2018 Resümee

RESPEKT UND MENSCHLICHKEIT

Hier die kurze Retrospektive eines schnellen Jahres, aus der Sicht eines Mannes, dessen Fokus zunehmend auf menschliche Verhaltensweisen schielt, Menschen die noch Emphase empfinden, die den Mikrokosmos eigener Wichtigkeit zu verlassen sich getrauen, anderen Menschen noch Fragen stellen – und bei der Antwort noch nicht abgehauen sind.

Ich bekenne, dass mir diese Begriffe wichtig sind. Ich erkenne zudem, dass ich Jahrzehnte gebraucht habe, ein wenig genauer auf Menschen zu achten, ihre Wortwahl, Körperhaltung, verstohlene Blicke, und insbesondere auch das Nichtgesagte zu bedenken. Wortwahl kann so verräterisch geraten, wobei sich sogar ohne Worte erkennen läßt, wes Geistes Kind man zum Gegenüber hat. Es liegt zum Glück im Wesen des schönen Sports unter weissen Segeln, dass hier eine natürliche Selektion existiert, weil der Umgang mit den Naturgewalten nicht für jedermann geeignet ist, weil Sturm, einmal überlebt, Menschen im auto update neu formatiert, sie sich fortan im Spiegel plötzlich besser erkennen, sodann sehen, wer oder was sie wirklich sind: Ein Mövenschiss der Natur, der mit der ersten Welle weggespült, weil er so enorm flüssig ist. Konsistent zu leben ist eine andere Sache, allerdings Voraussetzung, damit man hier oder dort im Gedächtnis bleibt. Der Kurzbericht.

GROUNDHOG DAY – DIE SACHE MIT DEM MURMELTIER

Ein Zahlenspiel. Bei einem täglichen Mailpensum im Bereich zwischen 50 – 150 mit aller Welt, gerät die finale Antwort nach der Menge ausser Kontrolle und ich stelle mir immer wieder die gleiche dumme Frage, wie es zu schaffen ist, wenn man daneben noch Produktion, Essen, Schlafen, faul auf dem Sofa liegen, alternativ über MAC Tasten fliegen, Garten machen, Schiff klarieren, sich selbst und das Auto zu Waschen und zu Fönen, sodann die Träume abzuwägen, Interessen zu frönen, die eigene Frau bei Laune halten, sie zum Baumarkt, Edeka, Friseur zu chauffieren – Pardon: sie hat einen Führerschein, aber benutzt ihn nicht, nicht nur, weil ihr der Verkehr zu hektisch ist, sondern weil sie infolge traumatischer Kindheitserinnerungen im Familienfiat, am liebsten auf der Bremse sitzt, und damit jeden Verkehr ins Stocken bringt. Ich hatte schon vorgeschlagen, ihr zu Übungszwecken ein Papplenkrad auf´s Handschuhfach zu kleben … der Antwort Blick allerdings, hat mich gefrieren lassen.

 

Die Kurzantwort: wir sind als Doppelpack ziemlich geschickt organisiert, einer von uns kennt die Tricks, Staub zu überlisten, ihn elegant zu fangen, bevor er am Boden angekommen ist. Ein Hoch auf die Swifferitis, meine Mutter musste den Staubwedel noch auf dem Fensterrahmen klopfen. Unsere Küche ist frei von meiner DNA, damit mein Weib dort ungeniert – und unter Mithilfe ihres kolossalen Maschinenparks – Pirouetten drehen kann und die Schuldfrage bei Kleckereien qua Autodiagnose erledigt wird. Immer gut, wenn man seine Grenzen kennt und vor der Küche bremst, zumal es in der Kochfabrik ohne mich erheblich flotter geht.

Das Doppelpack funzt im Ground Floor – der Fabriketage – ebenso, was den Vorteil hat, dass die Zeit noch schneller flitzt und Diskussionen – Necken, Ärgern oder Trietzen! – kollateral gleich mit erledigt werden. Dank einer ausgeklügelten Arbeitsverteilung, die sich im stillschweigenden Kräftemessen ergeben hat, schafft mein Weib es immer wieder, mir die Grenzen meiner Hoheit schmerzlich zu demonstrieren. Wenn sie z.B. Baugruppen in Serie zusammenstellt, habe ich manchmal das Gefühl, dass sie unter Vorsatz eine Serie grösser macht, um mich in die Falle zu zwingen, dass ich „schon wieder“ nicht genügend Verbindungsteile vorbereitet habe. Ich mag mich täuschen, aber eine Siegermiene kann ich heute deuten. Jedenfalls regen sich dann in meiner Seele tiefe Erinnerungs Fetzen an vergangene Jahrzehnte in uneleganteren Verbindungen, in denen der Schwarze Peter mein Schatten Mann gewesen ist. Vergleichbar sind gemeinsame Tage im heutigen Produktionsbetrieb für uns ein fliegender Teppich in luftiger Höhe, weil sich die Arbeit von allein erledigt. Jeder Gedanke an etwaige Werkstatthelfer wird subito im Keim ertränkt, weil dann allzu leicht die Unbeschwertheit baden ginge, zumal im Klo vermutlich dann wieder im Stehen gepinkelt würde!

UNSER STREUSELKUCHEN NETTER MENSCHEN

Immer auf der Mauer auf der Lauer nach netten Menschen, die unser Herz in Schwingungen bringen, so findet unser Lebens Kriegsschauplatz, ganz grob unterteilt, in einem Bermuda Dreieck statt.

HAMBURG – OSTSEE – POLEN

Die weite Welt der Segler ist mein virtueller Abenteuer Spielplatz, der mir selten Langeweile schafft, weil ich als Chef vom Dienst den Dialog im Auto Modus navigieren kann. Es gibt allerdings Segler, mit denen man endlose Runden um die Kirche zu drehen hat, bevor „der Groschen gefallen ist“. Bei 20 Mailwechseln wird der Geduldsfaden schon mal dünn, weshalb ich dann Petergogisch Hausarbeiten aufzugeben pflege, bevor die Lektion dann weiter geht.

Es ist unendlich hilfreich, dass die Mehrzahl meiner virtuellen Gegenüber sowohl über den Mann am anderen Ende der Mailadresse, als auch dessen „Märklin Eisenbahn Anlage“ bestens informiert, mit der er seit Jahrzehnten Endlos Runden dreht: Windpilot als Groundhog day!

Word of Mouth heisst das Schlüssel Wort und ich bin mir bewusst, wieviele Jahre es gedauert hat, bis diese Medizin wirksam geworden ist. Ein Freifahrschein für die Überholspur des Lebens, auf der man all die netten, teuren Helfer professioneller Vermarktung nicht mehr nötig hat, weil sie sich, mit Wonne, selbst überflüssig zu machen pflegen: Presse, Messe, Rotations Maschinen, die der Monetarisierung dienen, deren Erträge unterwegs verbraten werden, bzw. in dezidierten Taschen hängen bleiben, nie den meinen.

Monetarisierung

BESUCH IN DEUTSCHLAND

Bei uns in Deutschland ist Besuch meist ein Spassvergnügen, kann sich allerdings auch schon mal überraschend wenden, wenn er schneller endet, als gedacht. Der alte Sinnspruch ist bei uns lebendig: Besuch beginnt bekanntlich, wie Fisch, nach drei Stunden zu stinken, oder das Gespräch zu hinken. Besuch sollte nicht zur Plage werden, bei denen Heimgesuchte sich im eigenen Zuhause nur noch quälen, derweil sie die erlösende Frage nicht zu artikulieren wagen. Habt Ihr kein Zuhause? Besuch und Respekt sind Zwillingsschwestern, die Hand in Hand durchs Leben wanken.

Anstrengend sind Besucher im Ruhestand, deren Lebens Zeitvertreib darin zu bestehen scheint, ihren Besuch allzu gern zeitlich auszudehnen, Gastfreundschaft wortlos zu reklamieren, ohne zu realisieren, wenn ihren Gastgebern bereits die Mienen gefrieren. Als stilles Indiz für die Höhe des Respekts, sind Gastgeschenke verräterisch. Ohne hier jemanden zu blamieren, aber wenn der Gegenwert für fulminante Gastfreundschaft auf den Wert einer Rotweinflasche vom Aldi, oder einen in Serie billig gekauften Kalender reduziert wird, sollte erlaubt sein, daraus Rückschlüsse zu ziehen, auch wenn die dann weniger vorteilhaft sind. Auch das Ausbleiben einer Gegeneinladung lässt Schlüsse zu, die durch Geiz nicht immer ausreichend zu entschuldigen ist.

Ich erinnere mich mit Grauen an einige Boat Show Partys im Gefolge meiner Blauwasser Seminare, bei denen ich, obgleich Gastgeber, im eigenen Haus Schweiss nass der Gejagte war, derweil Besucher vehement beklagten, wenn die soziale Mischung nicht ihrem Gusto – oder Niveau? – entsprach, ersatzweise das Büffet leergefegt, der flüssige Zungenlöser ausgegangen, die Musik störend, oder der eigenen Wichtigkeit nicht genügend Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Es sogar eine Beschwerde über mangelnden Service gegeben. Meine Frau ist damals, mit Kleinkind auf dem Arm, zur Hochform aufgelaufen, um die betreffenden Herren zielstrebig zur Tür zu begleiten – was dann jene legendäre schriftliche Beschwerde über „fremdsprachiges Küchenpersonal“- meine Frau! – zur Folge hatte. Ja Donnerwetter! Eine Anekdote, die zeitlebens in meiner Birne Platz genommen hat.

Menschen sind schon komplizierte Apparate, treffen zu viele aufeinander unter einem gemeinsamen Dach, gibt es Krach, ersatzweise Säbelrasseln, Gefieder Plustern oder spitzes Wortgeplänkel, unter Einsatz nahezu aller Waffen: verbal, nonverbal, genital, seltener kongenial, Vorzugs weise weniger sozial.

BESUCH IN POLEN

Bei uns in Polen gelten andere Rahmenbedingungen, an die man sich erst akklimatisieren muss. In meinem Fall hat es 15 Jahre gedauert, und ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass z.B. acht Besucher es als normal empfinden, vier bis sechs Gespräche zeitgleich zu führen, weil ein jeder omnipotent in alle Richtungen Wichtiges zu bemerken hat, weshalb alle die Stimme heben. Besuch in Polen ist laut, verwunderlich zudem, wenngleich ganz normal, dass dem Gastgeber häufig keinerlei Fragen zu seinem eigenen Leben und Treiben gestellt werden, weil man – ist das schon Klugheit? – stillschweigend zur Kenntnis genommen hat, dass man einem fröhlichen Gegenüber nicht die dumme Frage nach seinem Wohlbefinden zu stellen braucht, zumal man unendlich froh ist, endlich von den eigenen Lebensproblemen ein wenig mitteilen zu können. Eine Volkskrankheit, die nicht nur in Polen zu grassieren scheint. Das probate Mittel meiner Frau: bei der Verabschiedung von Besuch bedankt sie sich freundlich, für die nichtgestellte Frage nach ihrem Wohlbefinden: Danke für Euren Besuch – und ja, uns geht es gut.

Ich habe in meiner zweiten Heimat im Galopp menschliche Verhaltensweisen kennen gelernt, die man in Old Germany in Strukturen ebenfalls finden kann. Allerdings liegen in einem Dorf von nur 160 Seelen die Dinge mehr an der Oberfläche, weshalb man selten tief zu graben hat. Soziale Harmonie ist nicht vorhanden, eher das exakte Gegenteil. Neid regiert die Tage und wird durch Unzufriedenheit gemästet.

Ältere Familienmitglieder werden hier und dort im Haus durch Mauern von der eigenen Familie separiert, damit sie nicht mehr stören können, wobei fortan als Klo der Eimer dient. Wodka führt ein strenges Regiment, Fahrverbote sind Papiere ohne Sinn, weil man auf schwankenden Beinen ja noch weniger sicher zu gehen in der Lage ist. Autos sind Status, auch ohne Schilder – enden sie am Baum, krabbelt man raus und schafft Tags darauf das nächste an – Kredit sei Dank.

Ich habe Höfe gesehen, auf denen sich vier zerbeulte Karossen innerhalb weniger Wochen angesammelt haben. Es herrscht Anarchie im ländlichen Gemüsebeet. Kommt die Polizei mit Blaulicht und Sirenen angesaust, wird beides vor dem Dorf dezent ausgeschaltet, derweil Missetäter sich dann in Ruhe im Wald verstecken können. Vermutlich eine Arbeitsvermeidungs Massnahme? Ist der Spuk vorbei, geht es wieder von vorne los.

Unter alkoholisierten Autofahrern auf dem Lande, werden Karambolagen Streitereien schon mal praktisch direkt vor Ort erledigt, wobei der Schuldige den Kontrahenten in cash auszuzahlen pflegt – weil er ansonsten bei der Polizei denunziert. Am Ende werden die zerbeulten Statussymbole dann mit dem Trecker eingesammelt. Alles im bezahlbaren Bereich, weil derartige Fortbewegungsmittel selten mehr als Zl 400,– kosten.

Apropos: in den Dörfern gehören Denunzianten und Konfidenten zum Mobiliar wie Kirchen, weil jedermann überzeugt ist, nur so dem persönlichen Wohlbefinden einen Vorteil verschaffen zu können, Kripo und Polizei eingeschlossen, was zeitgleich auch Sprit Kosten senken hilft. TV Formate zum Volksneid füllen alle Kanäle, wobei die Meute stets den Vorteil jagt. Der Klassiker: Mann kommt nach Hause, erfährt von seiner Holden, dass der Nachbar ein neues Auto hat. Seine lakonische Antwort: das Finanzamt weiss das schon.

Emphase kann in Polen zum Software Fehler mutieren, wenn man die falschen Menschen zum Gegenüber hat, Vorzugs weise innerhalb von Familien. Mit einem zu grossen Herz hat man Ende stets leere Taschen, weil Großzügigkeit doppelt bestraft wird, insbesondere, wenn man Geld verleiht, und, je nach Höhe des Kredits, weder diesen noch den Empfänger jemals wieder sieht. Der Wechsel der Telefonnummer lohnt sich bereits bei € 20,00, ist auch nur der erste Schritt, wohingegen der letzte darin besteht, dem Gerichtsvollzieher zu erklären, dass man sowieso nur leere Taschen hat. Schuld hat immer, wer was hat, mit dem falschen Auto fängt es an, aber auch eine Gürtelschnalle kann schon Neid erregen. Wem es besser geht, der steht im Regen, Vorzugs weise ohne nachzufragen. Ein hartes Land, insbesondere auf dem Land, wo zudem die Kirche regiert mit harter Hand.

Ein Land jedenfalls der Gegensätze, wundervollen Landschaften und menschlichen Pretiosen, mit denen der Umgang nichts als reine Freude ist, weil nur freundliche Seelen gemeinsam schwingen können. Allerdings bedarf es einer übergroßen Lupe, diese Menschen aufzufinden. Interessanterweise sind es so häufig die traurigen Seelen, denen das Leben unendliche Wunden zugefügt, die Freude und Dank auszudrücken in der Lage sind. Mit diesen Menschen kommen wir am besten zurecht und helfen gerne, wo wir können. Eine Aufgabe, die man nur leisten kann, wenn man selbst ein erfülltes Leben führt.

Einer dieser besonderen Menschen ist Franek, ein stiller Künstler aus den Bergen, der selten redet, zumal sein kleines Werkstatt Radio seit 10 Jahren nonstop dudelt, derweil er ohne Vorlagen seine Phantasien in Holz verewigt, die allerdings keiner kauft, weil in Polen nur klerikale Motive zählen, die dann von Herren im schwarzen Talar „für den Schöpfer vom Ganzen“ als kostenlose Gabe eingefordert werden.

Wir haben jede seiner Skulpturen, wie ihn selbst, in unsere Herzen geschlossen und helfen mit Begeisterung, diesen stillen Künstler zu unterstützen. Es ist erst wenige Tage her, dass ein neuer Bär unter unserem Dach angekommen ist, wir sind für diese kapitale Skulptur zu fünft fast in die Knie gegangen.

Franek hat nun eine neue Herausforderung, sie heisst Peter. Die Frage nach Fotos oder Vorlagen hat er verneint! Wir sind nun gespannt, insbesondere nach Erfahrungen mit einem anderen Ritzer – so die polnische Berufsbezeichnung – der anstelle von Peter plötzlich Helmut Schmidt in Holz verewigt hat …

30.12.2018

Peter Foerthmann

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