ARC – KLEINER SCHUBS IN DIE GROSSE FREIHEIT
Humorvolle Gedanken zum 25ten Jubiläum.
Schiss ist in jeder Seglerhose und auf den Kanaren werden traditionell des Nachts bei Seglern die Laken durchgeheult – jedenfalls, wenn die Karawane
europäischer Boat People dort im Herbst vor Anker geht – als Heuschrecken verkleidet in Supermärkte einfällt und schmucke Yachten wie Dampfer abladen, bis der Wasserpass zu den Fischen schielt – als wenn Tütenmilch, Pampers, Bier und Bananen woanders nicht mehr zu kaufen wären.
Die bange Lebensfrage flüstert auf Socken durch den Mastenwald: Losfahren oder nicht? Auf den Kanaren werden Ausreden erfunden – One Way Flugtickets gekauft – manchmal die Damen flüchtig – und traurige Schiffe der ölschweren Hafenbrühe überlassen – weil der Point-of-No-Return die Segler vor den Spiegel stellt und die Stunde der Wahrheit am Kopf anklopft: Es geht um die Schicksalsfrage für gestandene Männerhosen, der Einschätzung eigenen Selbstvertrauens angesichts einer Herausforderung, die zu bestehen man ja eigentlich hierher gekommen war.
Der Schubs ist es – auf den viele warten – und manche im Stillen verzagen – denn es steht in jedem Segelbuch: Wer hier losbindet, macht die Tür zu hinter sich – segelt unwiderruflich dem Horizont entgegen – wächst dann zusehends mit Meilenstiefeln – und ist bei Ankunft in der neuen Welt schon fast Kolumbus – wenn er die Palmen endlich riecht, die er sein Leben lang zuvor virtuell begossen hatte.
JIMMY CORNELL – VATER DER ARC
Jimmy Cornell hat sich zum zweiten Vater von Segler Scharen gemacht, Ihnen Ängste geklaut, ein wenig Leichtigkeit gegeben und sie bestärkt im Plan, dass Lossegeln und Ankommen wirklich für jedermann machbar, auch wenn man zuvor kein Wasserheld gewesen ist. Jimmie´s Schubs hat unzähligen Seglern die Flügel wachsen lassen.
Die Muelle Deportivo Las Palmas war früher trostlose Reste-Ecke im schwelligen
Handels Hafens, wo Segler Nachts immer mal aus den Kojen flogen, Leinen und Schiffe ölige Farbe annahmen, Laternen ausgeschaltet und Kakerlaken die netteren Begleiter waren, weil Wachdienste der negativen Art nicht nur im Dunkeln klauten, was von emsigen Seglern tags zuvor an Bord gebracht worden war.
Die Geschichte von Manfred Kerstan SY Albatros, ist unvergessen, als er einen Fernseher zweimal kaufen musste, um wenigstens einen davon an Bord zu haben.
Dagegen ist der Hafen heute kaum wieder zu erkennen: 25 Jahre Metamorphose zur chromblitzend, gepflegten Maxi Marina – durch Molen geschützten Ponton Kilometern – mit Wachdienst, Beleuchtung, Werften und Travellift – mit WLAN zur Welt oder dem Hafenkapitän – mit Diensten für alle Herz und Lebenslagen und Bars zum Nachtanken für einsame immersuchende Seglerseelen.
Jimmie´s Beitrag zu den Veränderungen vor Ort ist eklatant, hat er doch schlau und nimmermüde die WilliWichtigs aus Wirtschaft und Politik Betrieb aus den Sesseln gescheucht, sie in flüssiger Landessprache von der Idee überzeugen können, dass eine Schick Marina für gutbetuchte Transit Kapitäne, gewaltig Kaufkraft in klamme Insel Kassen spülen würde – ganz anders als die Termiten Heerden von Pauschal Gebuchten, die vor Ort nur Sonne und Strand konsumieren, die sie vorab schon pauschal bezahlen.
Jimmy jedenfalls hat dort unten ewige Freunde gewonnen und war sicher der Erste, der Kriegsschiffe hat aus dem Hafen treiben können – damit sie draussen zum Start ein paar Schreck Schüsschen geben – auch wenn das dann veritable Bömbchen gewesen sind.
Was sich bei der ARC im Verlauf von 25 Jahren geändert hat?
Die Rally Veranstaltung für Familienkapitäne hat sich zur Grossveranstaltung gemausert, bei der Familien kopfmässig zur Minderheit geraten. Die gleichbleibende Zahl von Schiffen verschweigt, dass diese im Schnitt bereits 50 Füsse messen und die Zahl der Kojen hat explodieren lassen. Und wenn Kojen für das Event per Stück verkauft werden, hat dies Auswirkungen auch auf die soziale Struktur, weil der Ansatz sich damit stillschweigend leicht verändert hat.
Wer Social Life, Parties, Seminare und andere Veranstaltungen sucht, der findet. Ansonsten gibt es natürlich immer noch Stege, an denen family cruiser unter sich sind – schlicht, weil die Truppentransporter der Länge und Breite wegen, an anderer Stelle im Hafenbecken abgeparkt werden.
Der Geist von früher war Jimmie´s Flaschengeist, weil er gewitzt und eloquent die Veranstaltung omnipräsent nahezu allein regierte – was einfach war, weil er aus der Kommando-Zentrale im Fadenkreuz der Hafenmolen jederzeit den ganzen Hafen unter seiner Kontrolle hatte.
Jimmies Wort war Gesetz und Widerspruch witzlos – ein strenger Blick unter buschigen Augenbrauen war meist genug und seine Autorität reichte bis hinter die letzte Hafenmole.
Dieser Geist ist gone with the wind.
World Cruising ist heute zum Reiseveranstalter geworden, der rund um den Globus Segelrallies organisiert – mit finanzstarken Sponsoren – Spielregeln und deutsch gründlichem Sicherheits Check – mit Rahmenprogramm von Bildung bis Wasserschlacht – Fasching für Jung und Alt und Blas Kapelle – gegen moderaten Eintritt eine Leistung bietet, die sich manchmal sogar für Segler rechnet, die auch ohne Schubs den Törn gewagt und erledigt hätten.
Nicht unerheblich übrigens ist die Zahl von Schatten Seglern, die – scheinbar zufällig – zeitgleich mit der GrossFlotille aus anderen Häfen strömen, um unter virtuellem Schutz einer Flächen Flotte das eigene Sicherheitsbedürfnis ein wenig in den Schlaf zu wiegen.
So bietet die ARC heute eine besondere Art von Flottillen Segeln, bei der die Teilnehmer einander allerdings schnell aus dem Blick verlieren.
Das virtuelles Band zur MutterCompany und anderen Segel Genossen hingegen dient als Reissleine und virtuelle Federung für die Nerven von Skipper, Crew und seiner Liebsten – und gerät damit zum Garanten für eine Passage in ein Paradies, das uns Seglern immer noch als Traumersatz, als Lohn und Lutscher für harte Arbeitsjahre, in den Sinnen geblieben ist.
Die ARC passt in unsere Zeit, sie ist ein Schubs, den man kaufen kann.
Dennoch: am Start zumindest braucht jeder Segler einen kühlen Kopf, weil der eigene Bug ansonsten allzuleicht in ein gegnerischen Schiff geraten kann. Merkwürdigerweise wird am Start immer noch auf Biegen und Brechen gesegelt, weil Kriege eben gewonnen oder verloren werden müssen, nur um am Start möglichst exakt bei Null über eine gedachte Linie zu kommen – auch wenn hernach auf Höhe des Airports alle Kämpfer gemeinsam ins seglerische Koma fallen – wie der Wind.
Peter Foerthmann