SV Nadir – Reischl

ALLE WEGE FÜHREN NACH ROM – ALSO HAMBURG

Schiffe haben mich bereits seit 70 Jahren interessiert und es ist leicht, hier auszurechnen, dass ein Stück Holz plus Phantasie bereits genug gewesen sind, Little Förthmann´s Träume zu beleben. Die Faszination ist in meinem Lebensverlauf als unheilbare Pandemie ausgebrochen, denn heute finden nahezu sämtliche weltweit jemals in Serie gebauten Segelyachten ihren Fussabdruck in meiner Datenbank. So ist es nur logisch, dass viele vergnügliche Geschichten ihren Ursprung darin haben, dass ich Schiff wieder erkenne, selbst wenn deren Eigner dies nicht für möglich halten.

Die SV Nadir besetzt in meiner Birne einen Logenplatz, denn von diesem Schiffstyp wurden nur zwei Einheiten gebaut … noch dazu in Valdivia / Chile. Ich habe im Bauverlauf vor nahezu 30 Jahren manchen vergnüglichen Schriftwechsel mit dem Konstrukteur und Eigner Willy Böttjer geführt, der mit seine Ehefrau Gertrude ( übrigens beide aus Hamburg Wedel ) ihren beruflichen Lebensmittelpunkt nach Chile verlegt hatten. Eigentlich eine stand alone Geschichte, weil sie zwei deutsche Charakterköpfe betrifft, die sich fern der Heimat in Chile getroffen haben, einer Location, an der deutsche Bewohner sich wie Leuchttürme von der heimischer Bevölkerung unterscheiden.

Alex Wopper, aus Bayern zugesegelter Blauwassersegler, der die legendäre Yachtwerft AWOPLAST in Valdivia gründete und zu Erfolg geführt, und eben Willy Böttjer, der sich seine 43 Fuss Nadir von Alex bauen liess. Es sprengte hier den Rahmen, aus meiner Ante-Apple-Zeit alte Unterlagen hervorzukramen, zumal ich damit Staubwolken erzeugen würde, was meine feminine Regierungszentrale wenig liebt, darum repetiere ich hier frei und unverblümt, was sich damals ereignet hat, denn eine Datenbank wurde bei Windpilot erst zur Jahrtausendwende eingeführt.

Es gibt unendliche Geschichten aus dem Repertoir eines freundlichen und hilfsbereiten Ehepaares in Valdivia, das für durchreisende Yachties alles stehen und liegen gelassen hat, um ihnen durch chilenische Behördendjungel zu verhelfen. Hier die schönste Geschichte, zu deren Lektüre man allerdings zuvor eine Valium einnehmen sollte:

Hallo Peter,
in der vergangenen Woche ist die Sendung mit den Ersatzteilen für die SY Daddel …. angekommen. Diese war schon eine ganze Weile avisiert, plötzlich allerdings war das Paket verschwunden. Keiner wusste, wo die Sendung gelandet war. Schließlich stellte sich heraus, dass die Fluggesellschaft das Paket einem Busunternehmer anvertraut hatte, der es 180 km von uns entfernt abgeladen hatte.

Und nun muss ich doch einmal Schludern, betreffend SY Daddel …. Die Sendung musste also vom Zoll in Osorno abgeholt werden, ca. 180 km von Valdivia. Ich habe mich sofort angeboten mit Gerd ( dem Skipper ) nach Osorno zu fahren. Außerdem habe ich einen großen Jeep, das Paket war ja man auch nicht gerade klein. Ich wollte Gerd um 08:00 morgens abholen. Der Mann wäre fast aus den Latschen gekippt und weigerte sich „mitten in der Nacht“ aufzustehen. Sein Tag beginne nämlich um 11:30 und keinesfalls früher. Nach einigem Hin- und Her konnten wir uns auf 09:00 einigen. Ich wollte unbedingt vor der behördlichen Mittagspause zwischen 13:00 und 15:00 in Osorno sein. Das hat auch geklappt, was nicht geklappt hat, der Skipper hatte die erforderlichen Yachtpapiere nicht dabei und wirkte reichlich hilflos. Ich habe mit den sehr freundlichen Zollbeamten verhandelt und erreichen können, dass wir zwar die Sendung mitnehmen, diese aber in Valdivia noch nicht öffnen durften. Zwei Zöllner wollten am kommenden Tag eine Dienstreise nach Valdivia unternehmen, um die Sendung nebst den erforderlichen Schiffspapieren zu kontrollieren. Eine nette Geste, denn der Zoll hätte verlangen können, dass wir noch einmal nach Osorno kommen. Ich war erleichtert, Gerd dennoch sauer. Ich war nur froh, dass die Skipperin Eva nicht auch dabei war, denn das hätte die Situation nicht unbedingt verbessert.

Die Zöllner für 14:00 Uhr angemeldet, sind um 15:00 aus dem Wagen gestiegen, für Chile ist das überpünktlich! Ich lag bereits auf der Lauer, bin zur Daddel …. gelaufen. Gerd und Eva allerdings machten gerade ihren Mittagsschlaf und fühlten sich schwerst belästigt. Die Ware wurde in unserer Bodega gelagert, besichtigt und für gut befunden. Allerdings verlangten die Zöllner dann einen Empfangs Stempel von der Yacht Daddel…. Gerd´s Antwort wörtlich, er habe einen Stempel, habe aber gerade keine Lust, ihn zu holen ( Weg zur Yacht weniger als 2 Minuten ), drehte sich um und verschwand ohne auch nur ein kleines Dankeschön für die Herren vom Zoll, die – wir erinnern uns – immerhin seinetwegen kostenfrei 180 km nach Valdivia gekommen sind. Es hat uns die Sprache verschlagen. Woher also nun einen Stempel nehmen? Die Zollbeamten meinten, es würde auch ein Stempel vom Yachtclub ausreichen. Unser Hafenmeister war allerdings noch nicht vom Essen zurück. So gingen die beiden Zollbeamten auch erst einmal zum Essen, danach hat der Hafenmeister dann gestempelt. So funktioniert Chile.

Von der Daddel… ist an diesem Tag keiner mehr aufgetaucht. Das Paket mit Gerd´s Teilen steht seit Tagen unangerührt in unserer Bodega, weder Gerd noch Eva einen Blick reingeworfen. Beide hatten vor einigen Monaten auch ein neues Segel bestellt, es wurde im Club angeliefert, wo es fortan wochenlang vor der Halle im Regen stand. Die Skipper Leute gingen mehrmals täglich daran vorbei, ansonsten geschah – nichts. Irgendwann kam das neue Segel dann doch an Bord, Eva und Gerd packten es aus und mussten feststellen, dass sich unterdessen einige Ratten so richtig gemütlich in dem neuen Segel gemacht und sich von diesem auch ernährt hatten. Die Reparaturkosten waren eklatant. Wir fragen uns oft, wie es die beiden bis Valdivia haben schaffen können. Wenn die hier noch lange liegen, kann ich ein Buch schreiben über merkwürdige Segler. Ich bin allerdings sicher, dass wir vor der Daddel … auslaufen werden.

So das war’s, eigentlich wollten wir uns nur bei Dir bedanken, jetzt ist daraus ein richtiger Brief geworden. Kann passieren!

Herzlichst, Gertrude und Willy Böttjer

Auf der Nadir – eine Zenit 43 – wurde damals in Chile eine bereits betagte gebrauchte Pacific Plus montiert, geschätztes Alter heute ( 2019 ) 30 Jahre, mit der Gertrude und Willy ausgedehnte Reisen gemacht haben, wie die obigen Bilder – auch Kap Hoorn ist zu sehen! – dokumentieren. Danach sind die beiden über die Karibik in ihre Heimat Deutschland gesegelt, wo das Schiff dann in Hamburg Wedel für lange Zeit zum Verkauf angeboten wurde.

WIEDERSEHEN MIT DER NADIR UND DEN HEUTIGEN EIGNERN

Es ist erst wenige Tage her, dass ich die Fortsetzung dieser Geschichte erfahren konnte. Vom Rio Grande in Brasilien erreicht mich diese Mail von Hermann Reischl:

Hallo Peter,
Das finde ich toll, dass wir uns spät, aber so kennengelernt haben.
Zuerst mal vielen Dank für deinen Tip mit dem Ruder. Werde ich gleich korrigieren. Dein Blog ist ja sehr interessant. Werden wir öfters lesen.

Wir haben mit der Windsteuerung die allerbesten Erfahrungen gemacht. Sie hat uns durch alle heftigen Stürme und Seegang sicher gesteuert. Unglaublich. Wir haben dazu die Raymarine Pinnensteuerung mit der Windpilot gekoppelt, was uns bei Flaute und unter Motor hilft. Alles zusammen: Perfekt!

Der Erfinder dieses Systems war/ist ein Genie.

Ja, Nadir ist ein super Schiff. Sie war für uns der absolute Glückskauf. Familie Böttjers konnten es in D kaum verkaufen, weil Einzelbau.

Wir bleiben in Kontakt und vielen Dank für deine Hilfe.
LG
Hermann Reischl

DER KREIS SCHLIESST SICH

Denn innerhalb weniger Tage habe ich die Mosaiksteine erhalten, die sich nun zu einem runden Bild fügen, über eine Yacht, die nach derart ausgedehnten Reisen immer noch in allerbestem Zustand ist, bereit für weitere Reisen und Heim für eine grosse Familie, die bereits Pläne schmiedet, wie es weitergehen wird.

Wie Hermann kürzlich schrieb

Zwischen den Reisen, fliegen wir meist im Frühjahr/Sommer nach Hause, zu unserem schönen Häuschen in Oberschwaben – Ravensburg.
Wir haben 4 Kinder, 4 Enkel und alle kommen gerne mal zu uns an Bord.

Wir sind keine klassischen Segler mit dem Ehrgeiz oder Ziel, die Welt zu umrunden. Wir möchten neues entdecken, Land und Leute kennenlernen, gerne abseits der klassischen Routen. Dies ist uns gelungen mit der Ostseeumrundung, Biskaya Umrundung, wir kennen nun die Kapverden, Uruguay ( 9 Monate), und sind jetzt dabei, Brasilien zu entdecken.

Wie es weitergeht? Open End! Solange es uns gefällt und wir gesund sind, werden wir für uns Neues entdecken.
LG Hermann

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