EIN HAFENSPAZIERGANG MIT SCHWEIZER KONSEQUENZEN
Zwei Schiffe mit meiner Heckverzierung Seite and Seite an der Hafenmeile in Kappeln? Entschuldigung, aber da bekomme ich Gänsehaut, da versagen meine Beine, da kann ich nicht weiter laufen! SV Eolos Dos, eine Delphia 47 mit Dreifachsalingpalme, in meinem Kopf tönte ein zartes Klingeln. Hatte nicht Michael Flatau dort eine Windpilot montiert? Ein schneller Blick, die Stirn in Falten, sollte ich oder sollte ich nicht? Da war der Satz schon raus. Minuten später wurde Werkzeug rausgekramt und ich fand mich bei der Arbeit, wie ich sie tausendfach gemacht: System ausrichten, Leinenübertragung korrigieren, unter den wohlwollenden Augen eines Eigners, dem die Erleichterung auf der Stirn geschrieben stand. Denn es sollte auf die grausame See gehen mit Kurs Süd, sogar ein Profiskipper war angeheuert.
Wir hatten Zaungäste auf dem Nebenschiff. Jürg Stalder und Edith von Burg, beide unter schweizer Flagge, beide mit jener geheimnisvollen Sprache aus den Bergen ausgestattet, Skipper und sien Fru´ der SV Böle Bonken hatten mich erkannt, sodann meine Frau zu sich an Bord gelockt, ihr eine Hans Albers Mütze auf den Kopf gestülpt und sie an´s Rad gesetzt, geknipst. Donnerwetter, so habe ich meine Frau noch nie gesehen, schiffig wie eine hamburger Hafen-Barkassen-Kapitänöse, allerdings ohne Mikro zur Touristenbeschallung. Schick!
Nun, wir waren eigentlich nur Brötchen holen, und sassen jetzt im Hafenrevier gefangen, hatten Verlangen nach Frühstück, unser englischer Gast Oliver, mein Weib und ich. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Ich habe also zunächst am Heck der Böle Bonken meinen Job erledigt, sogar ohne dabei ins Wasser zu fallen, derweil Marzena, von Schweizern liebevoll umzingelt, einander näher gekommen sind, trotz Berner-Oberland-Akzent. Eine bezaubernde Sprache, bei der Hast und Eile subito zum Erliegen kommt, gleichwohl ohne einzuschlafen. Herzallerliebst!
Wir haben uns sodann zielsicher für den Abend verabredet, denn wir waren neugierig aufeinander, wollten uns über die Folgen freuen, sie darum begiessen. Kurz, es wurde ein famoser Abend, den ich nur in Stichworten umreissen kann, weil es so viel zu besprechen gab:
Ein Schiff namens Böle Bonken, ein Name der nicht nur bei schweizer Seglern Fragezeichen hinterlässt, weshalb an Bord ein neuer Namen im Raume stand, mit dem man sich dann besser hätte anfreunden können. Nun, zwei Tage in Kappeln lösten das Problem. Immer wieder nämlich blieben Leute vor dem charaktervollen Schiff mit der senffarbenen Schanz stehen, hoben die Stimme und riefen: Kuck mal die Böle Bonken! Es war dann nur noch ein kurzer Schlenker zum Ursprung dieses Namens, der in Amrum bis heute seine Bedeutung nicht verloren hat: Böle Bonken war ein gestrenger Lehrer sowie Gehilfe des Küsters Mitte des 19ten Jahrhunderts, dessen kompromisslose Erziehungsmethoden bis ins Heute strahlen. Damit wurde ein Namenswechsel in Kappeln beerdigt, Amen!
Die Geschichte von Edith und Jürg drängte zum Licht, wir mussten keine Folter anwenden, um eine wunderschöne Paarwerdung zweier ausgeprägter Individualisten zu erfahren. Zwei Menschen, mit zunächst zwei Schiffen, die sich entschlossen hatten, ein drittes Schiff zu kaufen, um darauf fortan gemeinsam zu leben, zu reisen und Lebenszeit zu verbringen. Warum sollten die Träume von Menschen aus den Bergen sich von unseren Flachlandindianern Träumen unterscheiden? Ein Blick in den Flottenbestand des Cruising Clubs der Schweiz CCS mag genügen, um zu erkennen, welch geballtes Interesse dort am Segelsport zuhause ist… nicht zu vergessen ein geballtes Investitionsvolumen für einen Schiffsfuhrpark, der in Deutschland seines gleichen sucht, gleichwohl nicht zu finden ist.
Eine rasante Querfeldeinfahrt vom REFLEX Ofen über Hydrauliksteuerung, vom Einparken quer zum Strom, von kernigen Manövern von zarter Damenhand ganz ohne Rammen, den Freuden eines Segelreviers, das seines Gleichen sucht und von 5 Menschen in trauter Runde, die sich auf der Stelle gegenseitig in die Seelen hineingeschlüpft sind. Das hat famos geklappt. Der Versand von schicken Fötilies allerdings wurde um einen Tag verschoben, weil für schweizer Bundesbürger der Erwerb deutscher Sim Cards von Staats wegen vermutlich mit einem offiziellen Riegel versehen ist, was wir erstaunt zu lernen hatten. Kollateral habe ich dabei eine neue Vokabel lernen können: was wir international als Fotos kennen, wird im Berner Oberland mit FÖTILIES apostrophiert. Herzallerliebst.
Epilog: Die Noordkaper 40 erscheint in einem Hafen voller GFK Designerware wie ein Alien von eine fremden Galaxie, ist sie doch ein von Martin Bekebrede erst in der Neuzeit entworfene Interpretation eines soliden Blauwasserschiffs für wirklich jede Segelregion: Langkieler mit Doppelausrüstung bis zum Dach: Steuer, Heizung, Kammern, Toiletten, Anker, Segel sowieso … ach ja und mindestens 5 Steuerleuten! Hier die Auflösung des Rätsels: Skipperin und ihr Kerl, Unterdeck AP, Windpilot sowie Mickey Mouse AP, jener plietschen Symbiose zwischen den Systemen, die es am besten kann und zeitgleich wenig Strom verbraucht.
Freundschaften am Wegesrand sammeln, das hält jung, und macht den Spass, den kein Fernsehprogramm zu bieten hat, eine Binse. Habe die Ehre!
Kurzbericht am Montagmorgen 05.09.2022
Peter Foerthmann