Männerspielzeug

PETER ALS BOB DER BAUMEISTER
Blick zurück, keineswegs im Zorn
denn das Leben geht immer weiter 
allerdings unweigerlich stets nach vorn
und in Zukunft nur noch 5.50 m nach oben
dagegen wurden früher die Lasten sogar 6,20 m angehoben
das seitliches Verschieben
allerdings, ist geblieben
Die Auflösung dieses Rätsels
hat eine Gabel
zum Liften, schiften, stapeln
von Autos, Flügeln oder Möbeln
Schubmaststapler ist der korrekte Name
Tante Lansing ist verblichen
Onkel Jungheinrich hat sich
still und leise,
auf elektrischen Pfoten
reingeschlichen.
Es handelt sich um die Begebenheit von Peter als Bob dem Baumeister, ein Zwang, der lebenslange Folgen hatte. Die Geschichte ging so.
Nach Jahren der Enthaltsamkeit ist vor 31 Jahren die verschärfte Bau-Toll-Wut bei mir ausgebrochen. Immerhin hatte ich auf meinem Hinterhof Industrieterrain damals bereits 14 lange Jahre ohne Betonmischer und Stapler vegetiert, einem Geviert, in dem dereinst – also im vorletzten Jahrhundert – die berittenen Gendarmen ihre Paradepferde zum Beschlagen der Hufe reingeritten haben, was durch tausende alter Hufnägel bewiesen wurde, die Erde war regelrecht Hufnagel vermint.
Das Terrain war zum Zeitpunkt meiner Übernahme im Grundbuch übervoll von Gläubigern okkupiert, kaum dass ein Interessent sich getraute, den gewaltigen eingetragenen Belastungen überhaupt zu trotzen und eine Unterschrift, also den „Kauf“ zu wagen. Ich war blauäugig genug, zum Wagnis, der Kaufpreis wurde anschliessend komplett unter den mannigfaltigen Gläubigern verteilt und ratzeputz vertilgt.
Ich wurde zum Besitzer einer Schrottimmobilie samit Hinterhof, dem alleinigen Grund meines rasenden Interesses. Der Deal wurde mithilfe verschiedener Banken vollzogen, und ich zum jahrzehntelangem Sklaven derselben, die sich bis in die Neuzeit fröhlich mit Zinssätzen zwischen 6,5 – 8,0 Prozent in den Schlaf haben wiegen lassen können.
Ich habe meine Immobilie also mehrfach bezahlt, Schicksal einer Generation, die unternehmerisch die Ärmel hochgerollt, um im weiteren Lebensverlauf ungläubig zu erfahren, dass Politik heute ganz anders funktioniert, man nach der Währungsreform zum Euro, Kredite mit der Gieskanne flächig streut, hoffend, dass Raten am Ende dann auch bezahlt werden, derweil die Inflation bereits achtern angebissen, oder galloppiert. Schluss mit Politik! Als kleiner Bubi von 4 Jahren ist folgender Spruch von mir überliefert. Ich wurde gefragt, was Politik sei. Meine Antwort: Politik ist, wenn Mädchen sich hübsch machen … !
Entgegen vielfachen Ratschlägen von Schlaumeiern plante ich den Umzug an meinen Arbeitsplatz, denn mir fehlte immer wieder exakt die Zeitdifferenz, die ich im Auto sitzend, zur Arbeit zu fahren hatte. Die Tage waren zu kurz, mein Pensum zu gross, zudem gehörte Schnee und Glatteis damals noch zu den normalen Imponderabilien. Und so geriet ich zunehmend immer weiter ins Hintertreffen, zumal in meinen jeweiligen Zuhause – hier, da und auch dort! – der an mich gestellte Anspruch, dort natürlich auch für Gemütlichkeit zu sorgen, von unterschiedlichen Damen – unter Androhung deutlicher Konsequenzen – überdeutlich artikuliert! Wer Sex will muss aaartig sein. Ich habe Jahrzehnte versucht, alle Lebensanforderungen unter den gleichen Hut zu bringen, hier und dort mit hängender Zunge, stets auf zwei Rädern um die Kurven, zumal meine Lieblingsbaustellen an meinen vielen Schiffen ja auch noch erledigt werden wollten und Winterzeiten – flutsch! – vorbeisausten. Egal, wie ich es damals drehte: die Zeit war zu knapp, die Anforderungen stiegen wie im Paternoster … als Ausweg blieb – Sie ahnen es bereits! – nur der Gabelstapler.

Die Geschichte ging so:
Meine Hinterhof Schrauber Werkstatt glich einer Tropfsteinhöhle, jedenfalls bei Regen, ich hatte stets Tropfen zu sammeln, in bis zu 30 Eimern, am Ende mit einem Gummiraker, die ich aus meiner Zeit als Bademeister im Kellinghusen Schwimmbad verwendet hatte. Tor auf, Wasser mit dem Gummischieber auskehren, Tor zu, dann war für ein paar Stunden Ruhe. Ich hatte das enorme Glück, dass am Tage meiner Werkstatt Faschingsfeier tiefster Winter und Schneefall herrschte, das Dach dick unter Schnee, vernünftig isolierte, sodass meine Heylo Gebläseheizung ein wenig Wirkung zeigte … Basis für eine solide Fete. Bekomme ich hier noch die Kurve?
Ich wollte abbrechen, aufstocken, mir ein Loft auf dem Dach der Werkstatt rocken. Ein Gespräch mit Rainer, dem Herrscher über ganze Baukolonnen in Salzhausen, brachte die Ernüchterung: Und wie wollen wir das komplette Baumaterial in den Hinterhof verfrachten? Ganz klar und logisch, ein Gabelstapler musste her! Tags darauf bin ich in den Freihafen gefahren um einen Gabelstapler zu jagen und zu erlegen.
Ein Lansing Schubmaststapler, der nach 10 Jahren als Hafenhure ziemlich ramponiert, ringsum lädiert, aber immerhin funktionsbereit auf einen Dummen wartete. Das war ich! 5 Tonnen Lebendgewicht, 6,2 m Stapelhöhe über dreifach Teleskop und als Schubmast die erste Wahl für ein enges Hinterhofrevier.
Mein Hinterhof-Elektro-Porsche, mit dem ich rasend schnell das Langsamfahren lernte, hat fortan hunderte von schweren Fuhren von der Strasse in den Hinterhof zu transportieren, Bausteine in Paletten in den ersten Stock, Schornsteinelemente gleich weiter, rauf aufs Dach, Teerkessel für die Dachpappe gleich mit nach oben.
Mein Stapler und ich, wir wurden eins, jedenfalls solange es um Beton, Steine und Erde ging, denn sämtliche dann folgenden Baustellen in meinem Revier wurden mit schneller Akkuratesse, und zum Wohlgefallen meiner Bauhandwerker, immer wieder mit Tante Lansing erledigt und vollendet. Ein Baustellen Freund, mit dem man auch Ballett tanzen konnte, denn Tante Lansing konnte Pirouetten auf der Stelle drehen.
Hätte ich mein Männerspielzeug anschliessend verkaufen sollen? Eine dumme Frage, der die Antwort bereits innewohnt.
Ein Teil meiner Narretei: wir haben Tante Lansing auch Zweck entfremdet, zum Fensterputzen eingesetzt, haben in unserem Revier beim Mieterwechsel die Möbel aus der Wohnung geholt, einen Flügel in meine Wohnung eingeparkt, später dann ganze Autos umgeparkt, oder Schiffe auf dem Hof ins Hochregal gehievt.
Mit einem Stapler lebt es sich in dritter Dimension, weil man sich Träume einfach woanders hinstellen kann. Mal eben schnell die Efeuhecke zum Nachbarn beschneiden, oder die Klematis stutzen, die Container voller Bauschutt zur Strasse wuchten, oder Europa Kartonagen nach achtern verfahren. Auch meine Nachbarn haben schnell entdeckt, welch fabelhafter Helfer unter meinem Werkstattdach schlummerte.
Mit einem Stapler im Revier, bist Du der Macker, dem die Fans zu Füssen liegen. Ein gefährliches Ding, wenn man damit falsch verfährt und zu entdecken hat, wo die Tücken sind, denn mit 5 Tonnen hat man in einer Wand schnell ein Loch gemacht, das man dort gar nicht hatte haben wollen. Darum die eiserne Regel: Peter ist der Kapitän, und kein anderer sollte sich wagen, die Tante Lansing vom Fleck zu fahren.
Zwei Batteriewechsel im Verlauf von 31 Jahren wurden investiert, das Monstrum erwies sich ansonsten als unverwüstlich. In der vorigen Woche dann der kolossale Schock: die Reifen, solide ausgeführt, begannen im Jahr 40 ihre Konsistenz zu verlieren, die Belege hatten sich aufgelöst, das Monster plötzlich nur noch ein hinkender Zeitgenosse. Es hat nur wenig Recherche bedurft, zur Lösung des Problems: Tante Lansing war reif für die Endverwertung, neudeutsch: für den Schrott.
Und so bekamen wir Besuch von einem überlangen Schwerlasttransport Sattelschlepper mit Falt-Ladebordwand hinten dran. Die Bandwirkerstrasse wurde zur NO GO AREA, denn sie wurde für den Mütter-Schüler-Shuttle-Verkehr pünktlich zum Schulbeginn früh im acht … zur Gefahrenzone. Kurz: die Strasse war dicht. Grosse Aufregung unter Glucken, die ihre Küken bis vors Klassenzimmer zu fahren planten. Noch aufregender, wenn man den Rückwärtsgang nicht finden kann oder keine Vorstellung hat, wie man ein Lenkrad zu drehen hat, kurz, wenn die ganze Welt in Aufruhr ist, nur weil es vorn nicht mehr weitergeht. Aufruhr im Gemüsebeet, Strassenkino bester Art, der Fahrer hat seine Thermoskanne ausgepackt, um in Ruhe darauf zu warten, bis die Erbengeneration sicher unter Dach, die Glucken sich unter lautem Gegacker verzogen, er in gewaltigem Bogen das Tempo 30 Revier verlassen konnte.
Der Stapler Wechsel hat famos geklappt und wir können nun ganz hautnah erfahren, welch rasante Entwicklung sich in Bezug auf die Technik vollzogen hat: Luftgefederter Sitz vom feinsten, Totmannschaltung, totale Displayüberwachung mit akustischen Alarmen, Soft Start und Landung, allerdings haben wir nun 70 cm weniger Lift zur Verfügung, aber mit 5,50 m Ladehöhe kommen wir klar, weil das Dach und Schornstein ja bereits vor 31 Jahren fertig, heute nur noch als Tummelplatz für Rudi unser Eichhörnchen zu erklimmen ist.

Ansonsten habe ich in den letzten 3 Tagen Freundschaft geschlossen, träume schon mal von neuen Baustellen, um mich sofort wieder an die Wirklichkeit zu erinnern: mit Bau-Steine-Erden bin ich vermutlich fertig. So wird mich Onkel Jungheinrich bis ans Ende meiner Tage begleiten, weil er ein noch junger Bursche ist, der bei uns sicher niemals älter werden wird, weil wir ihn in unser Rudel aufgenommen haben … wir uns also immer um ihn kümmern werden, genauso, wie um alle technischen mobilen und immobile Spielzeuge, die uns erheitern, unser Leben vereinfachen, die uns ein Grinsen auf´s Gesicht zu zaubern in der Lage sind. Denn, nicht wahr, ein Gabelstapler gehört zu meinem Leben, wie die Luft zum Atmen, und auf den Reifen der Mobile, mit denen ich mich überall hin bewege. Der Gabelstapler bleibt mein Hof Porsche, mit dem ich Pirouetten drehen kann … ohne Spitze und Tutu.

Mein Nikolausgeschenk!
05.12.2020
Peter Foerthmann

2 Antworten zu Männerspielzeug

  1. Thomas R sagt:

    Tausendsassa, zwei Dimensionen waren Dir schon immer eine zu wenig!

    Und jetzt noch in gelb, mit Lufpolsterung im Sitz (gut gegen Hämorrhoiden ;o)), mit Smart-Functions…. eieieeii – Da flitzen nu die Räder im Kreisherum. Gute Fahrt!

  2. Sven sagt:

    Eine Frage steht noch im Raum,
    darf sich nun auch die Gattin mal an den Hofporsche traun ? 🙂

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