Thomas Rettenmund

EINMAL AZOREN – EINFACH BITTE!
Ja, das war/ist mein Wunsch und Ziel. 

Einfach? 

Im doppelten Sinn gemeint. Einerseits ohne ‚Rückfahrt-Ticket‘, anderseits bitte ohne Pro­bleme! Nun dazu später mehr, erstmals Zug um Zug, vom Anfang an.


Die Azoren; was wissen wir Kontinental-Europäer denn davon? Eigentlich nicht viel, aus­ser, dass in den Wetterprognosen immer vom Azoren-Hoch oder -Tiefs berichtet wird. Dass es eine Insel-Grup­pe, beinahe in der Mitte des Nordatlantiks ist, mag bereits schon für viele der ausschliessliche Infor­mationsstand sein. – Für mich, bis vor Kurzen, war es auch nicht anders.

 Ein alter Segler-Kumpel mit Name Michael machte mich auf diese Inselgruppe aufmerk­sam. Er ist von Düsseldorf hierher gezogen und lebt seit 8 Jahren, quietsch-fidel hier. 

Also begann ich zu recherchieren, vorzüglich natürlich in Youtube. Da präsentierte sich mir ein Fundus von Impressionen und ich begann zu begreifen, dass dies ein ganz beson­derer Flecken, vul­kanischen Ursprungs, auf dieser Erde ist. 

So reifte zügig in mir der Wunsch hier eine längere Zeit zu verbringen. Als Live-a-Board mit mei­nem Schiff. Privaten Ereignisse und Visionen ermöglichten dies, so entwickelte sich mehr und mehr dieser Plan.


Eigentlich wollte ich diese Reise von gut 1800 Meilen alleine bestreiten. Aber Sascha, mein Sohn, der mir bei den Vorbereitungen tatkräftig und sehr kompetent zu Hilfe kam, meinte, dass ich das nicht alleine riskieren sollte und er mitfahren würde. Natürlich eine tolle Überraschung und sie sollte sich später als sehr gute, wertvolle Entscheidung her­aus stellen. 

Also der Reihe nach:


Am 18.7.22 verliessen wir meinen Aufenthaltsort Zwartsluis in den Niederlanden, wo ich ca. 8 Jahre gelebt und mich gut integriert hatte; Ziel Azoren. 

Schon kurz nach dem Ablegen stellte sich heraus, dass die Reffleine 2 (zur Reduktion der Segelflä­che) um ca. 4 m zu kurz installiert wurde (hätte ich vorher kontrollieren sollen). Also Zwischenhalt in Enkhuizen um eine längere Leine zu beschaffen.

 Die Wetterprognosen waren durchwachsen. Alle Quellen meldeten mässigen Wind und teil­weise wechselnd und aus ‚der falschen Richtung‘. Trotzdem waren wir zuversichtlich, dass Aiolos sich doch uns noch günstig gesinnt bekennen könnte.
 Übers Ijsselmeer nach Norden um in Del Helder in die Nordsee zu fahren war die Strate­gie. Gut ge­wählt. Nur ohne Wind! – Also mussten wir unter Motor fahren. Diesel hatten wir genug und mit einer Reichweite von 800 Meilen genügend Streckenreserven. 

Na ja…. der Wind wollte und wollte sich nicht bequemen. Arschflach lag die Nordsee vor dem Bug. Erster Zwischenhalt war Calais. Nach ca. 30 Stunden erreichten wird diesen Hafen auch, mitten in der Nacht. Ein tückische Einfahrt zum Jachthafen wurde durch eine Drehbrücke gewährt. Via Funk meldete Port-Control, dass diese genau 03:08 h gedreht würde. Hallo? In Frankreich eine solche Zeitangabe, wo doch mal eine Viertelstunde zu früh oder zu spät Kultur ist! Wir machten im Dunkel an einer kleinen Boje fest und war­teten ab. Genau zur Zeit (!) öffnete sich die Brücke und wir fan­den einen guten Liegeplatz. 
Etwas kochen, schlafen und uns für 2 bis 3 Tage Aufenthalt vorbereiten war die Devise.

 Calais ist eine sehr schöne Stadt. Natürlich der Ausgangshafen für den intensiven Fäh­rverkehr nach Dover. – Endlich mal wieder feine Baguettes, französische Käse, gute Weine und – für die Bordapotheke – eine Flasche edlen Calvados waren schnell gefunden. Ge­nuss pur.


Nächster Zwischenhalt war Cherbourg. Wiederum ausschliesslich unter Motor. Wind wurde zum Fremd­wort. Die Nachtfahrten waren aber auch toll, nur dass der Motorlärm und die Arbeit des Autopiloten eine störende Geräuschkulisse bildeten. Traumhafte Sternenhimmel, kei­ne einzige störende Lich­timmission und Sonnenunter- und -aufgänge wie aus dem Bil­derbuch. Für mich, wie Sascha war es die erste Durchfahrt durch den Ärmelkanal und anfänglich hatte ich grossen Respekt davor. Intensi­ver Cargo-, Fähren- und Fischer­verkehr wurden immer wieder erwähnt. Starke Strömungen, aus alle paar Stunden wech­selnder Richtung, sollten uns Mühe beim vorwärts kommen bereiten. Ja, das stimmte, aber der starke Motor liess sich davon nicht gross beeindrucken. Er surrte, knurrte und schluckte stündlich seine 2,3 Liter Saft. Von NL bis Cherbourg motorten wir insgesamt rund 100 Stun­den. Zwischen durch konnten wir mit max. 8 – 10 Knoten Wind auch mal ein paar Stunden se­geln, aber kaum hatten wir uns darauf gefreut, ging der Wind auch wie­der schlafen. Mühsam, denn durch die fehlende Stabilisierungswirkung der Segel rollte das Schiff in der Dünung hin und her. Kochen? Ja klar, aber einfach war das nicht und wir entwickelten langsam akrobatische Fähigkei­ten, um trotzdem täglich ein volles Menü auf den schwankenden Tisch zu kriegen. 

Die Ankunft in Cherbourg erfolgte Abends rund 18 h dann lag das Schiff still. Diese Stadt sollte der Ausgangspunkt für die direkte Ansteuerung der Azoren sein. Die Planung er­gab, dass wir ca. 1200 Meilen vor uns hatten. In einem weiten Bogen, zuerst westlich der “be­rüchtigten Biskaya” und dem dich­ten Schiffsverkehr dort ausweichend, wollten wir dann nach ca. 200 Meilen West den direkten Kurs von 245 Grad ansteuern.

 Anfänglich schwach und dann später immer stärker gesellte sich nun auch der Wind dazu. Teilweise mussten wir Gross-Segel wie auch die Genua 1 und Besan bis auf die Hälfte reffen. Windspitzen über teilweise 28-30+ Knoten bescherten uns eine Rauschfahrt und Carmina zeigte uns, was in ihr steckt. Hochsee-Segeln wie man es sich wünscht, einfach herrlich. Unter klarem Sternenhimmel, beleuchtet durch einen zunehmenden Mond, glitzerte, zischte und schäumte das verdrängte Wasser am Boot vorbei. Fluores­zierendes Plankton glitzerte grün, wie Leuchtkäferchen. Einmalige Stimmungen und der Wachhaben­de konnte sich daran kaum sattsehen.

Wie schon Tausende Blauwasser-Segler vor uns berichteten, bo­ten auch uns die Clowns der Meere ein eindrückliches Gastspiel. Delfine! Sie spielten mit der Carmina, legten sich übermütig zur Seite und beobachteten uns sicher ganz genau. Sie be­gleiteten uns längere Zeit. Unglaublich schöne und elegante Tiere und nicht zu verglei­chen mit den armen Gesel­len in den Aquarien. 
Carmina (Contest 38s Ketch) ist ein sehr schnelles, komfortabel segelndes Schiff, was uns ein grosses Ver­trauen in ihre Fähigkeiten aufkommen liess. – Was ich bei der Wahl dieses Schiffes er­wartete, wurde mehr als nur positiv bestätigt. Einige ärgerliche technische Fehlleis­tungen der Ausrüster mal weg gesehen. Am 4. Tag, mitten in der Nacht ging der Wind wieder schlafen. Wie auf Knopfdruck! Und wir befanden uns ca. 200 Meilen genau westlich der spani­schen Küstenecke von Galizien. Also Motor an und wir dachten, dass wir dieses Flautenloch vielleicht in einem Tag unter Maschi­nenkraft überbrücken könnten, so wie es die Wetterprognosen andeuteten. Hätte, wäre etc. – Aber diesmal schlug uns unser treuer Begleiter Murphy die Planung brutal zusammen. Der Motor stellte sich ur­plötzlich einfach ab. 
Schon vor der Abreise hatten wir alles minutiös kontrolliert. Ein Mechaniker wechselte noch vor der Abfahrt kritische Teile aus, neue Diesel- und Ölfilter installiert und den Tank hatte ich 10 Mona­te vorher noch gereinigt und auch visuell kontrolliert, damit ja kein Schmutz und uns behinderlich sein konnte. Alles gemacht…. und trotzdem keine Maschi­nenkraft. 

Das Schiff rollte in der starken Dünung hin und her… 15 Grad auf jede Seite und dies im 3-4 Sekun­den-Takt. – Trotzdem mussten wir die Störung herausfinden. Maschinenraum auf, Stirnlampe an und dann begann die Arbeit. Sehr mühsam. Mit einer Hand musste man sich abstützen, festhalten und die andere war für das Arbeiten verfügbar. Wir kontrol­lierten alle 3 Dieselfilter, keine sichtbare Verschmutzung! Trotzdem wechselten wir diese aus. Schwerstarbeit! Das ganze System entlüften und dann wieder einen Startversuch. Nichts, keine Chance, der Motor wollte einfach nicht. Der Die­seltank war proppenvoll, also auch da kein Hinweis.
Nach vielen Stunden gaben wir auf. Hier auf der Hochsee liess sich die Ursache nicht fin­den.
Glücklicherweise stellte sich dann ein paar Stunden der Wind wieder ein. Aus der genau richtigen Richtung und wir entschieden A Coruna, am spanischen Festland, anzulaufen. Ziemlich genau Ost­kurs und ca. 200 Meilen. Also rund 2 Nächte und Tage lagen vor uns. Carmina rauschte unter Vollzeug voran. Sascha und ich waren hundemüde, zahlreiche Flecken an Hüften, Armen, Oberschenkel und ein kleine Schramme am Kopf mussten vergessen bleiben. Vorwärts kommen war die Devise.


Unterdessen hörte ich am späten Nachmittag am Funk eine ‚Mayday-Meldung‘ von einem anderen Segelschiff, welches in echter Not war. Es lief mir kalt den Rücken runter. Die­ses Schiff befand sich keine 15 Meilen voraus von uns entfernt. Schon bald erschien ein Heli­kopter am Himmel und über Funk hörte ich, dass die Rettungsaktion anlief und der See­not-Kreuzer in ein paar Stunden am Ort sei. Wir reduzieten sofort die Fahrt, um allenfalls Hilfe anbieten zu können. Bei an­brechendem Tageslicht konnten wir die Hava­risten mit dem Fernglas sehen. Erneut kam der Heli und die 2 köpfige Be­satzung wurde mit der Seilwinde abgeborgen. Ein kleineres SARS Hilfsboot nahm die Yacht in Schlepp und die­ser Konvoi machte sich ebenfalls auf den Weg nach A Coruna. Beeindruckt von dieser professionellen Leistung der Spanier folgten wir unserem Kurs, glück­lich, dass wir nur eine Motorhavarie hatten und uns nicht in echter Gefahr befanden. Aber nach­denklich macht das schon.

 Am späten Mittag meldeten wir unsere Ankunft über Funk und erfragten allfällige Assis­tenz beim Anlegen, natürlich unter Segeln, wir hatten ja keinen funktionierenden Motor. Die Einfahrt stellte sich als eng und etwas kritisch dar, aber der Wind kam aus der guten Richtung und liess deutlich nach. Was Schiffsbeherr­schung bedeutete, konnten Sascha und ich nun unter Beweis stellen. Dann ist Koordinati­on, intuitives und richtiges Handeln gefragt, denn bei einem Fehler kriegt man keine 2 Chance. Es gelang perfekt, der Hafenmitar­beiter war beein­druckt und konnte nur noch die Leine annehmen und direkt vor seinen Füssen festmachen. Gut gemacht Crew! 

Trotz extremem Schlafmangel, geschundenen Muskeln kochte ich noch ein volles Menü, denn beina­he 3 Tage lang konnten wir nicht richtig essen. Zuerst aber noch einen kräftigen Schluck aus der Whisky Flasche zur Entspannung und Belohnung. Duschen, die salzge­tränkte Kleidung wechseln und ab in die Koje. Noch im Schlaf rollten wir hin und her, ob­wohl das Schiff total ruhig im siche­ren Hafen festgemacht war. Das Gleichgewichtsorgan stellt sich eben etwas langsamer wieder auf normale Bewegungen ein.

Der Hafen in A Coruna ‚Marina Royal‘ ist absolut top. Vom Personal über die Sanitärräume, die Stege, alles vom Feinsten. Die administrative Abwicklung war leicht gemacht und freundlichste Unterstüt­zung wurde uns beinahe aufgedrängt. Am dritten Tag kam der Me­chaniker an Bord. Nach einer halb­en Stunde war die Ursache gefunden und der Motor schnurrte wieder wie gewohnt. Am An­saugrohr direkt oberhalb des Tanks, im Winkelstück (siehe Bild) befand sich eine Verstop­fung, schwarzer Schlick, wie ein aufgelöster Kau­gummi, verschloss die Diesel­zufuhr. Ok, wiederum Teflon-Reste wie schon gehabt? Arbeitsweise ei­nes früheren Ein­griffs durch einen “sog. Schrauber” der nicht weiss, dass simples Teflon und Diesel sich niemals ver­tragen? Selbst vulkanisierende Gummibänder lösen sich im Diesel zu einer klebri­gen Masse auf. 

Also warteten wir nun das geeignete Wetterfenster ab, für die 890 Meilen Diretissima. 

Um 11 h am 26.7. 2022 liefen wir unter besten Prognosen aus. Wir rechneten mit 6 Nächten und rund 7 Tage. Und tatsächlich schon der Start verlief wie gewünscht. Die lange Aus­fahrt aus der Bucht noch unter Motor, der zuverlässig unten schnurrte, kamen wir mehr und mehr voran und der Wind stellte sich ein. Zuerst mässig, dann immer regelmässiger und mit gewünschten 15 Knoten. 
Ein angekündigtes Starkwindfeld, von ca. 400 Meilen Breite, lief entlang der spanisch, portugiesischen Küste und dem wollten wir ausweichen, weil Wellen bis zu 6 Meter angekündigt waren. Also zurück zum Wendepunkt, wo wir Tage zuvor schon mal waren. Aber ca. 2 Tage lang er­hielten wir doch eine richtige Ge­schmacksprobe vom angekündigten Starkwind. Wellenberge um 4-5 Meter rollten quer achterlich heran. Immer im letzten und richtigen Moment hob Carmina ihren Hintern an und unter starkem Rauschen und Spritzen surften wir die Wellentäler runter. Einfach herrlich, einfach geil, wie Sascha meinte. Und unsere neue Windpilot Pacific hielt die Carmina perfekt auf Kurs, auch wenn wir die Rumpfgeschwindigkeit öfters mal kräftig überschritten hatten.

 Nach dem dritten Tag draussen mässigte sich der Wind und wir erlebten herrlich Segel­tage und -nächte, weit draussen auf dem Nordatlantik. Über uns ein Sternenhimmel in voller Pracht, die gros­sen Masten in den Himmel ragend, die weissen Sebeln bildeten ei­nen herrlichen Kontrast. Stern­schnuppen jagten, eine wie die andere, über den dunklen Himmel und um dem ganzen noch eine besondere Note zu geben ging der Mond im Osten, ständig zunehmen, auf. Wie ist diese, von menschlichen Einflüssen ungestörte Natur ein­fach überwältigend schön. Und wie klein sind wir überheblichen, oft eingebildeten Men­schen eigentlich. – Im Maritimen Museum in Cherbourg lern­ten wir, dass sich in einem einzigen Kubik Meter Meerwasser mehr organische Lebewesen befindet als die Mensch­heit aktuell auf dieser Erde zählt! Und was wissen wir eigentlich über das Leben im Meer, dass unter unserem Schiffsboden 4-6000 Meter tief war? Nichts… absolut Nichts!

Am Morgen nach der 6. Nachtwache guckte ich routinemässig aus der Lucke um zu kon­trollieren ob uns Fischerboote und -netze in die Quere kommen könnten. Denn auf Grund der perfekten Navi­gation von Sascha wusste ich, dass wir nur noch ca. 15 Meilen vor San Miguel, der ersten Insel in der Azorengruppe lagen und die unser Ziel war. Plötzlich schimmerte eine fade Lichterkette am Ho­rizont auf. Land? Runter an den Navigations­tisch um in der Karte zu prüfen, ob das wirklich die ersten Landzeichen waren. Ja… Land in Sicht! 
Überwältigt von diesem Gefühl liess ich Sascha noch etwas schlafen und genoss einmal erst, ganz egoistisch, diesen Moment.
Ein tiefempfundenes Glücksgefühl schnürte mir et­was die Kehle zu. Immer wieder Magisch. Es tauchte, wie gezaubert, einfach eine vulkan­ische In­sel-Gruppe aus dem Nichts auf, mit­ten im Nordatlantik!

Etwa später weckte ich Sascha und er wankte schlaftrunken an Deck und realisierte mehr und mehr, was da vor unserem Bug lag. ‚Give my five‘ Sascha, tolle Seemannschaft, tolles Teamwork und das auch unter schwierigen Bedingungen, ohne jemals schlechte Stimmung. So muss es sein. Auch wenn es für den Papa nicht immer einfach war, dass Sascha eben nicht mehr das ‚Kind‘ war, sondern eine selbst denkende und handelnde Persönlichkeit. Und er hat seine Fähigkeiten in allen Diszipli­nen einer Hochseefahrt bes­tens unter Beweis gestellt, obwohl es für ihn die erste derartige Reise war.

Dann, keine 10 Meilen vor dem Ziel wollte uns Murphy nochmals in die Klauen nehmen. So ein­fach wollte er uns nicht davon kommen lassen. Er stellte erst mal einfach den Wind wieder ab. In­nert Minuten; Knopf auf Aus! Wir versuchten aus den letzten Hauch’s von Wind noch etwas Höhe zu gewinnen. Chancenlos und die kräftige Strömung trieb uns wieder rückwärts Richtung Festland. NEIN, dorthin wollten wir nun definitiv nicht! 

Also Motor an um die letzten Stunden noch zu schaffen und um vor Dunkelheit den si­cheren Ha­fen in Ponta Delgada zu erreichen.

Denkste! – Murphy hatte noch EINEN auf Reserve, nämlich wieder dieselbe Story, keine Dieselzu­fuhr.

 Herrgott nochmal. Was soll das?

 Ich hatte inzwischen Handykontakt mit dem Festland und mein alter Kumpel Michael be­ratschlagte mit uns die Möglichkeiten. Erstmals den Hafen Ponta Delgado vergessen. Auf halber Strecke be­fand sich ein kleinerer, nämlich ‚Porto Vila Franca do Campo‘. Aber es war bereits stockdunkel, ohne Wind, so mussten wir irgendwie den Motor wieder zum Laufen bringen.
Michael hatte die goldene Idee (fast gleichzeitig mit Sascha und mir), dass wir versuchen sollten den Diesel aus einen Kanister und nicht mehr aus dem Haupttank zu ziehen. Gut gesagt, aber das war gar nicht so einfach. Wie von guten Geistern empfohlen hat­te ich noch ein 150 cm langer, neuer Dieselschlauch in Reserve. Sa­scha bastelt inzwi­schen im Motorraum ein Provisorium mit einem 6 Liter Kanister. Diesmal lag das Schiff wenigstens relativ ruhig im Wasser und nach einer guten Stunde, die ersten Startversu­che, nochmals alle Leitungen und Einspritzdüsen entlüften und… siehe da, der Kerl schnurrte wieder vertraut und zuverlässig. Also, nichts wie los und die letzten 10 Meilen, respektive knappe 2 Stunden direkt auf den Hafen Vila Franca do Campo zu.
Die Einfahrt war echt schmal, mit sehr starker Strömung gegen und, durch die Gezeiten, wir hätten diese Einfahrt unter Segeln und im Dunkeln nie geschafft. Und dann nach einem 90 Grad Schwen­ker nach Steuerbord fanden wir einen Ponton, an dem wir längsseits anlegen konnten. Durch unsere Geräusche erwachte ein anderer Skipper aus dem mitternächtlichen Schlaf und stand zum Empfang der Leinen bereits da. Super! 01:15 Uhr Leinen fest.

 Wir hatten nicht nur Murphy geschlagen und uns von ihm nicht unterkriegen lassen. Wir haben auch sehr viel erfahren. Wir haben viel gelernt, über uns selbst, über Zielstrebig­keit, Biss- und Durchhaltevermögen und dass es immer für jedes Problem eine Lösung gibt. Und natürlich, dass gute Seemannschaft ein totales Zusammenspiel einer Crew aus­macht. Das funktioniert aber nur, wenn auch etwa gleicher Wissensstand und physische, wie mentale Energie von Beiden zur Seite steht.

PS: Wir gebrauchen das Wort ‚Erfahrungen‘ so oft, ohne die hintergründige Bedeutung zu erfragen. – Es kommt von „ER-Fahren“ und von „ ist mir Widerfahren“ das ergibt in der Summe Erfahrungen. Wahrhaftig, so ist es.
PS: 
Inzwischen wurde der Dieseltank total revidiert.
Die standardmässigen billigen An­schlüsse mit 1/8 Zoll Rundbogenfittinge, gleich im Doppel, ersetzt. Ein Ansaugrohr geht bis knapp über den Tankboden, das andere endet bei ca. 25 % Füllstand. Im Motorraum sind Umschalthähne installiert, sodass ich etwas sicherer versorgt bin. Ein Tagstank wäre natürlich das Optimum, aber woher bekommt man diesen ?
260 Liter Volumen, neu jetzt auch mit einer anständigen Inspektionslucke, welche ich mit allen Anschlüssen simpel entfernen kann. Hier erledigte dieser Umbau ein feiner Mecha­niker für 400 EUR bar auf die Hand. Und diese stinkbilligen Anschlüsse sind hauptsächlich mitverantwortlich, dass exakt hier Verstopfungen entstehen. Alle sind entfernt worden und durch einiges grösseren Rundbogenfittinge ersetzt.

Thomas Rettenmund onboard
SV Carmina / Azoren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert