Biscaya

BISCAYA SOMMER 2023 – SPIESSRUTENLAUF NACH SÜDEN
Die Biscaya liegt jedem Segler quer im Magen, der, aus dem Norden kommend, nach Sonne und Wärme hechelt. Ein wenig vergleichbar mit der Chinesischen Mauer, die man zu überqueren hat, ohne zu wissen, was einen erwartet, bevor man nicht mitten drin im Abenteuer ist.

Bretagne

Unzählige Patenrezepte sind niedergeschrieben, innere Schweinhunde müssen zum Schweigen gebracht, oder einfach die Leinen losgebunden werden, um sodann zu erfahren, wie es draussen wirklich ist.

Der Sommer 2023 hatte Überraschungen im Gepäck. Anfangs geht´s immer an der Wand entlang, Holland, binnen oder buten, mit stehendem Mast durch malerische Städtchen oder auf die harte Tour von aussen Inseln für die Perlenkette sammeln. Manch einer ist wochenlang auf Vlieland hängen geblieben, wenn der Wind ungnädig oder nicht kooperierte.

Danach die grosse Frage, die ein jeder für sich selbst zu beantworten hat: an der Nordseite des Channels malerische englische Küstenstädte besuchen und am Ende dann den Absprung von Falmouth zu machen, oder aber mit Mut an der französischen Küste entlang, mit dem Tidenkalender auf Du und Du. Das Wetterfenster entscheidet alles, oder macht jede Planung zunichte.

SV Jambalaya mit Skipperin Luca hat sich fuer die französische Seite entschieden und wird in Kürze die Kanaren erreichen. Die Jambalaya hat eine schnelle Reise hingelegt.

SV Jambalaya – Luca Maier GER



SV Makani mit Stine und Danilo sind lange in Weymouth UK hängengeblieben, weil der Wind über Wochen aus Westen bliess. Auch Christoph Vougessis SV Shalom hat dies Schicksal ereilt. Beide Schiffe sind am Ende fast bei Flaute über die Bretagne nach Süden motort. Beide sind in A Coruna angekommen, wo Christoph nun als Bootsbauer arbeiten wird, wohingegen Danilo noch weiter nach Süden muss, weil in La Gomera sein neuer Job auf ihn wartet.

Vor wenigen Tagen erreicht mich ein Bericht von Wilfried Krusekopf aus der Bretagne

Moin Peter, ein paar Zeilen nach dem drittgrößten Sturm bei uns seit 36 Jahren. Ciaran war im letzten Oktober mit max 100 Knoten zwar nicht so kräftig wie Lothar 1999 (120 Knoten) und schon gar nicht wie der Jahrhundert-Orkan von 1987 mit 130 Knoten, hat aber dennoch zwei Kirchtürme und – von Bäumen wollen wir gar nicht reden – auch etliche Grabsteine umgeblasen. In den Häfen gab es hingegen nicht allzu viel Schaden, denn man hat hier aus den letzten beiden Blaskonzerten von 99 und 87 erheblich dazugelernt.
Hinzulernen ist wichtig… was man manchen – wie sie meinen – erfahrenen Seglern vielleicht immer mal wieder in Erinnerung rufen sollte. Schon vor, aber vor allem nach dem Sturm bekam ich verschiedene Emails und Anrufe von deutschen Seglern, die in Brest und Lorient zum Glück früh genug Schutz gesucht hatten und nun mit den Hufen scharrten, um endlich den Kurs auf La Coruna abzusetzen. Drei von ihnen konnte ich nach mehreren Gesprächen und übermittelten Wetterdaten – vor allem über Wellenhöhen in der Biskaya – davon überzeugen, dass es Unsinn wäre, nun direkt nach dem Sturm auf die 320 sm Strecke mit Kurs La Coruna zu gehen. Die Dünung war auch nach dem Sturm noch mit 9-10m angegeben, mittlere Wellenhöhe. Und da drauf setzte sich eine Windsee von 2-3 m durch einen Starkwind von etwa 7 Bft, mit etwa 50° zur alten Dünung… Stichwort „Interferenzen“…
OK, echte hartgesottene deutsche Ozeansegler schreckt so etwas nicht. Also ist eine 15 m Yacht unter deutscher Flagge ausgelaufen mit Kurs Galicien. Über Marine-Traffic konnte ich ihren Kurs bis etwa 20 sm südwestlich von Belle-Ile verfolgen. Nach ein paar Stunden ohne AIS-Signal – ich begann mir inzwischen Sorgen zu machen – sehe ich wieder die Yacht auf der Karte von Marine-Traffic, nun aber auf Kurs 50°. Vielleicht ein kurzes Segelmanöver …? Keineswegs. Die Yacht hält konstant weiter auf Lorient Kurs und kommt in der Nacht tatsächlich wieder am Steg an, von dem sie am Morgen abgelegt hatte. Neugierig rufe ich in Lorient an und höre, dass sie mit einem verletzten Besatzungsmitglied und drei Mann Totalausfall wegen schwerer Seekrankheit am Nachmittag entschieden hatten, doch den viel zu ehrgeizigen Plan angesichts der unbändigen See aufzugeben. Seitdem liegt das Schiff am Steg. Wie es weitergehen soll, verrät mir niemand.
Ein anderer aus der gleichen Wettersituation ist Tom F. SV Sve4La, den Du wohl kennst, denn er nutzt seit langem auch einen Deiner Steuersklaven. Tom hatte schon vor dem Sturm vernünftigerweise um Beratung bei mir angefragt. Ich konnte ihn von seinem Plan abbringen, möglichst schnell nach dem Sturm auf Direktkurs La Coruna zu gehen und er bereut es nun keineswegs. Denn inzwischen hat er und seine Frau ein paar wunderschöne Tage auf Belle-Ile verbracht, liegt nun im Vieux Port de La Rochelle (nein, nicht in der Retorten-Hypermarina von Les Minimes) und wird wohl heute Abend mit seiner Frau eine gigantische Fruits de Mer-Platte verspeisen.
 
Zu meiner großen Freude bewahrheitet sich sogar meine schon vor einer Woche formulierte, rein statistische Vermutung, dass sich nach mehr als 4 Wochen Schietwetter mit einem Tief hinter dem anderen die Großwetterlage radikal ändern wird. In der Tat wird sich ab dem 21.-22. Nov. ein kräftiges Hoch im Nordatlantik, nordwestlich der Biskaya bilden, das voraussichtlich für mindestens eine Woche bei uns Wind zwischen NNW und NE schenken wird. Die Welle wird so gering sein, dass die Fahrt nach La Coruna nun gefahrlos möglich sein wird und dann vermutlich wieder einige unerschütterlich erfahrene Segler großmäulig verkünden werden, dass die Biskaya sowieso auch im Winter gar nicht so wild ist, wie es immer behauptet wird.
 
Mit besten Seglergrüssen aus der Bretagne
Wilfried
 
Wilfried Krusekopf
Törn- und Revierberatung SAIL-BISKAYA

Eine Antwort zu Biscaya

  1. Thomas SV Carmina sagt:

    Da trifft nicht nur Wilfried den Nagel punktgenau auf den Kopf. Auch Du, Peter, beschreibst die Traverse dieser berühmt, berüchtigten „Bucht“ umfassend. Es ist wie es ist. Der kluge entscheidet defensiv. Unabhängig was für einen Kahn er sein Eigen nennt und führt. Wir wollten ab Cherbourg die Azoren „diretissima“ anfahren. Eine Motorpanne verunmöglichte das, denn wir hatte zwei Tage absolut Flaute, mitten in der Biskaya. Also A Coruna als Zwischenstopp. Und dann, ein paar Tage, später ein Starkwindfeld ab A Coruna mit gemeldeten 4-6 m Wellenhöhe und Kreuzsee aus alten Wetterlagen. Das war keine leichte Entscheidung und doch haben wir – mit einem weiten Schlag zuerst nach Westen – dann die Azoren direkt angesteuert. Gute Wahl, es war ein Spurt und für eine 38-er Ketsch in 6 Nächten und knappe 7 Tagen ein feiner Törn.

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