Déjà-vu

SCHLAFLOS IM ATLANTIK
Die Biscaya bei Gegenwind ist kein Ponyhof,
sie strapaziert Segler manchmal gnadenlos,
stellt Material auf die grobe Probe
sublimiert nasse Hosen und heroische Pose
verbindet Herbstgedanken,
derweil wir, noch in Shorts
darüber räsonieren,
wie es denn wohl weitergeht?
Das ist die Frage, die GGR Interessierte
dieser Tage dauerhaft bewegt.

Am 07.09.2019 habe ich meine Erfahrungen aus dem GGR 2018 resümiert und dies im WINDVANE REPORT niedergeschrieben, mich von einer erneuten Teilnahme an dieser Veranstaltung sodann zurückgezogen.

Drei Jahre später, muss ich bekennen, dass ich mir selbst gegenüber wortbrüchig geworden bin, denn ich habe im GGR 2022 zwei Seglern eine Heckverzierung verkauft und geliefert, und sie mit Freude unterstützt. Die Kurzgeschichte:
Jeremy Bagshaw ZA, neuer Eigner der SV Olleanna, jener OE 32, mit der Are Wiig beim GGR 2018 gestartet, dessen Reise vor Kapstadt ein jähes Ende erfahren, er gleichwohl mit eigener Kraft unter Notrigg den rettenden Hafen hat erreichen können. Jeremy, seit vielen Jahren Windpilot Segler ( SV Jerrican, einer Dudley Dix 43 ) hat das Schiff in Kapstadt übernommen, die Monitor durch eine Pacific ersetzt, und ist im Mai 2022 mit Kurs LSO aufgebrochen.

Jeremy Bagshaw: Golden Globe Race 2022 skipper

Hi Peter,
I hope you are well and welcoming the northern spring and summer?

I am currently en route to Europe for the start of the Golden Globe Race and at the moment I’m 500 miles out of Ascension Island. You can track and contact me on https://my.yb.tl/OlleannaGGR if you like?

I’m having a wonderful sail and for 14/15 days at sea I haven’t touched my tiller as Ellen is doing all the hard work 24/7! What a wonderful piece of equipment!

What this does make me realize is how utterly dependent I am on my Windpilot and to a large extent on my Watt & Sea hydro generator as well. I had 100% cloud cover for 8 solid days, as I no doubt will in the southern ocean?
Best regards,
Jeremy (and Ellen – my steering slave! )

Abhilash Tomy hatte im GGR 2018 seine vermutlich schwerste Schicksalsstunde, als er eine mehrfache Durchkenterung ohne beide Masten und mit gebrochenem Rückgrat überlebte, sich gleichwohl, kaum genesen, für das GGR 2022 erneut angemeldet hat. Erst vor wenigen Monaten hat er mithilfe seines Sponsors Bayanat, jene Rustler 36 erworben, mit der Philip Péché im GGR 2018 gesegelt ist. Das Schiff wurde in Den Oever NL für das GGR vorbereitet, wohin wir im Mai 2022 eine Windpilot Pacific geliefert haben. Ein Entgegenkommen, nachdem Abhilash freundlich, gleichwohl mit Hintersinn vermerkte:

If you do not sell a Pacific to me, I will have to steal a unit from another boat.

Wir waren also artig und sind nach Holland gefahren. Ein Vergnügen der besonderen Art, diesen stets strahlend gut gelaunten Inder wieder in die Arme zu schliessen. Unvergessen unsere gemeinsame Zeiten mit seiner reizenden Frau Urminala, die sogar die polnische Sprache beherrschte, Muttersprache meiner Frau.

Abhilash Tomy: 2022 Golden Globe Race skipper

Eigentlich eine entspannte Geschichte, wie ich sie täglich erlebe, allerdings fand ich mich nolens volens wieder als Beteiligter an der GGR, bei der sich gleich zu Anbeginn brisante Entwicklungen zeigten. Warum? Weil sich vermutlich Befürchtungen bewahrheiten, die ich gewagt habe, bereits am 05.07.2021 zu adressieren! Die Erfahrungen der GGR 2018 sowie insbesondere zwei Schadenfälle in 2021, hatte ich zum Anlass genommen, meine Untersuchungen zur soliden Befestigung von Windsteuersystemen zusammenzufassen.

Wenige Tage nach dem Start der GGR 2022 am 06. September 2022 ist der Ernstfall eingetreten, Damien Guillot SV PRB hat wegen Bruch´s an seiner Windsteueranlage das Rennen unterbrochen, um zur Reparatur nach LSO zurückzukehren. Eine unschöne Verkettung von Umständen, die keinem Hersteller von WSA gefallen kann, mich eingeschlossen, weil ein in toto unschönes Licht auf eine im Grunde solide Mechanik fällt, mit Folgen, die man vermutlich hätte vermeiden können. Aber das ist nicht der Grund für diesen Bericht, auch wenn nun für einige hundert Tage und Nächte genau diese Steuersklaven ins Zentrum der Überlegungen rücken, allerdings anders, als zunächst vermutet, wie schon der Titel sublimiert. Es geht mir um die Verwendung und Einsatzfähigkeit von mechanischen Steuersklaven, insbesondere deren Grenzen, die in physikalischen Gesetzen ihren Ursprung haben.
Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten viele Rustler 36 ausgerüstet und pflege Austausch mit der Werft in Falmouth. Zur Vertiefung der Materie habe ich kürzlich die Thematik Befestigung von Hilfsrudersystemen bei der Werft adressiert und erfahren, in welcher Form bei werftseitiger Montage hier Vorkehrungen getroffen werden, die hoch belasteten Bereiche im Spiegel von innen zu verstärken, um mögliche Lasten aufzufangen, bzw. Vibrationen vorzubeugen. Werft Fotos belegen die Professionalität der Vorgehensweise.
Es stellt sich die Frage, ob und in welcher Form nachträglich montierte Hilfsrudersysteme hinterfangen werden, insbesondere, ob eine genügend starke innenseitige Verstärkung im Bereich des Spiegels eingebracht bzw. vorgenommen wird. Die plane Spiegel Oberfläche der Rustler 36 ( Laminatsträrke lt. Werft 8 mm ) stellt in diesem Bezug besondere Anforderungen an die Solidität der Befestigung, weil Vibrationen jeder Art umbedingt zu unterbinden sind, um Materialermüdung und Bruch im Dauerbetrieb zuverlässig auszuschliessen. Vermutlich liegt hier der Grund, warum einige Systembefestigungen auf der
2021 LAZY OTTER von Ertan am Ende gebrochen sind.
2019 MATMUT das System von Jean-Luc nur unter enormem Einsatz und cleveren Ideen zur Verstärkung seiner Hilfsruderanlage bis zum Ziel durchgehalten hat.
2022 PRB, bei der die untere Befestigung gebrochen ist
UPDATE 20.10.2022podcast PRB : Der Duplex Ruderschaft ist oberhalb des Ruderblattes abgebrochen. Das Ruderblatt konnte gerettet werden, weil es mit einer Leine gesichert war.

Vermutlich sind Vibrationen ursächlich für Schadensfälle an all diesen Rustler 36 Yachten, weil stete Lastwechsel der Komponenten Materialermüdung und Bruch zur Folge haben können. Eine Materialanalyse des gebrochenen M10 Bolzens sowie des Duplex Ruderschaftes auf der PRB könnte hier Antworten geben, denn bei Vibrationen kann Materialstärke wenig helfen, weil nur die Verhinderung von Schwingungen das Problem beseitigen kann.

UPDATE 13.11.2022Der Duplex Ruderschaft der Hydrovane von Damien´s PRB ist zum Zweiten Mal gebrochen, der Segler wird das Rennen vermutlich beenden. Durchaus denkbar, dass die Vibrationen auch verursacht werden konnten durch das neue HIGH PERFORMANCE Ruderprofil, bei dem vermutlich der Balanceanteil vergrössert wurde um den Wirkungsgrad des Ruderprofils zu vergrössern.

UPDATE 14.11.2022Nach dem Verlust des zweiten Ruders südlich von Cape Town, hat Damien entschlossen, das GGR zu beenden. Erist nach Cape Town eingelaufen.

Es gehört zu meinem Standard Repertoire, Seglern die Zusammenhänge zwischen Schiffs- Segel Trimm und der möglichen Steuerqualität eines Steuersklaven „mit der Peitsche“ ans Herz zu legen, bzw. deren Grenzen zu verdeutlichen. Bei Missachtung dieser Grundregeln geht der Stromverbrauch eines AP in die Höhe, die Gierwinkel einer WSA geraten grösser, und die Arme eines menschlichen Rudergängers werden länger, die Augen träger. Am Ende fallen sie zu, das Schiff schiesst in die Sonne alternativ den Mond, wie es kürzlich Guy Deboer SV Spirit passiert ist, nachdem er zuvor 30 Std versucht hatte, der Schwerkraft seiner Augenlider zu widerstehen. Er ist schlafend auf Fuerteventura gestrandet, trotz Wachhaltezigarre.
Nicht zu vergessen waren zugefallene Augendeckel eines Wachgängers auf der Bayanat im Verlauf der Zubringer Regatta von Gijon nach LSO ebenfalls ursächlich für die Kollision mit einem Frachtschiff, in dessen Folge eine Blitz Reparatur einer kompletten neuen Nase bei der Rustler vorgenommen werden musste.

Beim Vergleich der Steuerleistungen von Hilfsruder- und Pendelrudersystemen ist zu konstatieren, dass Pendelrudersysteme in der Lage sind, auch grosse und schwere Schiffe zu steuern, wohingegen der Einsatz von Hilfsrudersystemen seine natürlichen Grenzen hat, weil Servokraft bei dieser Systemart nicht zur Verfügung steht. Für die GGR ist festzustellen, dass beide Systemarten eingesetzt werden können, weil die Schiffe allesamt von moderater Grösse und Gewicht sind, die systembedingten Unterschiede insbesondere bei Einsatz in extremen Situationen zum tragen kommen, in deren Folge die Matadore dann ein wenig früher oder eben später an die Pinnen ihrer Schiffe gezwungen werden. An dieser Stelle sei der Vermerk erlaubt, dass eine jede Gegenruderbwegung den Vorwärtsdrang eines Schiffes bremst, womit deutlich wird, dass eine jederzeitige Balance von Schiff und Segeln entsprechend den Windgegebenheiten im Interesse eines Seglers stehen sollte. Es liegt im Wesen einer Wettfahrt, dass der Ehrgeiz der Kombattanten hier manchmal über die Stränge schlägt, weil der Wunsch nach Speed den sorgfältigen Trimm des Schiffes vergessen lässt.

Hier schliesst sich der Kreis, denn die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Systemarten haben unmittelbar Einfluss auf das Mass an Steuerfreiheit der Segelmatadoren, insbesondere wenn oder weil sie naturgemäss in einer Regatta nicht den Wettbewerbern hinterher, sondern vorzugsweise vorneweg, segeln möchten. Genau hier liegt der Grund, an dem die Matadore sich zu entscheiden haben, ob sie mit einem Maximum an Segelfläche die Grenzen ihrer Steuersklaven austesten und ggf. von Hand über ausgedehnte Zeiten unterwegs sein wollen, oder ob sie es vorziehen, die Segelfläche den herrschenden Wetterverhältnissen anzupassen und am Ende mehr Freiheit von der Sklavenarbeit am Ruder des eigenes Schiffes zu erhalten. Es wäre interessant, die Matadore hier dezidiert zu befragen bzgl. der aktiven Stunden, die sie am Ruder des eigenen Schiffes zu verbningen hatten!

Die systembedingten Leistungsunterschiede treten an jener Nahtstelle auf, die durch den Ehrgeiz der Matadore ihren Ausdruck erfährt. Recht offenbar haben fast sämtliche GGR Segler im bisherigen Verlauf des Rennens mit Schlafmangel zu kämpfen, für mich eine besondere Art von russischem Roulette, bei dem Strandung oder Kollision als Folge hinzunehmen sind.
Die Risiken der Einhandsegelei sind heute durch technische Hilfsmittel recht einfach zu verringern, weil mit AIS, Radar, Oscar die Verbesserung der Sicherheitslage und Kollisionsverhütung sogar im Schlaf funktioniert. Wird deren Nutzung allerdings unter Vorsatz ausgeschlossen, um dem Rennen einen „prickelnden Reiz“ zu geben, werden die Segler unter Vorsatz „blind“ und sich selbst überlassen und haben in letzter Konsequenz für die Schäden persönlich aufzukommen, wie der Veranstalter nicht müde wird, zu betonen. Warum er sich so verhält?

Einmal raten genügt.

03.10.2022
Peter Foerthmann

Eine Antwort zu Déjà-vu

  1. Susanne Huber-Curphey sagt:

    Hallo Peter,
    Auch ich verfolge das GGR 2022 mit all dem Drama und Publicity.

    Das lange Video der Bootsbau-Experten zum tragischen Verlust von Tapio’s S+S blieb ohne Ergebnis, und das unglaublich schnelle Sinken übers Heck wurde am Ende auf eine mysteriöse Kollision geschoben. Ich stimme Dir bei dass die Belastung der Hydrovane auf den elegant-grazilen Spiegel durchaus die wirkliche Ursache gewesen sein könnte.

    Nun schnitzt sich Abhil aus Klotüre, Kartentisch und Notruder immer wieder neue Pendulumruder für seine Windpilot. Er segelt extrem an oder auch weit über den Grenzen, beide Windgeneratoren waren z.B. unter Wasser. Vielleicht erklärt das sein Problem der WSA, das nur eines von sehr vielen auf seiner Reise ist. Weisst Du wodurch sein WSA Problem verursacht ist, immerhin hat er angeblich zwei Anlagen an Bord.

    Du weisst, ich bin überzeugt vom Jordan Drogue in Sturm, der lt. englischer Definiton erst ab 10 Bft. beginnt. Damit sind solch massive und zerstörerische Knockdowns ausgeschlossen, die keine WSA mehr meistern kann. Siehe Kapitel 14 in der neuen Ausgabe von Heavy Weather Sailing, Edition 8.

    In nun knapp 300K Seemeilen habe ich nur einmal im Sturm von Hand gesteuert und wäre dabei südlich von Australien fast durchgekentert. Wenn die Aries es nicht mehr schafft, kann ich es eben auch nicht. Meiner Meinung gibt es keine Situation um mit einer guten WSA selbst steuern zu müssen.

    Der Schaden an der Aries von Patrick ist noch immer nicht erklärt. Angeblich rutschte der 25mm Hauptschaft heraus (ist doppelt gesichert), ohne dass Teile verloren gingen oder die Anlage selbst bsschädigt wurde. Freunde von mir die selbst eine Aries haben, sprachen kürzlich mit Patrick in Lanzarote, Patrick hielt sich bedeckt.

    Warum ich Dir schreibe? Vielleicht weil ich wie Du weiss wie kritisch eine gut funktionierende und gut montierte WSA für Solosegler gerade auf eine solch einer 8+ Monate langen Reise ist.

    Vielleicht auch weil es an der Zeit ist mal mit Dir Kontakt aufzunehmen?

    Mit Grüssen,
    Nehaj-Susanne

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert