Susanne Huber-Curphey

NACHDENKLICHKEITEN FRAGEN UND ANALYSEN
Ich kenne Susanne seit Jahrzehnten, gleichwohl liegt unser letztes Treffen bereits 25 Jahre zurück. Susanne war im November 1997 gerade in Durban ZA eingelaufen, mit dem vermutlich ungewöhnlichsten Schlepp ihres Lebens: sie hatte ihren Tony samt Folkeboot mit Ruderschaden über den indischen Ocean geschleppt und feierte doppelt: Ankunft und den Beginn ihres Lebensbündnis´, dem Zusammenschluss zweier eingefleischter Einhandsegler … die hernach weiterhin diesen Zustand nicht veränderten: zwei einander zugewandte Menschen auf zwei Schiffen.
Ich hatte zum gleichen Zeitpunkt mein Lebenszelt für einige Wochen ebenfalls in Durban aufgeschlagen, weil ich meinem blinden Freund Geoffrey Hilton Barber zum Start seiner Einhandreise Richtung Freemantle geholfen habe.

Susanne hat kürzlich aus Sint Maarten diesen Kommentar zum GGR geschrieben.

Hallo Peter,
Auch ich verfolge das GGR 2022 mit all dem Drama und Publicity.
Das lange Video der Bootsbau-Experten zum tragischen Verlust von Tapio’s S+S blieb ohne Ergebnis, und das unglaublich schnelle Sinken übers Heck wurde am Ende auf eine mysteriöse Kollision geschoben. Ich stimme Dir bei dass die Belastung der Hydrovane auf den elegant-grazilen Spiegel durchaus die wirkliche Ursache gewesen sein könnte.

Nun schnitzt sich Abhil aus Klotüre, Kartentisch und Notruder immer wieder neue Pendulumruder für seine Windpilot. Er segelt extrem an oder auch weit über den Grenzen, beide Windgeneratoren waren z.B. unter Wasser. Vielleicht erklärt das sein Problem der WSA, das nur eines von sehr vielen auf seiner Reise ist. Weisst Du wodurch sein WSA Problem verursacht ist, immerhin hat er angeblich zwei Anlagen an Bord.

Du weisst, ich bin überzeugt vom Jordan Drogue in Sturm, der lt. englischer Definiton erst ab 10 Bft. beginnt. Damit sind solch massive und zerstörerische Knockdowns ausgeschlossen, die keine WSA mehr meistern kann. Siehe Kapitel 14 in der neuen Ausgabe von Heavy Weather Sailing, Edition 8.

In nun knapp 300K Seemeilen habe ich nur einmal im Sturm von Hand gesteuert und wäre dabei südlich von Australien fast durchgekentert. Wenn die Aries es nicht mehr schafft, kann ich es eben auch nicht. Meiner Meinung gibt es keine Situation um mit einer guten WSA selbst steuern zu müssen.

Der Schaden an der Aries von Patrick ist noch immer nicht erklärt. Angeblich rutschte der 25mm Hauptschaft heraus (ist doppelt gesichert), ohne dass Teile verloren gingen oder die Anlage selbst bsschädigt wurde. Freunde von mir die selbst eine Aries haben, sprachen kürzlich mit Patrick in Lanzarote, Patrick hielt sich bedeckt.
Warum ich Dir schreibe? Vielleicht weil ich wie Du weiss wie kritisch eine gut funktionierende und gut montierte WSA für Solosegler gerade auf eine solch einer 8+ Monate langen Reise ist.
Vielleicht auch weil es an der Zeit ist mal mit Dir Kontakt aufzunehmen?
Mit Grüssen,
Nehaj-Susanne

Ich nehme dies zum Anlass, meine Beobachtungen der vergangenen Monate zu teilen und zusammen zu fassen.

Bei allem Verständnis für den Wunsch eines Veranstalters, einer vorzugsweise breiten Öffentlichkeit ein möglichst spannungsreiches „Rennen“ zu unterbreiten und die Redaktionen der einschlägigen Wasser Presse bei jedem Schadensereignis mit spannenden Fotos und Videos eine Berichterstattung zu erleichtern, bzw. sie zu animieren, wird das GGR zunehmend von den Webfehlern dieser Veranstaltung unschön überschattet.

Oberflächlich betrachtet, mag man mir Befangenheit unterstellen, gleichwohl sei versucht, diesen Eindruck durch sachliche Details zu entkräften, was ich durch regelmässige Berichte im Verlauf der GGR 2018 und auch der GGR 2022 versucht habe.

Mein Buch WINDVANE REPORT listet akribisch die technischen Details auf, die in Bezug auf den Einsatz von Windsteuersystemen zu beachten sind. Es muss an dieser Stelle nicht wiederholt werden, dass eine Windsteueranlage im GGR eminent wichtige Bedeutung besitzt. Umso unverständlicher war das Verbot einer elektrischen Redundanz, die beim GGR 2018 zum Verlust der „Rennklasse“ sowie Herabstufung in Chichester Class geführt hätte. Es ist purem Glück und solider Seemannschaft zu verdanken, dass Are Wiig und Susie Goodall dem Schicksal von der Schippe haben springen können, weil ihre WSA kollabierten. Vermutlich waren im GGR 2018 nur wenige AP in versiegelter Box unter Deck vorhanden.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass WSA ( Windsteuersysteme ) fast sämtlicher Marken für Ausfälle verantwortlich gewesen sind. In 2018 waren folgende Marken am Start: Aries, Beaufort, Hydrovane, Monitor und Windpilot.

Der Webfehler der GGR gleicht eher einem „Konstruktionsfehler“, er ist einer besonderen finanziellen Verflechtung zwischen dem Veranstalter Don McIntyre und dem Hersteller der Hydrovane Systeme geschuldet, mit dem Ziel, möglichst vielen – oder allen? – GGR Seglern den Erwerb und die Nutzung einer Hydrovane Hilfsruderanlage besonders ans Herz zu legen, was durch die Regelvorgabe zum Mitführen eines Notruders beeinflusst, oder gar zwingend untermauert erscheint.

Im GGR 2022 sind nur noch drei Marken vertreten:
– 2 Aries
– 12 Hydrovane
– 2 Windpilot

Ob damit nun der Traum des Veranstalters und seines Sponsors in Erfüllung gegangen ist, das wage ich zu bezweifeln. Der Grund für diese Zeilen.

Denn nunmehr scheint sich zu erweisen, dass systemische Schwachstellen in Montage und Nutzung eines Hilfsrudersystems an Hecks von Schiffen, die für die exponentiellen Lasten konstruktiv nicht ausgelegt sind, den Seglern Schwierigkeiten bereiten.

Dieser Aufsatz von November 2022 benennt einige Schwachstellen:
– Solidität und Formstabilität des Hecks einer GFK Yacht
– Schäden durch mangelnde Befestigung
– Vibrationen sowie deren Folgen durch mangelnde Aussteifung

Was nicht sein darf, das gibt es nicht! Vermutlich steckt Don McIntyre in einem Interessenkonflikt mit seinem Sponsor. So gerät interessant, wie der Veranstalter im Verlauf des GGR 2022 offenbar einen Spagat versucht, um eine Verantwortlichkeit an Schadensfällen von seinem Sponsor abzuwehren bzw. abzuwenden, offenbar eine Herkules Aufgabe, bei der er versucht, seine Sicht- und Deutungsweise auch über den Krafthebel von entsprechenden Pressemitteilungen, durchzusetzen, wobei offenbar auch FB Löschungen unbequemer Fragen von kritischer Seite, stattgefunden haben.

Damien Guillou: dreimaliger Bruch an der Hilfsruderachse wird dem Segler angelastet, weil er angeblich Modifikationen am System vorgenommen habe, ohne sie vom Hersteller / Veranstalter abnehmen / genehmigen zu lassen. Darunter eine Modifikation, die auch auf der Matmut von Jean Luc Van Den Heede realisiert worden war.


Tapio Lehtinen hat sein Schiff durch plötzlichen Untergang verloren. Die Vermutung liegt nahe, dass die Befestigung der Windsteueranlage für den Untergang ursächlich gewesen sein könnte, was übrigens vom finnischen Sachverständigen in einem ausführlichen Video als Möglichkeit ausdrücklich eingeräumt worden ist, zumal die vermeintlich wasserdichten Schotten eben nicht wasserdicht gewesen scheinen, weil das Wasser in der Schott Mitte offenbar freien Durchfluss hatte.

Simon Curwen: im Hobart Interview wird seitens des Veranstalters nicht hinterfragt, warum die obere Befestigung der Hydrovane durch beidseitige Leinenverstärkung nachgebessert worden ist, womit die Vermutung naheliegen würde, dass eine Installation mit nur drei asymmetrischen Streben nicht genügend solide gewesen sein kann, was bereits auf der Matmut von JLVDH bewiesen wurde.

Recht offenbar hat sich bei Simon Curwen die obere Befestigung losgearbeitet, übrigens ein identisches Bauteil, wie es auf der Asteria als untere Befestigung verwendet wurde.

The SV Nehaj von Susanne wird hier ausführlich vorgestellt.

Susannes Hinweise zur Verwendung eines Droge Systems sind gehalten, die Grenzen seemannschaftlich sinnvollen Verhaltens gegenüber der Idee, Wind in Sturmstärke als Vorteil zur Verbesserung der Performance zu nutzen, aufzuzeigen, was durchaus zum russischen Roulette geraten kann, wenn überkommende Brecher zum Desaster für Schiff und Mannschaft werden können. Vielleicht ist die Diskussion über die jeweils von den einzelnen Seglern bevorzugte Verhaltensweise in extremen Situationen eher nur eine theoretische, weil seemannschaftlich sichere Vorgehensweisen eine klare Sprache sprechen, die sich in der Praxis bewährt, Schiffe und Besatzung vor dem Schlimmsten sehr oft bewahrt haben. Seemannschaft wird hier vermutlich vom Willen zum Sieg ruhig gestellt und allseits auf ein gutes Ende der Entscheidung gehofft.

Nur eine Randbemerkung, dass Schiffsverluste in der La Longe Route nicht stattgefunden haben.

Im Verlauf der GGR 2018 habe ich mit Kim Klaka naval engineer in Freemantle einen interessanten Dialog geführt. Seine Ausführungen zur Thematik Storm tactics sind lesenswert:

Kim Klaka – Storm tactics: some forgotten science

Die Abbruchrate beim jüngsten Golden Globe Race rund um die Welt hat zu einer lebhaften Debatte über die Sicherheit dieser alten Konstruktionen im Vergleich zu modernen Ozean-Racern geführt. Diejenigen, die den Einsatz traditioneller Langkiel-Yachten ablehnen, weisen auf zwei Unterschiede im Vergleich zu modernen Hochleistungsyachten hin. Erstens sind sie viel langsamer, so dass sie nur sehr begrenzt die Möglichkeit haben, herannahenden Stürmen auszuweichen. Dies scheint mir unwiderlegbar. Der zweite Punkt, den sie anführen, ist nicht ganz so eindeutig – sie behaupten, dass die größere Richtungsstabilität eines langen Kiels bedeutet, dass die Yacht, wenn sie auf dem Rücken einer Welle surft, außer Kontrolle gerät, sobald sie aufhört zu surfen. Diese Bemerkung erinnerte mich an eine Arbeit, die ich vor vielen Jahren gemacht habe und in der ich versucht habe zu erklären, warum Hochseesegler unterschiedliche Taktiken anwenden, wenn sie in einen Sturm laufen.

Wie der Bericht von Robin Knox-Johnston in der Juli-Ausgabe 2019 von Sailing Today zeigt, tobt immer noch eine Debatte darüber, ob man Schleppvorrichtungen wie Treibanker und Warps einsetzen sollte, um ein Boot zu verlangsamen, wenn man vor einem Sturm läuft, oder ob man so schnell wie möglich laufen sollte, um das Steuer zu behalten. Ein bisschen Wissenschaft zeigt, dass dies ein falsches Dilemma sein könnte, weil jede Technik in verschiedenen Phasen des Sturms effektiv sein kann.

Annahmen und Vereinfachungen
Der Ozean ist ein Mischmasch aus Wellen, die in allen Formen und Größen aus vielen Richtungen kommen. Das ist viel zu kompliziert, um es mathematisch zu untersuchen, also folge ich der üblichen Praxis der Ingenieure und reduziere es auf etwas, das einfach genug ist, um es zu verstehen, aber nicht so einfach, dass es bedeutungslos ist. Ich nehme an, dass wir es mit einer Yacht zu tun haben, die in einem regelmäßigen Muster von Wellen segelt, die alle aus der gleichen Richtung kommen und von denen keine über das Boot bricht. Ich nehme auch an, dass wir uns im tiefen Ozean befinden, nicht in Küstengewässern (die Physik der Küstenwellen ist ähnlich, aber die endgültigen Zahlen kommen anders heraus). Wir werden auch nur die Situation betrachten, in der sich die Yacht genau in die gleiche Richtung wie die Wellen bewegt – eine größere Ausdehnung bringt zusätzliche Komplikationen mit sich.

Natürlich führen diese Vereinfachungen dazu, dass der Leser denkt: „Ja, aber was ist mit all den wichtigen anderen Faktoren, die nicht berücksichtigt werden?“. Meine Antwort darauf lautet: „Ja, sie sind wichtig, aber irgendwo müssen wir anfangen“.

Ich werde nicht auf andere Sturmtaktiken eingehen, wie z. B. das Anluven, das Liegen am Rumpf oder das aktive Steuern; das sind Themen für einen anderen Artikel.

Etwas Ozeanographie
Wellen können durch ihre Höhe, Steilheit, Länge, Geschwindigkeit und Periode beschrieben werden. Zunächst müssen wir diese Begriffe klären – siehe Abbildung 1.
– Periode ist die Zeit, die zwischen aufeinanderfolgenden Scheitelpunkten vergeht.
– Höhe ist der vertikale Abstand vom Scheitelpunkt zum Trog.
– Länge ist der Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Scheitelpunkten.
– Steilheit kann viele Dinge bedeuten, aber eine einfache Definition ist Höhe geteilt durch Länge.
– Geschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich ein Wellenkamm über die Oberfläche bewegt.

Es ist wichtig zu beachten, dass sich die Wasserteilchen in einer Welle nicht mit dieser Geschwindigkeit bewegen. Es ist die Geschwindigkeit der Wellenform, über die wir hier sprechen; mehr dazu in einem Moment.
Glücklicherweise können wir diese Liste auf Höhe und Geschwindigkeit reduzieren, da Länge, Periode und Geschwindigkeit direkt miteinander verbunden sind, d.h. wenn die Wellenperiode bekannt ist, können Geschwindigkeit und Länge berechnet werden. Eine typische Tiefseewelle hat vielleicht eine Periode von 10 Sekunden. Die ozeanographischen Gleichungen zeigen, dass eine solche Welle eine Länge von 150 Metern hat und sich mit 30 Knoten bewegt. Die Höhe ist nicht direkt mit der Länge verknüpft, obwohl es Grenzen für die Höhe einer Welle mit einer bestimmten Länge gibt. Eine 150 Meter lange Welle hätte typischerweise eine Höhe von bis zu etwa 7 Metern, könnte aber auch bis zu 14 m hoch sein. Wenn ihre Höhe mehr als 20 m beträgt, bricht sie aufgrund ihres eigenen Wassergewichts. (Natürlich wird er bei einer viel geringeren Höhe brechen, wenn es einen Querschnitt gibt).

Kommen wir zurück zur Frage der Geschwindigkeit der Wasserteilchen, aus denen die Welle besteht. Die Wasserteilchen bewegen sich nicht mit der Welle, sie drehen sich im Kreis – siehe Abbildung 2. Sie bewegen sich mit der Welle am Scheitelpunkt, in die entgegengesetzte Richtung am Talpunkt und senkrecht in der Mitte dazwischen. Dies lässt sich mathematisch nachweisen und überprüfen, indem man einen Korken in den Ozean steckt und dessen Bewegung verfolgt. Diese kreisförmige Bewegung der Wasserteilchen wird mit dem Begriff Bahngeschwindigkeit bezeichnet. Unsere Beispielwelle mit einer Periode von 10 Sekunden und einer Höhe von 7 m hat eine Wellenteilchen-(Orbital-)geschwindigkeit von etwa 4 kn.

Und nun die Schiffsarchitektur
Betrachten Sie die Auswirkung dieser Strömungsgeschwindigkeiten auf die Wirksamkeit des Ruders. Je größer die Geschwindigkeit des Wassers ist, das über das Ruder fließt, desto mehr Steuerkraft kann es erzeugen. Wenn ein Boot mit dem Heck auf dem Kamm einer langen Welle sitzt und z.B. 7 Knoten macht, dann ist die Strömungsgeschwindigkeit über das Ruder nicht 7 Knoten, sondern 7 Knoten minus der Umlaufgeschwindigkeit der Wasserteilchen am Wellenkamm. Eine 10-Sekunden-Welle von 7 m Höhe hat eine Umlaufgeschwindigkeit von ca. 4 kn. Wenn das Ruder der Yacht also auf dem Wellenkamm liegt, beträgt die Strömung über das Ruder nur 3 kn (7 kn minus 4 kn). Das ist es, was dem Ruder dieses feuchte, hilflose Gefühl gibt, kurz bevor die Welle das Boot erfasst. Umgekehrt betragen die Umlaufgeschwindigkeiten im Trog 4 kn in der entgegengesetzten Richtung, was Ihnen eine gesunde Strömungsgeschwindigkeit von 11 kn über dem Ruder gibt, wenn Sie die Bootsgeschwindigkeit beibehalten können. Lassen wir dieses Wissen über die Effektivität von Rudern für den Moment beiseite und gehen wir zu Brandung und Surfen über…..

Es gibt eine sehr alte und oft vergessene Forschungsarbeit (du Cane und Goodrich, 1962), in der sie gemessen haben, was mit Booten passiert, die in einem Testbecken im Modellmaßstab Wellen hinunterfahren. Sie interessierten sich zufällig für Hochgeschwindigkeits-Motorboote, aber spätere Tests (Kan, 1987) an einer Reihe von Rumpfformen führten zu ähnlichen verallgemeinerten Schlussfolgerungen. Die Tests zeigten zwei wichtige Erkenntnisse. Erstens: Wenn eine Yacht bei ruhigem Wasser mit einer Geschwindigkeit von z.B. 8 kn fährt und man das Boot mit der gleichen Antriebskraft des Windes in eine Welle bringt, kann man eine Welle aufnehmen und surfen, die etwa 50% schneller ist als die Geschwindigkeit des Bootes bei ruhigem Wasser. Wenn Sie also genug Windkraft haben, um in ruhigem Wasser mit 8 kn zu fahren, können Sie auf einer Welle mit bis zu 12 kn surfen. (Das wäre eine 4 Sekunden lange, 25 m lange Welle). Die zweite wichtige Erkenntnis aus den Modellversuchen ist, dass je mehr das Boot surft (seine Geschwindigkeit beim Durchlaufen der Welle erhöht und verringert), desto wahrscheinlicher ist es, dass es außer Kontrolle gerät (normalerweise ein Broach). Weniger Wellengang bedeutet also eine geringere Wahrscheinlichkeit des Ausbrechens.
Diese beiden Beobachtungen sind miteinander verknüpft, wie in Abbildung 3 dargestellt. Sie zeigt, dass das Boot mit zunehmender Geschwindigkeit mehr anschwillt, und wenn die anschwellende Geschwindigkeit kurzzeitig die Wellengeschwindigkeit erreicht, wird das Boot auf der Welle surfen.
Alles zusammenfassen

Wenn Sie alle obigen Beobachtungen zusammenfassen, stellen Sie fest, dass es zwei widersprüchliche Anforderungen gibt – die Notwendigkeit einer guten Ruderkontrolle bedeutet, dass die Bootsgeschwindigkeit hoch sein soll, aber die Notwendigkeit, die Brandung zu reduzieren, bedeutet, dass das Boot langsamer werden soll.

Lassen Sie uns die beiden Kriterien für eine sichere Fahrt wie folgt festlegen:
– Sie brauchen mindestens 2 kn Wasserdurchfluss über das Ruder, um Kontrolle zu haben, und
– Sie müssen mit weniger als 60 % der Wellengeschwindigkeit fahren, um Wellenreiten zu vermeiden.

Nehmen wir einen Sturm von 50 kn als repräsentativ für den Zeitpunkt, an dem die Dinge anfangen, haarig zu werden, dann erhalten Sie beim Rechnen die in der Tabelle unten gezeigten Antworten.

Die Ergebnisse zeigen, dass zu Beginn des Sturms die Bootsgeschwindigkeit unter 10,2 kn gehalten werden muss, was das Schleppen von Warps oder eines Treibankers nahelegt, aber nicht so viel Widerstand erzeugt, dass die Geschwindigkeit unter 5,5 kn fällt. Dann, wenn sich der Sturm entwickelt, sollten die Warps wieder eingeholt werden, um die Geschwindigkeit möglichst über 7,3 kn zu halten; in diesem späteren Teil des Sturms gibt es kaum eine Chance, in der Brandung zu fahren, weil dazu eine Bootsgeschwindigkeit von mehr als 18,6 kn erforderlich ist. Daher geht die seit Jahren tobende Debatte über unterschiedliche Vorwind-Sturmtaktiken etwas am Thema vorbei; eine Fahrtenyacht muss für unterschiedliche Wellenbedingungen unterschiedliche Taktiken anwenden. Konkret bedeutet das, dass man zu Beginn eines Sturms, wenn die Wellen langsam und kurz sind, Schleppvorrichtungen einsetzt und später im Sturm, wenn sich die Wellen zu langen, schnellen Wellen entwickelt haben, mit Geschwindigkeit fährt – vorausgesetzt, die Bedingungen sind gleich, was sie selten sind!

Der Beweis für den Pudding
Ist das also alles nur theoretischer Unsinn oder gibt es auch reale Beweise, die diese Theorie unterstützen? Wir können die Theorie testen, indem wir Erfahrungsberichte von erfolgreichen Hochseeseglern auf konventionellen Fahrtenyachten durchgehen. Unter Berücksichtigung aller Annahmen, die in dieser Analyse gemacht werden – nicht brechende Wellen von achtern usw. – ist es schwierig, einen Bericht aus erster Hand zu finden, in dem die beiden Taktiken an verschiedenen Punkten eines Sturms angewendet wurden. Dennoch gibt es viele Berichte, die den allgemeinen Tenor der theoretischen Schlussfolgerungen unterstützen.
Untersuchen Sie zunächst drei Kompilationen von Berichten aus erster Hand.

Shane (1990) fasst 71 Berichte über Yachten zusammen, die Treibanker verwenden, davon neun für Einrumpfboote, die Treibanker am Heck ausbringen. Zwei der bekanntesten (Moitessier, 1969 und Smeeton, 1959) werden später separat besprochen. Vier der verbleibenden sieben Berichte unterstützen die Theorie, zwei widersprechen ihr und einer ist nicht detailliert genug, um Auskunft zu geben.

Bruce (1999) beschreibt mehr als 14 Stürme, an denen teilweise mehrere Yachten beteiligt waren. Die meisten Berichte betreffen das Liegen am Rumpf oder das Anluven, aber es gibt 6 Berichte, die für diesen Artikel direkt relevant sind. Zwei davon unterstützen die Theorie, einer widerspricht, und drei sind unbestimmt.

Knox-Johnston
Diese aktuelle Zusammenstellung in Sailing Today fasst 10 Vorfälle in der jüngsten Golden Globe und weitere 3 separate Vorfälle zusammen. Es gibt nur wenige Informationen darüber, ob jeder Vorfall früh oder spät im Sturm auftrat, so dass die Ergebnisse unbestimmt sind. Die von Knox-Johnston zusammengefasste Erfahrung in der ursprünglichen Golden Globe-Regatta auf Suhaili war, dass das Schleppen von Warps in allen Phasen eines Sturms effektiv war. Der Gewinner des letzten Golden Globe, Jean Luc van Heede, schleppte jedoch mit seiner Rustler 36 Matmut während eines Sturms nichts.
1 Muss 2 kn über der Bahngeschwindigkeit liegen, damit das Ruder effektiv arbeitet
2 Muss weniger als 60% der Wellengeschwindigkeit betragen, um Wellenreiten zu vermeiden

Lassen Sie uns nun zwei berühmte Berichte im Detail betrachten:

Moitessier
Der wahrscheinlich stärkste Beleg ist der von Moitessier (1969), der im Dezember 1965 mit seiner Yacht Joshua im Südpolarmeer segelte. Er setzte während des ersten Teils des Sturms die Warps aus und steuerte anfangs leicht, aber mit zunehmender Schwierigkeit, als sich der Sturm entwickelte. Nach 20 Stunden des Sturms wurde ihm klar, dass er die Warps nicht schleppen sollte, also löste er sie. Die Yacht ließ sich nun viel leichter steuern und überstand den Sturm relativ unbeschadet. Dieser Bericht ist der einzige, den ich finden kann, in dem beide Techniken an der richtigen Stelle in einem Sturm eingesetzt werden. Während Moitessiers Erfahrung als volle Rechtfertigung der Theorie angesehen werden könnte, sollte sie durch die Beobachtung abgemildert werden, dass Moitessier aktiv steuerte und auch die Wellen etwas von achtern abhielt.

Smeeton
Die Pitch-Polung der Tzu Hang im Südpolarmeer im Februar 1957 ist eine der berühmtesten Sturmbeschreibungen der Segelgeschichte. Sie ließen alle Segel fallen und strömten ca. 8 Stunden in den Sturm hinein, wobei sie ziemlich leicht von Hand steuerten. Es gelang ihnen sogar, den Seegang zu filmen. Sie segelten unter gezogenen Warps weiter bis etwa 15 Stunden nach dem Sturm, als sie gepitched wurden. Wir können nie wissen, ob sie den Pitchpole vermieden hätten, wenn sie die Warps freigeschnitten hätten, aber es zeigt, dass die Warps zu Beginn funktionierten, aber sie verhinderten nicht die Katastrophe später im Sturm.

Schlussfolgerungen
In den obigen Beispielen ist mit Sicherheit ein Element unbewusster Rosinenpickerei enthalten, aber sie bieten eine gewisse Unterstützung für die Theorie. Was auffällt, sind die zusätzlichen Einflüsse der aktiven Steuerung, der Rumpfform, des Wellenbrechens (Steilheit) und des Segelns in einem Winkel zu den Wellen. Es wird auch deutlich, dass eine Widerstandsvorrichtung, die in der Lage ist, den Widerstand entsprechend der Bootsgeschwindigkeit anzupassen, eine einzige Lösung für beide Arten von Stürmen bieten könnte. All diese Faktoren müssen zu dieser vorläufigen Analyse hinzugefügt werden, aber zumindest haben wir jetzt eine solide wissenschaftliche Basis, von der aus wir arbeiten können.

Referenzen
Bruce P. (1999). Heavy Weather Sailing, 5. Auflage. Adlard Coles.
du Cane P. & Goodrich G.J. (1962). The following sea, broaching and surging. Transactions Royal
Institution of Naval Architects vol 104 no 2.
Kan M. (1987). Surf-Riding eines Schiffes in folgenden Wellen. Session on Manoeuvrability, 18. Internationale Schlepptankkonferenz, Kobe, Japan.
Knox-Johnston R. (2019). Rough stuff. Sailing Today, Juli 2019.
Moitessier B. (1969). Kap Hoorn: die logische Route. Adlard Coles Ltd.
Shane V. (1990) Drag device data base. Para-Anchors International Ltd.
Smeeton M. (1959) Once is enough. Rupert Hart Davis.
Tucker M.J. (1991) Waves in Ocean Engineering, Ellis Horwood. (Abschnitt 10.6 im Besonderen)

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Auf das GGR angewendet, besteht die Gratwanderung der Matadore vornehmlich in der Güterabwägung zwischen seemannschaftlichen Erfordernissen, die Sicherheit des eigenes Lebens sowie des schwimmenden Untersatzes betreffend, und dem erklärten Wunsch – auch dem des Sponsors! – möglichst schnell im Ziel anzukommen.

Eine besondere Interessenkollision für die Hersteller von Heckverzierungen, die hier, mehr oder weniger ungewollt – ich spreche hier nur für meine eigene Marke! – zum Verantwortlichen für Niederlage oder Erfolg gemacht, sich ihrer Haut zu erwehren haben. Meine einschlägigen Erfahrungen im GGR 2018 mit dem Skipper der Puffin, Istvan Koparhatten mich am Ende veranlasst, mich vom GGR zurückzuziehen. Es ist dem besonderen gegenseitigem Umgang mit Jeremy und Abhilash zu verdanken, dass ich mir selbst gegenüber wortbrüchig geworden bin, was ich keinesfalls bereue.

Wenn die Glaubensfrage über die Wahl der Windsteuer Systeme nun allerdings von einem Veranstalter beeinflußt, preferiert und / oder begünstigt wird, der eigene finanzielle Interessen mit denen eines Systemanbieters / Sponsors seiner selbst verbindet / verknüpft, werden die Segler ggf. am Ende zu Versuchskaninchen, die für ihre Wahl – oder auch Folge eigener Artigkeit, vielleicht um die „Green Card“ zur Zulassung für die Rennveranstaltung zu erlangen? – in barer Münze zu bezahlen haben, d.h. dem Sponsor den Systemkaufpreis zu entrichten, derweil sie hernach auf See ihre eigenen Erfahrungen zu machen und ertragen haben werden. Es sollte erlaubt sein, hier den Terminus eines russischen Roulettes zu verwenden. Nach meinem Dafürhalten trägt ein Veranstalter hier Mitverantwortung, derweil er stets betont, dass die Segler letzlich für ihre Entscheidungen nur persönlich die Verantwortung zu tragen hätten. Ein Widerspruch in sich.

Ob dies in Sinne einer derartigen Veranstaltung sein kann, das wage ich zu bezweifeln. Ich empfinde diese Zusammenhänge als Konstruktionsfehler der gesamten Unternehmung.

Denn, nicht wahr, wenn die Stunde der Wahrheit zutage tritt … stehen die Verantwortlichen im Scheinwerferlicht … dann haben die Fakten das Wort, die nüchtern eine ganz eigene Sprache sprechen.

27.02.2023
Peter Foerthmann

Eine Antwort zu Susanne Huber-Curphey

  1. Thomas SV Carmina sagt:

    Nicht nur Moitessier verzichtet letztendlich auf Schleppbremsen, auch Erdmann! Wichtig scheint mir auch die Kielform. Dick Huges bevorzugt, wegen der Steuerbarkeit, schlussendlich auch einen gemässigten Kurzkieler, wie Erdmann ebenfalls. Moitessier und Erdmann haben vermutlich die grössten Sturmerfahrungen.

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