Allures – Garcia

SCHWEIZER TASCHENMESSER MADE IN FRANCE
Für weltweite Segelreisen prädestiniert, zeitgleich für das Ankern in lieblichen, wenngleich flachen Buchten geeignet, sind dies die beiden Alleinstellungsmerkmale, die Seglern mit grossen Plänen zuallererst den Kopf verdrehen und sodann den Anbietern dieser besonderen Schiffe in die Arme treiben, vorausgesetzt, dass genügend Ressourcen vorhanden, derartige Präziosen an der Kasse gegen Geld zu tauschen.
Die Latte liegt hoch, weil diese Schiffe, wenngleich in Kleinserien hergestellt, de facto One Off Schiffe sind. Der Werkstoff Aluminium treibt den Kaufpreis ungemein, sorgt zeitgleich für eine Alleinstellung in einem Markt, der ansonsten mit einer Fülle von Grossserienschiffen in GFK überschwemmt, die in Bezug auf die Proportion von Grösse zu Preis zwar preisgünstiger, die diesen Aluschiffen allerdings mitnichten das Wasser reichen können, weil sie eine Fülle von Besonderheiten bieten, die woanders nicht zu haben sind.
Ein einfacher Vergleich der für die Herstellung einer GFK Rumpf samt Innen- und Deckschalen notwendigen Stunden zum Manufaktur Aufwand eines Puzzles aus tausenden Einzelteilen für einen Aluminiumrumpf, mag bereits ausreichen, um zu verdeutlichen, dass der Bau eines Aluminiumschiffes vergleichsweise aufwendig und den Preisunterschied damit hinreichend erklärt, übrigens der Grund, warum die Stückzahlungen aller Baureihen per annum gering und die Werften lange Lieferzeiten haben.
In der weltweiten Cruising community sind Schiffe aus dem Hause Garcia seit Jahrzehnten Begriff für solideste Aluminiumschiffe, der Name Garcia Passoa steht für wundervolle Einzelbauten, für die am Gebrauchtmarkt solide Preise nachgefragt werden.

Allures und Garcia sind heute Teil einer umfangreichen Palette von Schiffen, die unter dem gemeinsamen Dach von Grand Large Yachting produziert und weltweit angeboten werden. Die Rümpfe werden an zwei Produktionsstandorten in Kleinserie von jeweils 3 Einheiten auf variabel einstellbaren „Tischen“ produziert und verschweisst, sodann umgedreht und konventionell ausgebaut, derweil die „Tische“ für eine andere Rumpfschalen umgerüstet und zum Verschweissen anderer Typschiffe verwendet werden.
Besonderes Augenmerk verdient der Vergleich der zum Bau erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten des Werftpersonals, die in Bezug auf den Werkstoff Aluminium kaum mit der Verarbeitung von GFK Schiffen zu vergleichen sind, denn das Verformen und Verschweissen von Aluminium erfordert besondere Qualifikation, Vorrichtungen und Maschinen, weshalb diese Fachleute enorme Wertschätzung ihrer Arbeitgeber erfahren, und u.U. vom Wettbewerb schon mal gerne an- oder abgeworben werden. Was kaum ein Besucher einer Boat Show ahnt, so wird z.B. die Schweissqualität „gegnerischer“ Schiffe vor Ort genauestens unter die Lupe genommen, was auch für die eingesetzten Schweissverfahren und Generatoren Typen gilt, die massgeblich für perfekte Oberflächen verantwortlich sind. Ein Lob vom Wettbewerb gerät da zum Ritterschlag, weil dies Anerkennung von profunder Stelle bedeutet.
Die Top Adressen gängiger Werftbetriebe in Europa, insbesondere in den Niederlanden und Frankreich, verwenden wohl überwiegend Fronius Schweissequipment, weil damit makellose Nähte möglich und eine Verformung beim Schweissen durch Vorwärmen fast ausgeschlossen werden kann. Ein vergleichender Blick auf die Oberflächen von Werftbetrieben z.B. auch in Deutschland, kann Kaufentscheidungen von Seglern beeinflussen, zumindest wenn sie zuvor ihren Blick dafür geschärft, zudem vergegenwärtigen, dass ansonsten erforderliches Nacharbeiten oder gar Spachteln und Lackieren einen der elementarsten Vorteile des Werkstoffs AlMg4,5Mn zunichte machte: die Pflegeleichtigkeit der Oberflächen im rauen Seealltag im Langzeitbetrieb, zudem kollateral die Angst eines Seglers vor misslungenen Anlegemanövern gegnerischer „Schwäne“ reduziert, weil ein Kratzer keinen Nervenzusammenbruch des Eigners verursachen kann. Den Unterschied von Stahl- zu Aluschiffen hat Jimmy Cornell dereinst wie folgt charakterisiert:

Beim Stahlschiff wird der Pinsel zum Ausbessern von Schadstellen niemals trocken, beim Aluschiff wünscht man dem Verursacher kleiner Kratzer einen schönen Tag.

Das Alu-Schiff verzeiht manch kleine Fehler. Dass dies bei glanzpolierten GFK Schiffen grundlegend anders ist, wird deutlich, wenn man in einer durchschnittlichen Marina an einem belebten Samstagabend, das Hafenkino miterlebt, wobei der Genuss von Land aus, am grössten ist, wenn der eigene Schwan nicht von Neben Liegern bedroht, die mit Steuerknüppel und Maschine nix anzufangen wissen und sodann ihr Manöver nach dem Motto fahren: kernig gerammt ist besser als lahm angelegt.

credits: Joachim Willner

Nicht zu vergessen, dass Eigner sogenannt moderner Schiffe mit freistehenden Spatenrudern, auf dem Weg in Europas Süden sich neuerdings zunehmend Sorgen machen, weil sie nun wissen, dass ein Spatenruder zum Eis am Stiel für schwarz weisse Superfische geraten kann, mit Folgen für portugiesische Werftbetriebe, die unverhofft Umsatz machen können. Es wurde kürzlich eine Zahl von bislang ca 200 beschädigten oder verlorenen Schiffsrudern kolportiert, was einigen Skippern graue Haare verursacht, weil sie plötzlich und unverhofft, ihre Achillesfersen erschrocken haben erkennen müssen.

Achillesfersen


Ein Planungsfehler mit Langzeitfolgen für die Zeit auf See, denn ungeschützte Ruder geraten nun überall in den Fokus weniger erfahrener Eigner, wenn sie eine Reise jenseits des Horizonts zu machen planen. Ob dies in Seminaren, Fachbüchern oder gar Segelmagazinen hinreichend adressiert, sei jedem Segler selbst zur Beurteilung überlassen. Vermutlich existiert eine erhebliche Anzahl von Seglern, die ihre Planungsmängel zu spät erkennen, weil sie bereits losgefahren sind. Ich nenne dies russisches Roulette, bei dem ein jeder Segler den Verursacher solcher Sorgen im eigenen Spiegel erkennen kann. Vielleicht wurde hier und dort die See nicht genügend ernst genommen? Eine Entwicklung mit Langzeitfolgen im Marktgeschehen, wie ich hoffe.

Das Orca Rätsel


Der wohl gewichtigste Unterschied zwischen GFK Serienschiffen und diesen Alu Schiffen liegt in der Art der Verwendung begründet. Serienschiffe sind für weite Käuferkreise konzipiert, sollen und müssen kostengünstig herzustellen sein, weshalb in unterschiedlichsten Versionen, verschiedene Anforderungsprofile bei identischem Rumpfkonzepten zu erfüllen sind, bei denen Tiefgang, Performance sowie Kreuzeigenschaften eine gewichtige Rolle spielen. Denn, nicht wahr: welcher Skipper mag sich schon in seinem Heimatrevier dauerhaft von anderen Schiffen in Lee überholen lassen? Den Unterschied in der geplanten Verwendung eines Schiffes habe ich mit Spass oder Ernst beim Segeln tituliert, rund um die Bojen oder eben jenseits des Horizonts. Die Praxis deckt Fehlerhaftigkeit bei der Planung gnadenlos auf. Schiffe mit Störfällen sind in jedem Hafen aufzufinden, wenn man mit spitzen Ohren danach sucht.
Aber die segelnden französischen Taschenmesser haben weitere Vorteile, die die Interessenten rund um den Globus wie Speck die Mäuse anzuziehen in der Lage sind.
Allen französischen Schiffen mit Integralschwert und Innenballast ist zu eigen, dass sie vollkommen trockenfallen und dennoch nicht zur Seite kippen. Wir erinnern uns an frühe Kielschwerter, bei denen ein Schwert ( mit oder ohne Ballast ) in einem Kielstummel eingeklappt, gleichwohl das Schiff bei Ebbe zur Seite fällt und sodann nur schwer bewohnbar ist. Es ist den französischen Alu Schwestern von Alubat, Boreal und Allure – Garcia zu verdanken, dass sie allesamt ähnliche Designmerkmale aufweisen: eine enorme Breite sowie Innenballast zur Verbesserung des aufrichtenden Moments sowie zeitgleich flachen U-Spanten in der Schiffsmitte, um den Schiffen bei Ebbe solide Standfestigkeit zu verleihen, weil sie flächig „mit der Brust“ auf dem Sand aufliegen, und somit keinerlei Wattstützen notwendig werden, wie sie in England so gebräuchlich sind.
Frühere Luvgierigkeit bei Ovni Yachten gehört seit langem der Vergangenheit an, die Weiterentwicklung der Schiffe mit Integralschwert hat in Quantensprüngen explizit in Frankreich stattgefunden, sie liegen heute nahezu sämtlich leicht am Ruder, werden erst bei erhöhter Schräglage luvgierig, was der grossen Breite der Schiffe geschuldet ist.

Das Designkonzept dieser Schiffe wird von der Werft GLY ausführlich hier beschrieben.
Es liegt auf der Hand, dass bei der Konstruktion dieser Schiffe das Segeln hoch am Wind als weniger wichtig genommen wurde, weil man auf heimatlichen Regatta Parcours in der Regel nicht anzutreten plant, zumal der Innenballast ein in to höheres Gewicht zur Folge hat, was der Performance in schwerem Wetter, gleichwohl nicht unbedingt für Kreuzkurse Vorteile aufweist. Das breite Heck in Verbindung mit einer langen Wasserlinie ermöglicht grosse Etmale auf den angenehmen Kursen der Blauwassersegler.
Wenn dieser Bericht sich insbesondere mit den Schiffen der Allures – Garcia Serien beschäftigt, hat dies natürlich seine Gründe. Während Alubat und Boreal ihre Schiffe in Knickspant Bauweise produzieren, werden Allures und Garcia Exploration als Rundspant Konstruktion ausgeführt, einer Bauweise, die für das Auge enorm gefällig wirkt, allerdings auch Konsequenzen für den Preis nach sich zieht.
Es ist einer schlauen Politik der Werftherren zu danken, dass sie sich für die Herstellung zweier Produktionslinien entschlossen haben, sie wurden de facto für unterschiedliche Einsatzgebiete konzipiert und decken damit die ganze Palette möglicher Verwendung ab:
– Allure für Blauwasserreisen in allen Regionen der Welt
– Garcia Exploration für die extremen Regionen bis hin ins Eis

Der Verwendung entsprechend werden Allures serienmässig mit Saildrive Antriebe, die Exploration Serie hingegen mit konventionellem Wellenantrieb ausgerüstet, eine Präferenz, vermutlich um ein Präjudiz für das finale Einsatzgebiet zu treffen, was sich auch in der Wahl den Namens wieder spiegelt. Beide Serien werden mit Doppelruderanlagen ausgestattet, die derart solide ausgeführt sind, dass die Schiffe darauf abgestellt werden können, ohne Schäden davonzutragen. Beide Serien unterscheiden sich erheblich im Decks- Kockpit und Aufbau Konzept:
Garcia Exploration Serien werden komplett in Aluminium verschweisst und mit erhöhtem Freibord versehen.
Allures Yachten werden mit einer Deckschale aus GFK versehen, die mit dem Rumpf flächig verklebt, dem Schiff bei zeitgleich geringerem Freibord, ein sehr gefälliges Äusseres verleiht.
In Bezug auf die Unterwasserkonfiguration sowie Materialstärken sind bei Allures + Garcia identisch ausgestattet, lediglich in Bezug auf ihre Breite, sowie Freibord, der Länge der WL sind sie unterschiedlich, was einfach zu erkennen ist, wenn z.B. Allures 45.9 und Exploration 45 alternativ. Exploration 52 und Allures 51.9.nebeneinander im Hafen liegen.

Die Produktionszahlen der Werften werden offen kommuniziert

ALLURES
Allures 39.9 / 40.9 2013 – 2021 # 43 Stück
Allures 45: 2016 – 2022 # 34 Stück
Allures 45.9 bislang # 30 Stück
Allures 51.9 #2 im Bau, in Auftrag # 9 Stück
Lieferzeit Allures 2 Jahre

GARCIA EXPLORATION
Exploration 45: 2013 – 2021 # 40 Stück
Exploration 52: 2020 – 2021 # 12 Stück, in Auftrag 24 Stück
Lieferzeit Garcia: 4 Jahre

Infolge langer Lieferzeiten werden bei Vertragsabschlüssen seit 2006 Preisgleitklauseln vermerkt.

Hamburg 29.01.2022
Peter Foerthmann

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2 Antworten zu Allures – Garcia

  1. Andreas sagt:

    Wie verträgt sich eine Windfahnensteuerung mit einer Garcia 48 Centre Cockpit?

  2. peter sagt:

    Guten Morgen, ich bitte um Ihre email an meine bekannte Adresse
    Peter Foerthmnann

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