Wiebke + Axel Kneib

SEGELN OHNE WINDPILOT IST MÖGLICH, MACHT ABER WENIG SPASS
Manchem abgeklärten Paar gelingt es, die Gratulanten zu einem langjährigen Ehejubiläum mit amüsanten, teil schrägen Schilderungen früher Affären, Beinahe-Seitensprüngen und Anekdoten aus dem Ehealltag durchaus zu unterhalten. So ähnlich könnte ein Aspekt unseres Seglerlebens, nämlich die Geschichte unserer Selbststeueranlagen, wohl auch erzählt werden und zumindest Peter Förthmann, den Erbauer der Windpilot-Anlagen, vielleicht interessieren. In Stichworten sei sie deshalb hier aufgeschrieben:

Frühe Törns nach Dänemark seit 1956 mit altmodischen Schiffen, ehemaligen Rettungsbooten, selbstausgebautem dänischem Spitzgatter, alle mit langem Kielen, angehängten Rudern und starkem Ruderdruck bei Wind und Lage. Nur wegzustecken, weil man jung war, wenn nicht gar unsterblich.

In Erinnerung insbesondere die Nachtfahrten: frierend, todmüde, mit dem Wunsch nach Ablösung und stets sinnierend, wie man die Boote dazu bringen könnte, alleine zu segeln, um dann in den warmen Schlafsack kriechen zu können.

Fast alle Bücher über Langfahrt und Einhandsegler verschlungen. Früh schon wahrgenommen, was es bedeutet, auch mal schlafen zu müssen: Axel Czudays Strandung in Marokko wegen Übermüdung auf seiner ersten Reise. Oder: Adrian Hayters trickreiche Versuche mit den Vorsegeln das Ruder zu bedienen. Oder: Eric Hiscocks Erörterungen, wie man Wanderer III auf Kurs hält ( um nur einige Bücher dieser Art zu nennen).

Dann für unser erstes seegängiges Schiff, einer WESTERLY CONWAY, eine Anlage zusammen mit einem Freund selbst gebaut, angeregt durch SCHWINGPILOT, einer damals auf dem Markt angebotenen Anlage mit senkrecht an einem Ausleger gelagerten Ruderblatt und frei schwingender Windfahne. Zuerst aus verzinkten Wasserrohren gebastelt, ein Jahr ausprobiert und dann aus Niro-Rohren (vom Schrott) gebaut und viele Jahre erfolgreich gefahren. In den folgenden Jahren die Anlage mehrfach verbessert, z.B. Windfahne mit Spoilern und Spalt versehen (nach einer holländischen Anregung) und Leinenführung durch Abwicklung über Kreissegment, um die Lose der Steuerleinen zu beseitigen.

Nun endlich konnte man das Segeln neu genießen, in Muße nur aufs Wasser kucken, lesen, pütschern, mal einen Kaffee kochen, in der Koje liegen und den Geräuschen an der Bordwand zuhören, den Säugling wickeln, ihm die Flasche zubereiten usw., während das Schiff zielstrebig durchs Wasser rauschte. Zuweilen wurde die Anlage bereits nach wenigen Minuten eingehakt und mit Wohlwollen beobachtet. Wie viele andere Segler, insbesondere die auf Langfahrt, gaben auch wir unsereN Steueranlagen Namen und vermenschlichten sie: eine haben wir immer wieder verdächtigt, absichtlich auf Kollisionskurs zu gehen, wenn eine Tonne beispielsweise in der Nähe war. Die für Seeleute offenbar typische Marotte ging soweit, dass wir nur leise auf das Objekt hinwiesen, damit es von der Anlage nicht bemerkt werden konnte.
Dann kam die Katastrophe: der Sturm im Sommer 1989 mit hunderten beschädigten und zum Teil gesunkenen Booten in den Yachthäfen der Ostsee. Nicht nur unsere WESTERLY wurde demoliert, sondern unsere Selbststeueranlage völlig zerstört. Das Ende der selbstgebauten Anlage im Sturm, Sommer 1989) .Die Versicherung bezahlte alle Schäden. Wir bekamen eine neue Selbststeueranlage, die PACIFIC von der Fa. WINDPILOT!

Viele Reisen haben wir damit gemacht, in ganz Skandinavien, nach Holland, Belgien, Frankreich, bis nach Nordafrika. Ohne die Windpilotanlage wäre das nie möglich gewesen. Mit der Windpilot Pacific zum Rio Guidana, Südspanien 2000. Gut erinnere ich mich an die endlose Kreuzerei quer über die Biskaya bei unerfreulichen Wind- und Seegangsverhältnissen, 4 Tage und 4 Nächte. Es gab immer wieder Loblieder: die Wache konnte zumindest geschützt unter dem Sprayhood sitzen, während die Anlage besser kreuzte, als man es selbst unter den Umständen gekonnt hätte.

Irgendwann, so glaubten wir zumindest damals, wäre das Herumziehen mit Schiffen wohl abgeschlossen. Wir leisteten uns eine Affäre mit einem 6,5 m kleinen Catboot, einer SEEZUNGE B. ohne Selbststeueranlage. Aber schnell wollten wir doch wieder auf längere Törns gehen. Viele Zettel und Entwürfe, wie man trotz des überdimensionalen angehängten Ruders vielleicht doch etwas basteln könnte. Vielleicht nach dem Prinzip der FLETTNER-Klappe….? .
Der Kauf einer HORNET 30 beendete die Affäre 2005. Das alte, wenn auch sehr sichere und seetüchtige Boot hatte beim Kauf eine ADAM –Anlage am Heck ,( die mit der riesigen Windfahne und dem selbsttätigen Ruder). Sie wurde verkauft und eine neue PACIFIC angebaut, 15 Jahre damit gesegelt. Eine längere Reise mussten wir 2008 aus gesundheitlichen Gründen in der Normandie abbrechen. „Innen“, von Le Havre, über die Seine, Paris, die Marne, die Mosel, den Rhein, die diversen Kanäle ging es zurück zur Ostsee.
Als wir schließlich beide die 80 überschritten hatten, dachten wir, nun sei es genug mit der Segelei, wir könnte die immer noch für eine Langfahrt an Bord befindliche Ausrüstung, wie die PACIFIC, die Rettungsinsel, den Außenborder abbauen und gesondert verkaufen und die für Ostseetörns immer noch sehr gutausgerüstete HORNET an einen jungen, nicht gutbetuchten Segelbegeisterten verschenken. So ähnlich kam es dann: ein junger Mann, der seit seiner Kindheit davon geträumt hatte, mit dem eigenen Boot nach Hawaii zu segeln, kaufte uns einige Teile ab, bekam das segelfertige Boot geschenkt, baute einiges um, segelte 2021, zu den Kanaren, nach Gambia, über den Atlantik, nach Panama. Dort war das Geld alle. Er beschloss umzukehren, über Jamaika ging es nach HORTA auf den AZOREN. Eine Havarie auf einer der Azoreninseln beschädigte das Ruder. Die Windsteueranlage war nicht mehr einsatzfähig: bis nach Wilhelmshaven mit der Hand………. Oh, je!

Und bei uns? Auch ein hohes Alter schützt vor Torheit nicht! Wir kauften in der Corona-Zeit eine alte, ziemlich verwahrloste SANGRIA. Kopfschütteln allerorten über soviel Schrulligkeit. Egal: nun bauen wir die 4. Windpilot an ein Boot in der Hoffnung, dass lahme Arme, schmerzende Schultern, Müdigkeit am Ruder bei längeren Törns sich vielleicht doch noch für ein-/zwei Saisons abwenden lassen.
Axel Kneib

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