Januar 2018

DIE PLANUNG EINER GROSSEN REISE
Sechs Monate sind – eigentlich – eine lange Zeit, jedenfalls, wenn man eine Reise plant.

Für Segler, die neben den Koffern auch noch ihre Schiffe zu packen haben, kann die Zeit dann schon im Raffer flitzen, weil die Extra Aufgaben hinter jeder Ecke sitzen, und dort lauern, dass man sie nicht vergessen möge. Ansonsten allerdings fahren viele Segler einfach los und lassen Vergessenes mit den braunen Lastern oder Silbervögeln zum nächsten Hafen transportieren. Logistik sei Dank, kann man sich heute sogar um die ganze Welt reparieren, vorausgesetzt, die Plastik Karten sind leidensfähig, oder werden stillschweigend von der Restfamilie – dem Landteam oder der Oma? – aufgeladen oder nachgefüllt, weil Blut am Ende immer noch dicker als Wasser ist – und man seine Vorwürfe ja auch im Stillen formulieren kann, wenn man das Sparschwein erst geschlachtet, die Scherben zusammengefegt, und die Tränen sodann getrocknet hat, weil am Ende sowieso ja immer alles anders kommt – eine Lebens-Endlos-Schlangen-Schleife.

Einmal angekommen, fragt später keiner mehr nach den durchstandenen Schwierigkeiten – oder Qualen? – einer Reise, oder gar einer Weltumsegelung, weil man ja offenkundig angekommen ist und sodann – möglichst geräuschlos – seinen Platz im Hamsterrad – gefälligst? – wieder einzunehmen hat. Oder anders herum: am Ende wird jede Leistung am Grad durchlittener Schwierigkeiten bemessen, damit der Heiligenschein ggf. noch ein wenig heller strahlt. Manch einer mag versucht sein, hier ein wenig nachzuhelfen, wobei Standpunkte dann schon mal dem Sonnenstand angepasst werden – also plötzlich lange Schatten werfen – oder eben nicht! Legenden müssen – zumindest in der Aussendarstellung – stimmig sein, auch wenn in den Köpfen der Protagonisten ganz andere Wahrheiten schlummern oder lauern.

SALON NAUTIQUE DE PARIS
In Paris war alles anders. Nicht nur, weil am frühen Morgen ein wagemutiger Hochseilartist in 100 Meter Höhe seinen schwankenden Weg bei Seitenwind vom Eiffelturm zum Trocadero balancierte und damit den gesamten Verkehr ruinierte, will sagen: zum Erliegen brachte – sondern auch, weil am Porte de Versailles ca 44 Segler in zwei unterschiedlichen Versammlungen zusammen gekommen sind, die allesamt vom Solo Nonstop Segel Virus infiziert, sich auf die Reise ihres Lebens vorbereiten, darunter auch Wiederholungs Solo Nonstop Segler wie Jean Juc van den Heede, französisches Segler Monument, der bereits 5 Solo Reisen im Kielwasser, nun zur 6.ten Reise – dieses Mal im Slow Motion Modus – anzutreten plant.

Es galt also, Pressetermine in Les Sables und Paris zu absolvieren, Kurzportraits auf Video zu erstellen und sich einer staunenden Öffentlichkeit – sowie den weit geöffneten Kamera Linsen – zu präsentieren.

Die Gemengelage der Segler war höchst verschieden, der Kapitaleinsatz nochmals unterschiedlicher – und es wird reizvoll, die zwei Veranstaltungen ein wenig zu differenzieren, obgleich sie bereits im vorherigen Bericht grob umrissen worden sind:

https://windpilot.com/blog/blogs/gold-globe-race-2018/ggr-longueroute/

GOLDEN GLOBE ROUTE – GGR: eine Gruppe, die sich einer straff organisierten Veranstaltung angeschlossen hat, deren umfangreiches Regelwerk, samt finanzieller Strafen und Konsequenzen, zu befolgen, sie unterschrieben haben, um eine Zulassung zu erhalten, natürlich, nachdem sie das Startgeld entrichtet haben. Eine Veranstaltung, die ihnen im Gegenzug mediale Aufmerksamkeit – ggf. Berühmtheit – verspricht und ein Preisgeld in Aussicht stellt, vermutlich der Kick und Schlüssel zur Teilnahme für einige Segler. Ein vorzugsweise international gestreutes Teilnehmerfeld garantiert sodann beste weltweite Verbreitung, weshalb der Veranstalter sich hier und dort Ausnahmen vorbehält, um das Teilnehmerfeld zu runden bzw. besser zu streuen.

Als bestes Beispiel mag der Inder Abilash Tony gelten, der in seiner Heimat durch seine frühere Nonstop Weltumsegelung Berühmtheit erlangt hat. Abilash wird zur GGR mit einem Neubau einer SUAHELI Replica am Start erwartet, eine Attraktion, die der Veranstaltung besonderen Glanz verleiht, weil sie ganz augenfällig die Zeitspanne von 50 Jahren dokumentiert.

LA LONGUE ROUTE – LLR:eine Gruppe von Seglern, die – aus den unterschiedlichsten Gründen – einfach nur Nonstop um die Erde zu segeln planen, ganz im Sinne ihres grossen Vorbilds Bernard Moitessier, mit Schiffen und Ausrüstung, die nur wenigen Beschränkungen unterliegen.

Man hätte die GGR und LLR bis vor kurzem mit typical british oder eben französisch charakterisieren können. Seit dem Umzug der GGR nach Les Sables sind diese Merkmale ein wenig durcheinander geraten, weil beide Veranstaltungen nun in Frankreich organisiert werden. So wird ein Vergleich naheliegend, der interessante Rückschlüsse möglich macht.

Allen hier interessierten Teilnehmern gemeinsam: sie haben sich einer gewaltigen Herausforderung gestellt, für Segler vermutlich die grösste, der man sich stellen kann und es ist kein Wunder, dass hier Menschen zusammen kommen, deren seglerische Legende auch in der Vergangenheit ganz besondere Prägungen erfahren hat, unter ihnen manch Segel Legende. Die Portraits der Segler sind hier nachzulesen:

FRANKREICH FIRST
20 Skipper aus Frankreich, keine andere Zahl spiegelt besser, wie sehr die Grande Nation den Segelsport dominiert, mit 6 Skippern repräsentiert England die zweitgrösste Nation, gefolgt von 3 Skippern aus den USA sowie einer weltweiten Schar, bei der auch Deutschland von einem Skipper vertreten sein wird. In toto sind im GGR Segler aus 14 Nationen repräsentiert, wohingegen in der LLR nur 6 Nationen vertreten sind.

DIE BUDGETS
Die Teilnahmebedingung geben den Kurs vor, weil deren Erfüllung manch einen Skipper vor gewaltige Herausforderung stellt, insbesondere finanzieller Natur. Es gibt Stimmen, die das Budget zur Teilnahme an der GGR pro Skipper mit 200 – 300 TEU benennen, weil technische Konformität mit dem Regelwerk herzustellen ist, um die Zulassung zum Start zu erhalten. Nicht alle Segler können dies leisten, für etliche bedeutet es einen Flaschenhals von Verzicht im Vorfeld des Races, wobei ingesamt finanziell fast zwei Jahre ohne weiteres Einkommen zu überbrücken sein werden. Für Familienväter sicher eine Herausforderung, für im Leben situierte Männer ein attraktiver Zeitvertreib mit Zusatzbonus.

Jedenfalls scheinen Spenden- oder Sponsorenaufrufe zur Unterstützung der Segler bislang wenig Erfolg gebracht zu haben, wohingegen Sachleistungen überall erfolgreich und willkommen sind, wie in den Websites nachzulesen ist.

In der LLR gibt es keine Rahmenbedingungen, die den Seglern Kosten aufzwingen, weil ein jeder für seine Planungen selbst die Verantwortung zu übernehmen hat.

VERANTWORTLICHKEITEN
Vielleicht sollte man die Verantwortlichkeit eines Veranstalters hier als Maßstab nehmen, um Rückschlüsse auf die Budgets zu ziehen. Wenn kein Veranstalter vorhanden ist, kann er nicht zur Verantwortung gezogen werden. Und genau hier scheiden sich offenbar die Geister.

Der Entschluss des französischen Seglerverbandes FFV, einen Start der GGR in Les Sables infrage zu stellen, weist exakt in diese Richtung, denn er kritisiert die mangelnde Sicherheitsausrüstung der Nonstop Segler, weil ihnen modernste Kommunikationsmittel hier bewusst vorenthalten werden. Vermutlich wurde diese Entscheidung – die Segler unterwegs sozial zu isolieren – vom Veranstalter getroffen, um aus dieser Maßname Einkommen z.B. durch footage, zu erzielen. Die Zeit wird zeigen, ob diese rigide Vorgabe bestehen bleiben wird, oder ob den Seglern soziale Interaktion z.B. mit den Familien zuhause, erlaubt werden wird, wenngleich auch erst als Nebeneffekt vergrößerter Sicherheit, um den Veranstalter von Verantwortlichkeit zu entlasten und die finale Zusage der FFV zu erhalten.

DIE ZAHLMEISTER
Offenbar wurden allseits Denkfehler gemacht, wie der mehrfache Wechsel des Starthafens augenfällig beweisen mag. Ich kann mir vorstellen, dass der Initiator der Idee zur GGR 2018, Don McIntyre, sich einen Zulauf großer Sponsoren Marken erhofft haben mag, in deren finanziellem Windschatten er sich ganz der komplexen Durchführung dieser Veranstaltung hätte widmen können, einer Aufgabe, in der er enorm erfahren ist, wie die präzisen Teilnahme Bedingungen belegen mögen.

Die Lektüre „seiner Begründung“ – dem WHY? – ist aufschlussreich und mag belegen, dass der Veranstalter nun „das Beste“ aus der vorhandenen Situation machen wird, indem er sich voll und ganz auf die Durchführung konzentriert, und das Rückgrat der Veranstaltung – die Finanzierung – nun durch sein eigenes Unternehmen McIntyre Adventure sicherstellt.

DIE HEUTIGE RASERITIS
Sind wir heute überreizt? Sind wir nur noch mit Superlativen zu fesseln? Ich bin davon überzeugt, nicht nur, weil ich in einem Marktbereich arbeite, der Langsamsegler favorisiert und bedient. Segler, die vom Blauwassersegeln und Reisen träumen sind gemeinhin von den Flug fähigen Leichtgewichten heutiger Bootsbaukunst kaum zu begeistern.

In einer Zeit, in der die Rekorde einander überholend purzeln, in der eine Weltumseglung in Maxibooten von Singlehandern nun in 6 Wochen Realität geworden ist, in der Schiffe unter Zuhilfenahme gigantischer Etats von Gross Konzernen konstruiert und bezahlt werden, deren Investitionen kleinzellig auf die Bevölkerung – also Kunden – umgelegt werden können, warten oder lauern ganze Nationen als „Klick-Vieh“ an den Endgeräten auf Augen Futter, um am Ende die Rechnung für den Investor aufgehen zu lassen. Ein gelungenes Beispiel, wie man „Klick Vieh“ ausserhalb einer Zielgruppe erreichen kann, ganz ähnlich wie im Formel Eins Zirkus, wo auch der Trabbi Fahrer mitfiebern und mitreden kann und am Ende latent die intravenöse Botschaft erhält, wo er sich zukünftig zu versichern habe.

In der heutigen Zeit ist denkbar, dass die GGR einen schweren Stand haben könnte, weil die Dramaturgie eines Spannungsbogens schwerlich über ca 300 Tage zu halten sein wird und auch Presseverlautbarungen einer stets hungrigen nationalen Presse ihrer Leserschaft kaum über die täglichen kleinen Schritte einer im Schneckentempo segelnden Flotte wird informieren wollen, weil etwaige Sensationen über einen zu langen Zeitraum verteilt werden werden.

HECKVERZIERUNGEN
Ohne hier einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sei hier eine Liste der zur GGR derzeit gemeldeten Schiffe benannt, samt der hier zum Einsatz kommenden Steuersklaven.

ARIES

Mark John Sinclair 59 AU
SV Coconut
Lello 34
WEBSITE

Mark Slats 40 NED
SV Maverick
Rustler 36
WEBSITE

BEAUFORT

Nabil W Amra 42 Palestine
SV Lel May
Biscay 36
WEBSITE

Francesco Cappelletti 39 ITA
SV Momo
Endurance 35 ?
WEBSITE

HYDROVANE

Jean-Luc van den Heede 70 FR
SV Matmut
Rustler 36
WEBSITE

Gregor McGuckin IRE 31
SV Gary Luck
Biscay 36
WEBSITE

Kevin Farebrother 48 AU
SV Silver Heels
Tradewind 35 ex DON?
WEBSITE

Loic Lepage 61 FR
SV Laaland
Nicholson 32
WEBSITE

SEA FEATHER + HYDROVANE

Ertan Beskardes 56 UK
SV Lazy Otter
Rustler 36
WEBSITE

MONITOR

Uku Randmaa 54 Estonia
SV Maibi
Rustler 36
WEBSITE

Philippe Péché 56 FR
SV Grégal
Rustler 36
WEBSITE

Are Wig 58 NOR
SV Oleanna
OE 32
WEBSITE

Susie Bundegaard Goodall 28 UK
SV Ariadne
Rustler 36
WEBSITE

WINDPILOT

Abilash Thomy, 38 IND
SV Thuriya,
Suaheli / Eric Replica
WEBSITE

Istvan Kopar, 62, US
SV Puffin
Tradewind 35
WEBSITE

Antoine Cousot 44 FR
SV Goldstar
Biscay 36
WEBSITE

Igor Zaretskiy 66 RU
SV The Grand
Endurance 35
WEBSITE

Tapio Lehtinen 59 FIN
SV Asteria
Benello Gaia 36

Eine Antwort zu Januar 2018

  1. interested in cruising and racing around the globe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert