Bianca 27

DER LOGISCHE WEG FÜR FOLKEBOOT SEGLER
Hamburger Bootsausstellung International, so hiess damals das Tor zur Segler Welt, in das ich in den 60ger und 70ger Jahren, vorzugsweise über den Zaun eingestiegen bin. Das Geld war knapp, die Wünsche stets zu gross, darum galt als Sport, zumindest das Eintrittsgeld zu verhindern bzw zu umgehen, um die Knete dann lieber drinnen für ein ganzes Schiff anzulegen. Naja Scherz! Immerhin hatte ich bis dato überwiegend nur Schiffe am Ende ihrer Halbwertzeit besegelt, allerdings ohne dass mein Ego dabei Schaden genommen hätte. Aber nach zwei Jahren Folkeboot im bücken, fühle ich mich reif für ein Schiff zum entzücken, um im Stehen zum Klo zu gehen, natürlich auch, um das Weib an meiner Seite zum Mitsegeln zu verlocken. Denn schon damals musste man zu besonderen Mitteln greifen, um nicht immer nur allein an Bord zu verzweifeln. Einhandsegeln mag zwar schick für´s Ego sein, aber zu Zweit hat man mehr Spass, wenn es gut läuft – jedenfalls!
Bianca 27 und Folkebad Zentralen Kerteminde standen in Halle 4 dicht beieinander, Harald Göricke war der deutsche Macker für die dänischen Träume, er war der Bianca Werftvertreter. Ich war meschugge, neudeutsch bekloppt, zumindest war ich vollkommen neben der Spur, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben Opa´s Devise mistachtete: kauf dir nur, was du auch bezahlen kannst, die eigentlich bis heute überlebt. Immerhin hatte ich auf der Messe im Oktober 1971 einen Kaufvertrag für eine nagelneue Bianca 27 part complete ( Bausatz zum Selbstbau ) unterschrieben. Der Preis war heiss, weil ich damals keine Mark in der Tasche hatte. Ich hatte für DM 32.000 unterschrieben! Donnerwetter, mein Weib war sauer, obgleich ich als kleinen Besänftigungsversuch angeboten hatte, dass das Schiff ihren Namen tragen werde! Hat die Laune nicht verbessert.
Als Liefertermin war der Mai 1972 vermerkt, also sechs ganze Monate Zeit, das notwendige Kleingeld zu beschaffen. Mein Blutdruck ruhig. Zunächst wurde mein Lind Folkeboot verkauft, was in wenigen Tage erledigt und bereits DM 17.000 in die Kasse brachte. Dann stand Weihnachten vor der Tür mit mannigfaltigen Verdienstmöglichkeiten meiner vielfältigen saisonalen Tätigkeiten: Klavierstimmen brachte DM 25, Sklavenarbeiten an der Heimatfront, das Dealen mit Märklin Eisenbahnen in handlichen Mengen in Aldi Kartons drapiert, brachte damals meine Frau und auch die Nachbarn in Rage, weil in Hamburg Berne ganze Wagenkolonnen langsam auf der Suche nach der Hausnummer 14, unser schmale Strasse verstopften. Das galt als peinlich! Ja, es war schon damals schwer für mich, es jedem Recht zu machen, darum habe ich das bereits beizeiten aufgegeben. Ach ja, gebrauchte Kinderwagen mit Flechtwerk an den Seiten und vollgepinkelten Matrazen, Radio- und Fernsehtruhen, Fahrräder mit Platten, Quickly Mopeds zum knattern, Bäume fällen und zerkleinern … kurz, es war ein Kinderspiel, das Geld für mein erstes Dickschiff zu verdienen. Im April lag das Geld auf Warteschleife bereit zur weiteren Verwendung.
Anfang Mai ging´s los nach Rudköbing, meine Dyane hatte mit 18 PS tapfer zu schleppen, allerdings nur bis Kiel, denn damals existiert noch die Fähre nach Langeland, das arme Auto war bis zum Dach schwer beladen. Das Zelt war auf dem Werftgelände schnell aufgeschlagen, die Ratten und Mäuse zwar störend, aber wir haben uns vergleichsweise schnell an sie gewöhnt, sogar in unserem Zelt. Ich erinnere mich allerdings an das Quieken, aber das war meine damalige Frau, die dann unseren Käse in Sicherheit brachte.

Unser blauer Kasko wartete vorne rechts in der Neubau Halle: eine leere Hülle, in der allerdings bereits der Volvo MD2B trohnte, ein stattliches Eisenungetüm mit 25 wilden PS, die das Schiff fast zum Fliegen brachten, falls man das wollte. Der rote Buhk mit 10 PS war damals Standart, die grüne Farbe mit 2 Zylindern hat mich nur DM 600 Aufpreis gekostet. Ich habe also 15 PS für 600 Mark bekommen! Rechnen war mir wichtig, schon damals konnte ich das richtig.
Die Tücken damaliger Volvo RB Getriebe mit Zweihebelschaltung, allerdings habe ich bereits auf der ersten Reise kennenlernen müssen. Warum hatte mich niemand darauf hingewiesen, dass man das RB Getriebe mit Hartgummikonus regelmässig hätte auskuppeln müssen, um zu verhindern, dass der Konus sich zu sehr festbeisst in der Gegenseite, wenn der dicke Propeller vorwärts schiebt? Diese Lektion hat mich in der Schleuse von Holtenau zum Schwitzen gebracht, als ich dicht vor dem geschlossenen Schleusentor den Gang rausnehmen wollte, und die Kollision nur durch ein schneidiges Manöver verhindern konnte. Ein Blitzlernprozess, um den Bugkorb zu retten, mindestens, wobei ein Ramming vor den Augen von Zeugen peinlich hätte werden können. Fortan habe ich alle 30 Minuten ausgekuppelt, vermutlich das Standartprozedere von Fischern in ihren Booten, die von Stellnetz zu Stellnetz tuckern, derweil der Jockelt ruhig weiterläuft, bis er wieder eingekuppelt wird. Ein Lebenslernprozess, der nie zuende geht.
Ach ja, der Ausbau der schmucken Yacht ging reibungslos vonstatten, wir haben exakt 2,5 Wochen dafür gebraucht, sind hernach in den verbleibenden Urlaubstagen von Rudköbing bis nach Wedel gesaust, um dort als strahlende Sieger einer Wette anzukommen. Denn es hat einige Wetten im Yachthafen gegeben: das schafft ihr nie, eine Bianca 27 in 3 Wochen fertig auszubauen und nach Wedel zu segeln. Ja, das Schiff wurde dann gebührend begossen … und wir haben die Lilo dann für einige Jahre über Skagen bis nach Schweden gesegelt, bis mein Freund Heiner mich überzeugen wollte und konnte, ihm das Schiff zu verkaufen und fortan neue Abenteuer zu suchen. Damals keine Herausforderung, denn der Markt war fertil, man hat mir damals ein Schiff aus den Händen gerissen, kaum, dass ich ein Inserat hätte aufgeben müssen. Für die Bianca habe ich DM 45.000 erlöst. Einen Teil davon habe ich umgehend in Schweden investiert, aber die Geschichte wird ein anderes Mal aufgeschrieben, denn sie hatte Folgen für meine weitere schiffstechnische Entwicklung.
Die Bianca 27 wurde von 1966 – 1979 produziert, ca 530 Schiffe haben die Werfthallen verlassen, die allermeisten sind heute noch schwimmend unterwegs. Details sind hier zu finden.


Was ich damals verändert habe:
– Das doppelte Vorstag wurde gegen nur ein stärkeres Stag ( 6 mm ) ausgewechselt, wodurch das Vorsegel besser stand und die Luvgierigkeit geringer wurde.
– Die Hohlräume im Vorschiff zwischen Innen- und Aussenschale wurden mit Hartschaum ausgeschäumt, wodurch die Schwalbennester im Vorschiff bei Seegang nicht mehr von der Innenschale abgehebelt wurden, wenn das Schiff wenig sachte in die Wellen krachte.
– An den Püttings wurden zur besseren Lastverteilung unter Deck solide verzinkte Stahlplatten mit Epoxyspachtel unterlegt.
– Der dreiflügelige Propeller brachte das Stevenrohr zum Brummen. Herr Thiess in Köln Reisick hat ihm die Unwucht abgewöhnt und unterschiedliche Steigungen egalisiert. Danach war Ruhe im Schiff, sogar unter Maschine.
– Der Kajütaufbau wurde unter dem Mast verstärkt, damit die Tür darunter unter Last beim Segeln nicht mehr klemmte. Die Tür wurde später durch ein Schnapprollo ersetzt, zumal sie an dieser Stelle ohnehin im Weg und auch nicht als schalldichte Tür zum Klo taugte, man von dort fortan den vollen Überblick unter Deck behalten konnte.

Das Geheimnis, einen Langkieler wunderbar rückwärts zu manövrieren, war in wenigen Tagen gelernt: Rückwärtsgang einlegen – Vollgas – damit die Fuhre ordetlich Fahrt aufnahm – sodann Gas weg … und mit dem Ruder dorthin steuern, wo man das wollte. Den Propellereffekt vor der Rückwärtssause durch Vorhalten kompensieren. Jedem Langkieler kann man Manieren beibringen, man muss nur die Tricks kennen, und sich unter Power das Fahren achteraus trauen … dann fressen sie ihrem Eigner aus der Hand.

Nach bester Erinnerung, wenngleich 50 Jahre verspätet, protokolliert und handsigniert.

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26.12.2022
Peter Foerthmann


SV Shalom – Christoph Vougessis GER
50 JAHRE BIANCA 27 – EINE WIEDERAUFERSTEHUNG
Beim Verfassen meines Berichtes über den Bau meiner Bianca 27 im Jahre 1972, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, einfach mal Christoph um seine Erfahrungen zu befragen, denn immerhin hatte er seine Shalom nach 50 Jahren der Nutzung und dem Tod des vorherigen Eigners, mit einer Unzahl von Baustellen in bedauernswertem Zustand erworben. Das Schiff lag einigermassen verwahrlost in Kiel an Land und wartete auf seine weitere Verwendung, ggf. sogar einer Verwertung.

Die Bianca hätte es nicht besser treffen können, denn in den vergangenen drei Jahren wurde sie nun von Grund auf saniert, strukturell verbessert und verstärkt. Für einen Bootsbauer mit Abschluss ein Projekt, an dem ein Hobbybootsbauer ansonsten schon hätte verzweifeln können. Christoph hingegen hat sich durchgebissen und die Sanierung bis zum Ende durchgeführt, bzw. nervlich durchgehalten. Er hat der Plan, im Sommer 2023 los zu segeln.

Moin Peter, das erste Jahr ist leider nicht fotografisch festgehalten, weil mein Handy unterwegs gestorben ist, mitsamt den Fotos. Dumm gelaufen! Zu Anfang war das Boot weiß und dabei herrlich ausgekreidet. Der Vorsteven war, vom Bugbeschlag aus nach unten gesehen, auf dem ersten Meter nicht mehr existent. Vorne im Boot klaffte ein großes Loch. Die erste große Baustelle war also das Wiederherstellen der alten Rumpfform im Stevenbereich, damit das Schiff überhaupt schwimmfähig war und von Kiel nach Hamburg überführt werden konnte. 
Daher ist das Schiff schon so früh von mir lackiert worden, allerdings nur der Rumpf. Deck und Aufbau mussten warten, weil elementare Laminatarbeiten erst im zweiten Jahr erledigt werden konnten. Auch das rote Ungeheuer, der defekte Bukh Motor musste raus … und warten.
Ich habe immer nur im Sommer am Boot arbeiten können, da ich ja auch auf dem Kahn wohne und im Sommer auf der Werft, auf der ich gelernt habe, immer genügend freie Bootstrailer vorhanden waren und ich an Land in der ansonsten leeren Halle habe arbeiten können. Die Winter habe ich auf meiner schwimmenden Baustelle gewohnt, mal hier und mal dort, auch schon mal im City Sportboothafen. Anfangs ohne Motor und Mast, inzwischen, nach drei Sommern, nun mit neuem Rigg und überholtem Dieselwindmotor.
Im zweiten Sommer war das U-Schiff dran. Die Kielflosse ist bei der Bianca im hinteren Bereich ausgeschäumt und über die Jahre vollgelaufen, der Schaum vergammelt. Im Zuge einer Osmosebehandlung, die den halben Sommer dauerte, habe ich den Schaum entfernt und neu ausgeschäumt. Das angehängte Ruder habe ich neu gebaut, das alte war an den Aufhängungspunkten durchgerieben. Interessanterweise haben die Edelstahl Laschen die das GFK Ruder gehalten haben, das Laminat an dieser Stelle komplett durchgescheuert. Darum habe ich im neuen Ruder heute ein Edelstahlrohr einlaminiert, damit sich dieser Schaden nicht wiederholt.
Im dritten Sommer ( 2022) wurde das gesamte Sandwich Deck ( Bug bis Höhe Kockpit) neu gebaut, weil das Sandwich voller Wasser war und das Material kaum noch vorhanden gewesen ist. Zur besseren Belüftung unter Deck habe ich Doradelüfter eingebaut. Die Kajüte von innen restauriert ( viele, viele Holzarbeiten), und am Ende den Motor wieder eingebaut. Nach Abschluss der strukturellen Arbeiten habe ich anschließend den gesamten Aufbau lackiert, nachdem ich auch die Fenster – vormals mit Klemmgummiprofil und dauernd nässend – neugebaut und mit richtigen Rahmen versehen habe. Die Cockpitbänke ( ehemals Sperrholz mit Teakauflage ) waren durchgefault, wurden ebenfalls erneuert desgleichen die Cockpitwinsch Fundamente, die nun solide unterfüttert wurden.
Fehlte nur noch eine neue Schiebelukgarage, die ich aus Sperrholz mit Teakauflage gebaut habe.

Ich könnte noch hundert weitere Baustellen aufzählen, aber unterm Strich ist nun eigentlich alles neu, nur die Windsteueranlage von der Hurley 18 ist noch nicht montiert. Dafür aber schon die Solarplatten. 
Und das beste: Seit heute kann ich behaupten, dass ich dieses Jahr wieder auf Langfahrt gehe!
Im Juli/ August geht’s los! Dafür habe ich all die Mühen auf mich genommen und drei Sommer lang in einer Bootshalle an Land gewohnt, während ich mit Glasfaserstaub bedeckt war.
Ich freue mich auf Segeln!
So Peter, ich ergänze gerne weiter, wenn da noch Fragen sind.
Habe leider nur Fotos aus diesem letzten Sommer, alle anderen sind mit dem letzten Handy gestorben… Auch den Text habe ich mit dem Handy getippt, ich muss mir mal dringend wieder ein Computer besorgen…. 

Ich wünsch dir ein schönes Jahr 2023, bis denne! 🙂
Christoph

Moin Christoph,
da fehlt nur noch die eine Antwort auf die Frage, die durchaus erhellen wird / würde, warum Du Dir diese Baustelle ins Herz geholt hast? Für mich einzige Erklärung … ein Preis, bei dem man sich hat entscheiden MÜSSEN… Magst Du das beantworten? Es würde die Geschichte abrunden.
Anbei Fotos eines Bügels für die PACIFIC LIGHT in Edelstahl, den Du recht einfach selbst erstellen kannst.
Allerbest
Peter

Ach so, ja klar: Das Boot gehörte einem Ehepaar aus Kiel, beide Mitte 40. Der Ehemann ist 2018 plötzlich verstorben. Über deinen Blog kannte die Witwe wohl meine Geschichte ein wenig. Eines Tages sah ich auf eBay Kleinanzeigen die Anzeige ‚Bianca 27‘,damals für 6000€ zu verkaufen. Ich schrieb ihr, dass es ein schönes Boot sei und ich ihr Glück beim Verkauf wünsche. Ich suchte zu dem Zeitpunkt nach Booten in der Größe, tatsächlich hatte ich mich schon mit dem Gedanken befasst, ein Bianca irgendwann vielleicht zu kaufen. 

Da das Boot sehr runter war und sie meinen Namen erkannte, gab sie mir da Boot für 1000€, weil sie wusste dass ich Bootsbauer bin und noch wichtiger, dass ich damit eine große Reise unternehmen würde. Der verstorbene Mann hatte davon immer geträumt. So kam ich zu dem Boot. Das ist jetzt drei Jahre her. Bisher war ich kein einziges mal mit dem Boot segeln gewesen.
Christoph

Christoph hat im Jahre 2016 nach dem Abitur eine Hurley 22 bei EBAY für ein Taschengeld erworben, weitere € 30,00 für eine angebliche Windpilot Anlage ausgegeben, die allerdings keine gewesen ist, und hat sodann eine bemerkenswerte Reise angetreten – Hamburg – Gomera – Mindelo – Martinique – Horta – Hamburg, die ihn verändert hat. Über diese Reise hat er gemeinsam mit Anna Haubrich, die ihn über einige Monate begleitet hat, ein Buch geschrieben Per Anhalter über den Atlantik Christoph hat danach eine Lehre zum Bootsbauer absolviert, mit der er nahezu zeitgleich mit der Fertigstellung seiner Bianca nun fertig geworden ist. Die Abreise im Sommer 2023 erscheint hier als der logische Weg für diesen jungen Mann.
02.01.2023
Peter Foerthmann

Eine Antwort zu Bianca 27

  1. Moin
    Als Bianca 27-Enthuseast freut es mich sehr, dass hier ein Schiff die Auferstehung feiert. Leider habe ich in den letzten Jahren mehrfach erleben müssen wie Bianca´s abgewrackt wurden. Um so schöner wenn es noch engagierte Handwerks-Segler gibt.

    Bitte beachten: bei Facebook gibt´s ein Forum über die Bianca 27.

    Beste Grüsse von der Bianca 27 Nr. 340 HOLNIS aus Flensburg

    Kay von Eitzen

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