überhaupt nicht an, was er gerade geleistet hat. Also ob er noch nie etwas anderes gemacht hat in seinem Leben. Na gut, er wackelt vielleicht etwas hin und her beim Gehen, aber ansonsten sieht er fit und frisch aus. Ein Übermensch. So will ich auch mal sein irgendwann. Aber ich hätte wahrscheinlich heulend und stotternd vor Emotionen auf der Bühne gestanden und wäre dann wahrscheinlich früher oder später zusammengebrochen… Jean-Luc ist aber nicht ganz allein da oben auf der Bühne – ich bin ganz aufgeregt, als plötzlich auch Sir Robin Knox-Johnston auf die Bühne gerufen wird! Waaas? Wahnsinn!!! Der Gewinner des “Sunday Times Golden Globe Race” von 1968 ist auch da und erhält mindestens genau so viel Beifall wie der diesjährige Gewinner. Schon lustig – Robin Knox-Johnston ist jetzt 79 Jahre alt, Jean-Luc Van Den Heede ist 73 Jahre. Also, eigentlich hätte Robin doch dieses Rennen auch wieder mitmachen können, um seinen Titel zu verteidigen, oder? Naja, wir wollen es ihm nachsehen, ich weiß auch gar nicht, ob seine hölzerne “Suhaili“ noch viel Lust drauf gehabt hätte. Und ohne die wäre er bestimmt nicht angetreten.
Ach Peter, nass, kalt und windig war es gestern, aber ein echt schönes Erlebnis! Nur ihr habt gefehlt! Aber versprich mir… in 50 Jahren seid ihr dabei! 🙂
Ahoi und ganz herzliche Grüße aus der schönen Bretagne sendet euch,
euer Ben

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