Kreuzsee im Kopf

ENTSCHEIDUNG – NICHT ALS SCHLACHT – SONDERN ÜBERDACHT

In der Rentner Bravo – genannt Apotheker Zeitung – werden Pillen angepriesen, die so viel versprechen, dass man tütelig darüber werden könnte. Da gibt es Pillen, die den Geist – also den Inhalt unserer Birne – in den Turbo-Modus zwingen – andere, die – weiter unten – das Herz in luftige Schwingungen bringen – dann werden auch eckig blaue angeraten, die mittschiffs sichtbare Wallungen erzeugen – Treppenlifte, die uns gemächlich surrend ins Obergeschoss ins Bett verschieben, ohne murren – Hausroboter, die uns beim Füttern ein Liedchen bringen, oder sogar den Feudel wringen. Nur Alexa wird dort nicht vermerkt, vermutlich weil sie gleich die ganze Apotheke überflüssig machen könnte, wenn man das diktierte! Ich bekenne: Gadgets mag ich wenig, weil ich meine Aussendarstellung, wie auch das Lenkrad meines Wagens, lieber selber in die Hände nehme. Wer schreibt, der bleibt, auch wenn er darüber wohlbeleibt!

APRIL APRIL
Ich kenne die Rentner Bravo natürlich nur von Hörensagen und bin mir sicher, dass das so bleibt, weil ich lieber auf anderen Beratungs Spielplätzen mein Unwesen treibe – zum Beispiel hier im Blog, wo ich Kapitän, Maschinist und Steuermann in Personal Union sein kann und mir weder Journalisten Kollegen am Hocker sägen, noch Controller die Kosten wägen, und schon gar keine Neider, Nerds oder andere Haustiere dazwischen reden. Weil Blogs als Oneway Road gedacht, um Leben in den Köpfen ihrer Leserschaft zu erzeugen, was für den Blog Verfasser Ansporn, Mut und Adrenalin bedeutet, insbesondere wenn ein Dialog zu Stande kommt, oder wenn er den Web Traffic kontrolliert, wo seine Fan Gemeinde, als Zahl verkleidet, patrouilliert – nicht zu vergessen die stillen Argusaugen, Neider oder Journalisten, auf der steten Suche nach Futter Vorlagen für die eigene Gemeinde, dort dann gegen Bezahlung. Aber das Thema der Befruchtung ist heute noch nicht dran, weil es an dieser Stelle auf die falsche Fährte führen würde. Weil es hier und heute um Wissensvermittlung geht, wie man nämlich Synapsen und Erfahrungen still und leise in andere Köpfe – als Cloud – verbreiten kann. Tut garnicht weh, jedenfalls wenn die Sinne auf Empfang eingestellt und das besseres Wissen am Ende abgewogen in anderen Köpfen Wiederauferstehung feiern kann.

BERATUNGS SPIELPLÄTZE
Abgesehen von einschlägigen Erwachsenen Spielplätzen, z.B: Segelforen, bei denen die segelnde Volksseele sich offen zeigt, bzw. coram publico entblösst, weil es zumindest in deutschen Segel Foren vielfach nur noch darum zu gehen scheint, sich einander zuzuprosten oder zu fraternisieren, zeitgleich nach aussen gemeinsam gegen Störenfriede mit Sand zu schmeissen – gibt es nur noch die Segel Vereine, um sich auszutauschen – allerdings käme für Blauwassersegler dann gleich die Sprache auf einen Vereins Popanz in Cuxendorf, der hier allerdings nicht mehr im Fokus steht, weil der Schnee von gestern ihn schon vorgestern mit der Tide in die Nordsee verklappen konnte.

ERFAHRUNG
Erfahrung kommt von erfahren, die kommt mit den Jahren,
sie tritt in Ballungs Fachgebieten auf, nimmt sodann ihren natürlichen Verlauf,
sie erfährt lebenslang Verdichtung, wobei Unwichtiges vernichtet,
sodann Speicherung des Schatzes als Wissen für das Ruhekissen,
sie trifft auf eine Gabelung im Lebens Weg, die zwischen Kommerz, also dem Nerz,
oder idealistischem Brennen unterscheidet, wobei kluge Menschen im Vorteil sind
weil sie Botschaften zwischen den Zeilen zu lesen im Stande sind.
Vergleich macht reich, wenn Wissen angereichert oder übertragen
in den Köpfen von Lesern Blüten schlagen
und Wohlbehagen.

Womit der Epilog Richtung Prolog tendiert, der hier von Thomas Rettenmund aus der Schweiz niedergeschrieben wird, der seine ganz eigene Entscheidungs Schlacht zum Erwerb einer gebrauchten Yacht, zu einem Kreuzzug im eigenen Kopf verdichtet hat:

SCHLINGERKURS ZUR NEUEN YACHT

Männer, und ich bin natürlich einer, mit viel Erfahrung rund um Schiffe, glauben oft, sich bei der Wahl der neuen, schwimmenden Lady völlig rational zu verhalten. So glaubte auch ich, als ich den Entscheidungsbaum mit allen denkbaren Attributen, für die Wahl der neuen Traumyacht in Angriff nahm.

Das Schiff muss gefallen, denn schöne Linien versprechen doch auch gute Segeleigenschaften (Zitat. W. Erdmann).

Es muss für eine Zweier Crew, auch bei längeren Törns, sicher und einfach zu bedienen sein. Vor al­lem, wenn Herr und Frau Skipper bereits die 60-Jahre Altersgrenze überschritten haben. Ein zentra­ler Steuerstand, oder zentrales Cockpit wäre schon was sicheres und schickes.

Es soll auch auf den Ankerplätzen und in Häfen den Sichtkontakt mit der Umgebung ermöglichen. Im tiefen Keller weilend, nur mit Oberlichtern, ist nicht unser Ding.

Nicht zu kurz und nicht zu lang, den bekanntlich beginne der Komfort ab 9,5 m und endet bei 32 Fuss.

Nicht zu viel Tiefgang, ein Lang- oder gemässigter Kurzkieler? Beides wäre willkommen und ab­hängig von der Grösse.

Sicher ein stabiles Ruder, mit Skeg, ob Rad- oder Pinnensteuerung war noch offen.

Ein Investment, nach oben bei ca. 130′ TEU begrenzt (Ankauf inkl. Auf-, allenfalls Umrüstung und eventueller Re-fit).

Dies waren schon mal ein paar Eckwerte. Mit diesen Parametern begann der Surfkurs im Internet, wo denn sonst? Natürlich vorwiegend in Holland, aber auch Deutschland und Frankreich wurden abgegrast.

Schon bald füllte sich der Harddisk mit unzähligen PDF’s in beängstigender Weise. Für die Favoriten legte ich spezielle Unterverzeichnisse an, um weitere sachdienliche Informationen in den Tiefen des Web, zielgerichtet abspeichern zu können. Alles methodisch bestens geplant!

Dann begann der erste Fehler: je tiefer ich über den Wald flog je mehr strahlten mir schöne Bäume entgegen und langsam sah ich nur noch Bäume, Bäume… aber bald leider den Wald nicht mehr.

Irgendwann entschied ich auch eine Windfahnensteuerung ans Heck der neuen „Braut“ schrauben zu wollen. Folglich wählte ich Schnurstracks die Webseite von Windpilot. Über den prominenten Eigner und Unternehmer hinter diesem Produkt hatte ich schon viel in den einschlägigen Medien und Foren gelesen.

Peter Foerthmann war mir also kein Unbekannter. Und da er immer über seine scharfe Stimme wahrgenommen wurde und sich auch nicht scheut, glasklar seine Meinung zu ver­treten und zu begründen, stöberte ich kreuz und quer durch seinen Blogggarten. Langsam mutierte der ursprünglich vermeintlich direkte Kurs zum Ziel, zum schlingern in einer wilden Kreuzsee.

Der Wunsch, sich endlich entscheiden zu können, drängte bald heftig in den Vordergrund. Peter’s Meinung hin oder her, einfach mal liegen lassen. Es gab ja schlussendlich einen Entscheidungsbaum an den ich mich strikte halten wollte, deren Verästelungen sich aber schnell wild vermehrten.

Schon früher hatte ich eine Dehler 37cr besessen. Gefallen hatte mir daran vor allem, dass die gesamte Bedienung aus dem Cockpit erledigt werden konnte. Zudem die feinen Segeleigenschaften. – Also rein ins Web und schon bald traf ich auf ein Angebot für eine DE41cr. Tolles Schiff, schicker Decksalon, feiner Ausbau und eben alles das, was mir an Dehlers Schiffen so gefiel, war vorhanden. Der Preis, natürlich vom NL-Makler in illusorischen Höhen angesetzt. Vraagprijs nennt der Holländer das, hört sich harmlos an, hat aber Hintergedanken.

Dann tauchte ein HR41E auf. Natürlich nicht schlecht und einige meiner Kriterien aus dem Ent­scheidungsbaum konnte ich abhaken. Aber das Teak-deck hatte schon 20 Jahre auf dem Buckel und mit einer Renovation und dem Üblichen wäre die Obergrenze meines Budgets gerammt worden. Zudem lag das Schiff jahrelang im Mittelmeer und befand sich immer noch dort.

Dann fand ich eine Koopman’s 43. Tolles Schiff, bestens ausgerüstet, bereit für die grosse Fahrt hatte der Eigner viel Geld reingesteckt. Aber warum war denn der Preis so günstig? Ein Besuch und das vertrauliche Gespräch mit dem Eigner offenbarte, dass kurz vor dem Ablegen ins Salzwasser die bislang treue Ehegattin die Koffer gepackt und ausgezogen war. Traum geplatzt und die Gattin wollte ihr Geld, das sie ins Schiff investiert hatte, nun in Bares wechseln. Ein schwieriges, eventuell langwieriges Verhandeln zeichnete sich ab.

Jetzt kam der Zeitpunkt, wo ich die Pinne meiner Schiffswahl mal kurz in Peter Foerthmann’s Hand legen musste. Was folgte, war eine liebenswerte Kopfwäsche, unterlegt mit ein paar einschlägigen Link’s zu seinen Meinungen. Alles natürlich mit „Hanseatenschnauze“ klar auf die Kante geschrie­ben. Puhhh…

Zurück auf Feld „Null“ war meine Zwischenrettung. Bauch und Kopf wieder in eine Symmetrie zu bringen war gar nicht so einfach. Und dann hatte ich ja noch eine Co-Skipperin, der ich versprach ihre Ansichten und Erwartungen auch noch unters Dach zu packen.

Schon lange lag in unserem Hafen eine Noordkaper 34 und wir guckten immer wieder drauf und sagten uns oft, das wäre doch auch ein Objekt. Nur ist sie denn überhaupt zu Kaufen?

Manchmal muss man über sein Glück stolpern und so war es denn auch.
Die Gespräche im Hafen ergaben, dass die Eigner sich zügig dem 80-igsten Lebensalter näherten. Dieser stäbige Motorsegler hatte unzählige Reisen, bis hoch an der Norwegische Westküste hinter sich gebracht, viele Jahre die Ostsee durchpflügt und hatte das Eignerpaar selbst in kniffligen Wetter Situationen sicher und souverän nach Hause gebracht. – Nun war die Neugierde erst recht angestachelt und schon bald kam ich ins Gespräch mit dem Skipper. Seine Augen schafften mehr und mehr Probleme und er müsse sich wohl oder übel mit dem Verkauf seiner treuen Wasserliebe trennen.

Ob ich denn interessiert sei?
Und wie! Aber diesmal mailte ich unmittelbar an Peter und liess mich gerne lotsen. Grünes Licht aus Hamburg und diesmal keine Kniffe in den Hintern. Hoppalla? Ganz neue Töne!

Meinen Entscheidungsbaum nochmal kurz konsultiert, steckte ich schon bald kopfüber in der Bilge, in allen Schaps, kontrollierte penibel Rigg und Verstagung, Segel, Motor, Nebenaggregate sowie de­ren Zustand und Zugänglichkeit. Einfach perfekt. Innenausbau ebenso; Deckshaus mit hydr. Innen­steuerstand, Pinne im Cockpit, überall Haltegriffe, Schlinger Leisten, jedes Bodenbrett isoliert und durch Verschraubungen gesichert, alles sicher festzumachen und für 2 Crewmitglieder enorm komfortabel eingerichtet. Es könnten sogar 3 weitere Schlafplätze, mit ein paar Handgriffen geschaffen werden. Und alles bestens im Schuss, keinerlei Wasserflecken, Muffgeruch oder böse Kratzer. Ich war beeindruckt, mein Frau auch. Seelenentspannung auf ganzer Linie.

Doch etwas machte mich dann doch noch stutzig: 14 Tonnen Gewicht für 34 Fuss? Der Eigner hat das sofort plausibel erklärt: Durchgehender Kiel mit Bleiballast in Epoxy versiegelt, Rumpf im Boden 10 mm, bis zum Süll 6 mm und Deckaufbauten in 4 mm Schiffsstahl. Die wundervoll strakenden Stahlplatten des Multiknickspanters, allesamt überlappend (Typisch Martin Bekebrede Design), sowohl innen wie auch aussen verschweisst, beidseitig Epoxy beschichtet und sodann grundiert und 2K lackiert. Deutz 4.29 Motor mit Ölkühlung, Einspritzpumpe für jeden Injektor (feine Sache) und dann Treibstofftank 450 Liter, mit 80 Liter „Tagestank“, drei Frischwassertanks mit total 550 Liter. Tja, sowas bringt natürlich Gewicht, sowie Sicherheit und Solidität im Handgepäck.

Kann denn so ein Schiff auch bei Leichtwind laufen?

Ein paar Tage später also der Probetörn auf dem Ketelmeer. Wind 2-3 Bf, kaum Wellen, ca. 0,5 Knoten Strömung. Die Genua wurde ausgerollt, ebenso das Rollgross aus dem Facnor am Mast gedreht, der Besan blieb eingepackt und auf dem Baum festgezurrt. Zügig beschleunigte das Schiff mit raumem Wind gegen 4 Knoten! Auch am Wind erreichten wir problemlos knapp unter 3 Knoten. Und wie auf Schienen, sowohl der Mister Robertson musste kaum in die Steuerung eingreifen, noch ich an der eingekoppelten Pinne, sauberer Ruderdruck und sonst einfach nichts zu mäkeln. Natürlich wurde auch die Elektronik aktiviert. Sauber, sowohl nach Wind, wie nach Waypoints, dieses Ding liess sich einfach nicht aus der Ruhe bringen und folgte brav allem, was ich verlangte. Hei… dieses Schiff läuft einfach super, trotzt – oder wegen? – seines Gewichts.

Der Schluss ist schnell erzählt. Ein paar Gespräche. Die Mithilfe beim Auswassern, Riggabbau für’s Winterlager in der Halle und noch ein paar kritische Blicke unter den Rock dieser Dame brachten die Entscheidung:

Das ist unser neues Schiff. – Der Preis war fair und darüber diskutierte ich keine Sekunde.

Und ich denke, wenn Peter dann seine Heckverzierung am Heck montiert, wird er mir einen freundschaftlichen Klaps auf die Schultern geben und sagen. „Gut gemacht Alter“. Und ich im antworten: Danke Peter, auch bei schralendem Wind in den Köpfen bist Du ein kluger „Steuermann“ und Deine Tipps und Kritik sind halt eben zielführend. Danke!

Thomas Rettenmund

Über frühere Schiffserfahrungen sowie die vielen Reisen geht es hier zur Lektüre von Ruth und Thomas

Eine Antwort zu Kreuzsee im Kopf

  1. Thomas SV Rødspætten sagt:

    Epilog?
    Nun haben wir das vorstehend beschriebene Schiff bereit 2 Jahre lang in Besitz. Und erste Erfahrungen gewonnen. Einige Törns im holländischen Wattenmeer hinter uns. Was uns besonders überzeugt ist das Verhalten bei starken Wellen. Kurz vor Vlieland hatten wir Wind Bf6+ sowie die auflaufende Flut gegen uns. Von Harlingen aus führt die Abkürzung zum Hafen Vlieland über eine Untiefe. Logisch, dass dort die Wellen heftig, steil und teilweise brechend waren. Aber die Noordkaper pflügte durch dieses Rodeo-Spiel mit stoischer Ruhe, wenig Kränung und ohne knacken, knirschen etc., einfach durch. Überall befinden sich Haltegriffe, genau dort, wo man(n) blind sie sucht. Dieser Langkieler liegt super auf dem Ruder, ist jederzeit unter Kontrolle zu halten. – Die heftigen Wassermassen die über das Deck schlugen spürten wir nicht und für klare Sicht nach vorne sorgten die Scheibenwischer. Ein Deckhaus ist schon einfach toll und den Kollegen zu zuschauen, wie die mit ihren modernen flachen Unterwasserschifffen durch die Wellen brettern, wie sie in ihren Anzügen, Skibrille auf der Nase, sich vor den Wassermassen jeweils wegduckten macht schon Spass, insbesondere dann wenn man im trockenen T-Shirt am Innensteuerstand zusehen kann.
    Dieses Schiff zu erwerben war ein goldrichtiger Entscheid. Bis heute ist nicht kaputt gegangen, alle Geräte in Top-Zustand, selbst die Elektrik und Elektronik ist bestens im Schuss. Wir hatten vor 2 Jahren das erste Mal 6 kg Alu-Anoden auf dem Stahlrumpf aufgebracht. – Während 20 Jahren waren keine montiert! Trotzdem hatten wir nirgends Rostspuren,, weder Innen noch Aussen am Rumpf gefunden. Das war ein deutliches Zeichen, dass beim Neubau der Stahlrumpf ausserordentlich gut grundiert wurde (anschliessen die Grundierung mit Epoxy versiegelt). Insofern wären also unsere neuen Anoden gar nicht notwendig gewesen. Sie arbeiten gut, nach 2 Jahren im Süss- und Salzwasser ca. zu 40 % abgenutzt. Dieses Jahr werden die Törns in die Nordsee ausgedehnter und wir sind sicher, dass uns diese Noordkaper jederzeit sicher ans Ziel bringen wird, sofern wir das auch seemännisch sauber ermöglichen. Peter, Dein Rat dieses Schiff zu wählen war echt wertvoll.

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