Endstation Kanaren

Wenn für Millionen von Nordeuropäern die Kanaren zum alljährlicher Fluchtpunkt geraten sind, um dort Sonne zu tanken und die bleichen Körper lecker braun zu rösten, sieht die Gemengelage für Segler ein wenig anders aus, denn für Sie liegt hier der Point of No return auf dem Weg ins Karibische Segelparadies. Wer einmal nach Westen losgefahren ist, schließt mit Europa ab, bis im Westen ein neues Morgen beginnt. Für Segler sind die Kanaren der Flaschenhals, den sie passieren müssen, um vollbeladen und betankt, Richtung Paradies Europa final zu entfliehen.

Das es auch anders kommen kann und die Kanaren zum Endpunkt einer sehnsuchtsvollen Reise geraten können, zeigt ein aufmerksamer Blick durch kanarische Inselhäfen. Eine Unzahl von Yachten dämmert unter der heißen Inselsonne einem ungewissen Schicksal entgegen. Meist sind es die menschlichen Unvollkommenheiten, die sich als Dynamit in einer Bordgemeinschaft erweisen, wenn sich nach einer anspruchsvoller Reise aus dem Norden vielleicht herausgestellt hat, daß die menschliche Chemie nicht stimmt oder man seinen Wagemut überschätzt hat. Auf den Kanaren werden traditionell viele One Way Tickets erworben und Skipper allein gelassen – manchmal allerdings auch anders rum.

Oder die Träume zerbrechen, weil sich herausgestellt hat, daß die schwimmenden Untersätze nicht hochsee konform gedacht oder gebaut gewesen sind – hier sind dann die Schiffe die Alleingelassenen, sie liegen in einsamen Hafenecken oder stehen auf leeren Fässern an Land, warten auf bessere Tage oder einen neuen Herrn, der sich gnädig über die von der Sonne gebeutelten Reste hermacht und hoffentlich nicht zu spät entdeckt, daß auch er vielleicht einem falschen Traum aufgesessen ist. Ein Schiffskauf fernab der Heimat birgt finanziell enorme Reize, weil Kaufpreise manchmal nur als Gebühr empfunden werden, deren Folgen erst am Morning after the night before um die Ecke kriechen. Immerhin werden auf diese Weise falsche Träume der Voreigner endgültig begraben, weil kollateral auch Liegegelder und sonstige Kosten erfasst und final erledigt werden.

Ich kenne nicht wenige Fälle, in denen Verkaufserlöse von verlassenen Träumen nach langen Jahren am Ende nur die Liegekosten und Versicherungsgebühren haben decken können – manchmal genügte der Kaufpreis nicht einmal zur Deckung dieser Kosten. Wenn dann der Zoll auch noch entdeckte, dass hier Steuerknete zu holen sei, geriet mancher Deal endgültig außer Kontrolle.

So liegen am Steg L in Las Palmas eine Reihe verlassener herber Schönheiten, die der Zahn der Sonne bereits gründlich angebissen hat. Hinter jedem Schiff versteckt sich eine Tragödie – das letzte Wort hat dann der Zoll und der Hafenkapitän.

In Las Palmas ist eine Ferro Zement Yacht der uneleganten Sorte am Steg zu finden, dessen Eigner in Erkenntnis des hier wohl finalen Hafens, der Einfachheit halber eine Wasserleitung in sein Schiff verlegte. Er wählte dazu den direkten Weg – und bohrte ein Loch durch die Bordwand direkt ins Schiff, wo er nun fließend kanarisches Wasser zur Verfügung hat.

Am gleichen Steg versammelt der Hafenkapitän verlassene Schiffe. Sie werden von Marineros per Rib dort hingeschleppt. Bei vielen hängen die Segel von der Sonne ungeschützt, bereits in Fetzen, wirklich segeln kann damit niemand mehr.

Nicht weniger traurig sind die ungezählten Geschichten von Strandungen, deren Reste dann alleingelassen oder der finalen Verwertung einer Kreissäge oder Schweissbrennern zum Opfer fallen. In Puerto de Mogan werden jedes Jahr eine Reihe von Yachten abgewrackt oder per LKW beseitigt, um Platz zu schaffen für andere Yachten, die mit den Träumen ihrer Eigner noch nicht am Ende sind. Seltene Südstürme oder unsicherer Ankergrund fordern hier regelmäßig ihren Tribut! Wer vor Puerto de Mogan auf Legerwall gerät, muß froh sein, wenn er sich selbst in Sicherheit bringen kann.

Tja und dann gibt es explizit in Puerto de Mogan und Puerto Rico eine Anzahl von Yachten, die seit Jahren von ihren Eignern nur zu Wohnzwecken oder Küstentörns verwendet werden, weil sie sich gegen eine Weiterreise entschieden haben und auch die Rückreise nach Europa zu beschwerlich scheint. Die Eigentümer haben im Laufe der Jahre Liegeplatz Kosten beglichen, die den Wert der Schiffe um ein Vielfaches überstiegen hat. Immerhin ist der Törn nach Europa gegen den Wind nicht immer ein Vergnügen. Für ängstliche Segler geraten die Inseln dann zur Mausefalle.

Die Kanaren sind ein anspruchsvolles Revier geblieben, keineswegs entsprechen sie dem landläufiges Klischee eines Traumreviers. Wer hier, aus welchen Gründen auch immer, hängen bleibt, hat ein Problem, das er mit List und Tücke lösen muß. Denn es handelt sich zumeist um einen Kampf gegen den inneren Schweinehund, den man zum Schweigen zu bringen hat, weil sich die Probleme reduzieren auf den allgegenwärtigen Nenner, dass man hier nur sein eigenes Spiegelbild beruhigen und überzeugen muß, denn die Schiffe haben stabilere Nerven als die Eigner, die sie allein gelassen haben – glaubt mit Überzeugung

Peter Foerthmann

Eine Antwort zu Endstation Kanaren

  1. Hans Jürgen Wienbeck sagt:

    Sehr geehrter Herr Foerthmann
    Moin. Bekannte (Russen) haben eine Hase495 auf den Kanaren liegen, die unter Tortuga Flagge segelt. Der Eigner ist vor ca. 1 Jahr verstorben, Witwe und Tochter sind keine Segler und wollen das Boot verkaufen. Vor 8 MOnaten hatten sie das Boot nach Marokko segeln lassen, weil man ihnen sagte, dass sie sonst das Boot auf den Kanaren verzollen müssten. Sie selbst wohnen in Moskau, nicht auf den Kanaren. Vor wenigen Tagen kamen Beamte vom Zoll und erkundigten sich nachmn Einzelheiten. Sie wissen, dass das Boot hier jetzt länger als 6 Monate liegt.
    Wissen Sie, wer mir eventuell etwas überr die Bestimmungen auf den Kanaren sagen/schreiben kann bezüglich der obigen Problematik?

    Danke, und frdl. Grüße

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