BALD IN ST.KILDA? – DAS KÖNNTE KLAPPEN!
Die Vertue LUANA sollte mein letztes Schiff sein. Das hat geklappt, aber anders als gedacht, denn ich habe sie verkauft, bevor ich sie selbst gesegelt habe. Dumm gelaufen, die Geschichte hat ihre Geschichte.
Mein Schiffsleben war wechselhaft, in meinen frühen Jahren ( 1960 – 1974 ) war ich flatterhaft, weil die Halbwertzeit von Schiffen schon mal nach 4 Wochen zu Ende gegangen ist, je nach Gemütslage und / oder auch Kassenstand habe ich manch eines meiner Schiffe auch schon mal länger besessen, jedenfalls, wenn ich marode Holzschaluppen wieder in einen fliegenden Schwan zu verwandeln hatte. Mein Ehrgeiz war die Peitsche! Ich wollte weiter, größer, bequemer sowieso und vor allem „mit Dach“ segeln, weil man damit auch beim gegnerischen Geschlecht landen konnte. Jedenfalls war ich hibbelig nach Abenteuern und hungrig nach dem Stoff, mit dem man Träume kaufen konnte, z.B. den Schwan aller Schwäne … den ich – welch Schicksalsschlag, mancher mag dies irrig Zufall nennen! – sodann gegen eine einfache Idee eintauschen konnte: Windpilot, obgleich damals nur ein Haufen öliger Weltkrieg II Maschinen in einem Pferdestall, mit denen man Edelstahlgestänge herstellen und verkaufen konnte. Das erschien mir damals als der Blitz am Himmel, den ich einfach nur fiebrig subito besitzen wollte. Zwei Stunden Probeschlag mit der SV Lilofee links um den Kieler Feuerturm herum, ein Handschlag, sodann der Tausch von Schiffs- gegen Pferdestallschlüssel in der Waldstadt Mölln, ganz dicht an der „Zonengrenze“ … damals der tatsächliche Arsch der Welt.
Die Geschichte lese ich gern wieder und wieder, denn ich kann´s alles manchmal selbst immer noch gar nicht fassen, obwohl ich vermutlich bald wieder in Windeln laufe. Aber das geschriebene Wort erinnert mich dann unerbittlich, wie verrückt ich damals gewesen sein muss, so jedenfalls hat es meine erste Frau Ehegattin auf den Punkt gebracht, vermutlich der Grund, warum jene Verbindung dann bald in die Hose ging, wenn auch ein paar Jahre zeitverzögert. Jede Logik hat ihre Logik! Und Zeit war schon damals knapp, weshalb ich stets und ständig unter Dampf gestanden habe … was sich bis heute nicht verbessert hat. Denn meine Ungeduld treibt mich täglich.
Immerhin wurde ich schon früh in Bezug auf Schiffe geprägt, die mir bald, wie Perlen an einer Kette hinterher gelaufen sind: Schiffe mit never ending langem Kiel, mein erstes Dickschiff SV Lümmel hatte zwei Peiner Träger unter dem Totholz angeschraubt, wollte partout nicht um die Ecke fahren, das Vorsegel mußte stets erst back gehalten werden, damit die Nase in Zeitlupe auf den anderen Bug gewuchtet wurde. Allerdings sollte man bedenken, dass Baumwollsegel mit Spakflecken damals schwer wie Säcke und kaum zu trimmen waren, zudem damals Klappläufer die Regel und eine Winsch modernes Zeugs von Morgen gewesen ist. Tumlare, Folkeboot, Bianca 27, 6 KR A&R, Trintel IIB, sichere Seeschiffe mit Historie, weil die Sicherheit eines soliden Hauptruders in Lee eines langen Kiels schon früh in meiner Birne Anker geworfen hatte, auch wenn Orcas damals noch keine Ruder als hors d´oeuvre liebten. Unter Maschine achteraus war schon tückisch, aber mit ein wenig Übung und etwas mehr Schneid beim Manöver kann man jedem Schiff Gehorsam anerziehen, und kollateral zudem staunendem Hafenpublikum in engen Häfen die Köpfe verdrehen, wenn Hafenmanöver eben nicht in einem Ramming kulminierten.
Ich habe seinerzeit bei einem alten Barkassenkapitän im Hamburger Hafen den Schnack gewagt: kernig gerammt ist besser als lahm angelegt. Wir sind keine Freunde geworden, aber schnell laufen konnte ich damals noch. Der Schnack macht mir heute noch Spass.
Ich habe Schiffe schon früh in meinem Kopf sortiert, sodann kategorisiert: für den Spaß oder aber für den Ernst auf See, denn, nicht wahr, ein Schiff sollte sich im Ernstfall nie in seine Bestandteile selbst zerlegen, z.B. Ruder oder Kiel verlieren und zumindest auf selbigem an Land sogar stehen dürfen, ohne die Bilge zu verbiegen. Meiner Maxime von soliden Schiffen jedenfalls bin ich treu geblieben, auch wenn meine Hanseaten allesamt über andere Ruderblätter, teils am Skeg verfügten. Ich habe das Ruder eines Schiffes stets als das Herz des Schiffes empfunden, was in der Folge zu meinem Credo geworden ist. Zumal meine Klientel allzumeist Träume träumte, die erst hinter dem Horizont ihren Anfang hatten.
Auf mein Verkaufsinserat zu Luana hat Wilfried Krusekopf in der Bretagne diesen Kommentar verfaßt:
Wenn jemals das Wort „Ringeltaube“ bei einem Bootsverkauf angemessen war, dann wohl bei diesem Juwel. “ Small is Beautiful“ ist ein gängiges geflügeltes Wort, aber bei LUANA muss hinzugefügt werden: „Unique and really seaworthy“. Die Eigner der OWB-Raumwunder werden vermutlich – wenn sie nicht vor Neid ohnmächtig werden – schnell irgendwelchen Unsinn wie „segelt nicht“, „läuft keine Höhe“, „kein Platz unter Deck“, „zu träge“ aus ihrer Klischeekiste zitieren. Vielleicht sind sie auch einfach zu spät geboren, um von Laurent Giles gehört oder gelesen zu haben.
Aber knapp am Horizont sehe ich ein paar ziemlich junge Köpfe herüberschauen, die die Nase voll haben von den allseits dominierenden weißen Einheitseimern. Junge Leute, die sich durch die Yachtmedien-gelenkte Manipulation nicht verblenden lassen und die eine Rückkehr zum Wesentlichen und Soliden zu ihrem Leitmotiv erklärt haben. Möge darunter jemand sein, der dieses Juwel entdeckt und im nächsten Frühjahr damit nach St. Kilda segelt.
Wilfried Krusekopf
Törnberatung und Revierberatung Ärmelkanal und Biskaya
Konnte der Mann Gedanken Lesen?
Was ich nicht geahnt habe: in einer Zeit, die den Markt für gebrauchte Schiffe fast zum Stillstand gebracht hat, in dem wundervoll und überkomplett ausgerüstete Schiffe selbst solider Marken fast für ein Taschengeld … dennoch keinen neuen Eigner finden, weil die Zeitläufte durch geopolitische Veränderungen der Volkswirtschaften schlicht andere Wichtigkeiten in den Vordergrund geschoben haben, ist eine Kaufzurückhaltung zu erkennen, die Atemlosigkeit erzeugt, und am Ende sicher Arbeitsplätze vernichten wird, wenngleich infolge moderater Produktionszahlen p.a.der Politik keine weiteren grauen Haare wachsen werden. Die Folgen für die Bootsindustri immerhin sind auf Messen zu besichtigen, die neuen Preise erledigen den Rest. Schluß mit dem Fest!
So hat es mich wirklich überrascht, aus der ganzen Welt Anfragen für Luana zu erhalten, wohlgemerkt für ein Design, das vor 100 Jahren erstmals auf Kiel gelegt wurde. Es wurden bis dato ca 230 Vertues realisiert, eine bunte Community von Seglern rund um den Globus, die an spektakulären Regatten teilgenommen und bis heute teilnehmen, etliche mit Windpilot am Heck, nahezu sämtliche rudimentär nach den Regeln von KISS ausgerüstet. Wir haben sogar den Seetransport auf Flat Container nach Brisbane kalkuliert, allerdings meldete sich vor kurzem ein Franzose aus der Bretagne, Bootsbauer mit einem Faible für traditionelle Schiffe. Dieser Mann hat die Luana ohne Besichtigung gekauft. Er ist dabei etlichen anderen Interessenten aus der ganzen Welt um eine Nasenlänge zuvor gekommen. Sympathisch, denn mit einem guten Gefühl in der Nase habe ich viele meiner Schiffe immer gern unbesehen gekauft. Kurz: Luana hat nun einen neuen Besitzer, der von seinem neuen Heimathafen in der Bretagne z.B. nach St.Kilda aufbrechen könnte.
Wilfried hat also Recht gehabt und ich freuen mich, dass Luana nun in liebevolle Hände gerät … und zu neuen Abenteuern aufbrechen kann und wird.
So gesehen, ein gutes Ende meines Schiffes # 47, auch wenn ich hier einen etwas anderen Traum habe aufgeben müssen. So ist das Leben eben.
23.02.2025
Peter Foerthmann