50 Jahre OSTAR 1960 – JESTER CHALLENGE 2010 – Gedanken über die Wurzeln aller Hochsee Regatten!°

50 Jahre – ein halbes Jahrhundert – ein halbes Leben – eine Zeitspanne, die unterschiedlicher in Bedeutung nicht empfunden werden könnte.

Als Mann im besten Mannesalter, als Oldtimer sorgsam gehütetes Blech, als Technik ein alter Hut, als Schiff eine segelnde Schönheit, die nicht nur im Hafen die Blicke und Herzen verzaubert.

Als Regatta aber eine immer noch junge Veranstaltung, die damals Jahrzehnte Entwicklungen beeinflusst hat und Menschen zu einer Herausforderung gefordert hat, die sich – eigentlich – bis heute nicht geändert hat:

Ein Mann, ein kleines Schiff und ein grosser Ozean!

OSTAR hiess die grosse Herausforderung im Jahre 1960, oder OBSERVER SINGELHANDED TRANS ATLANTIC RACE, veranstaltet von der Zeitung THE OBSERVER. the first Single handed race 1960

Zeitgleich mit dem Startschuss am 11.Juni 1960, begann die Ära der Windsteueranlagen. Keiner der 5 Teilnehmer – Francis Chichester, Blondie Hasler, Valentine Howells, David Lewis und Jean Lacombe – hätte das Ziel erreicht, ohne irgendeine Form von Windsteuersystem.

MIRANDA, so nannte FRANCIS CHICHESTER seine erste Windsteueranlage, bestand aus einer riesigen Windfahne von fast 4qm, die von einem 12 kg schweren Gegengewicht balaciert wurde und über Leinen und Umlenkblöcke direkt mit der Pinne verbunden war. Die riesige Windfahne führte allerdings recht häufig ein Eigenleben und Chichester veränderte bereits wenig später die Proportionen von Windfahne und Rudergröße.

Die JESTER, das legendäre dschunken-geriggte Folkeboot von BLONDIE HASLER, hatte das erste Servo Pendelrudersystem mit Differentialgetriebe am Heck.

DAVID LEWIS und VALENTINE HOWELL benutzten einfache Trim-Tab Systeme und JEAN LACOMBE ein gemeinsam mit MARCEL GIANOLI entwickeltes Trim-Tab System mit variabler Kraftübertragung.

HASLER und GIANOLI, ein Engländer und ein Franzose waren die beiden Schlüsselfiguren in der Entwicklung der Windsteuersysteme. Die Grundsätze der von diesen Männern entwickelten Systeme haben heute noch ihre Gültigkeit, wie wir nachfolgend feststellen werden.
Das zweite OSTAR fand 1964 statt, widerum wurde jedes Schiff von einem Windsteuersystem gesteuert. SechsTeilnehmer hatten sich für ein Pendelrudersystem von HASLER entschieden, der bereits eine kleine Produktion aufgebaut hatte. In den ROUND BRITTAIN RACES 1966 und 1970 gehörten Windsteuersysteme zur Standard Ausrüstung sämtlicher Schiffe. Elektrische Autopiloten waren verboten.

Das OSTAR fand alle 4 Jahre statt. 1972 war das Teilnehmerfeld so gewaltig angewachsen, dass die Veranstalter für das darauf folgende Race im Jahre 1976 bereits eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 100 Schiffe beschloss. Nun waren auch elektrische Autopiloten erlaubt, Einbaumotoren und Generatoren hingegen blieben weiterhin verboten. In dieser Regatta nutzten viele Teilnehmer nun professionell gebaute Windsteuersystem. 12 Hasler, 10 Atoms, 6 Aries, 4 Gunning. 2 QME, 2 elektrische Autopiloten, 2 Hilfssrudersysteme, 2 Quartermaster, 1 Hasler Trimtab. Keine der grossen Einhand Regatten wäre denkbar gewesen ohne Windsteuersysteme. Diese Regatten galten als die Initial Zündung für ein neues Marktsegment, der professionellen Entwicklung und Produktion von Windsteuersystemen. Die Namen der Pioniere der frühen Jahre in England, Frankreich, Italien und Deutschland sind heute noch bekannt: Atoms, Aries, Gunning, Hydrovane, QME und Windpilot.
Das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, der Wechsel von Holzboots Einzelbau zum Grosserienbau von Kunststoff Schiffen, beschleunigte naturgemäß auch die Verbreitung der Windsteuersysteme. Segeln war nicht länger ein Sport nur für Eliten, sondern wuchs zum populären Freizeit Vergnügen für Jedermann. Der Traum von der Freiheit auf See wurde bald ein Massenphänomen.
Hier die Liste der Unternehmen, die sich zuerst mit der Entwicklung und dem Serienbau von Windsteuersystemen beschäftigt haben, in chronologischer Reihe entsprechend ihrer Markteinführung:
1962: Blondie Hasler, HASLER
1962: Marcel Gianoli, MNOP
1965: H.K.Wilkes , QUARTERMASTER
1968: John Adam, WINDPILOT
1968: Pete Beard, QME
1968: Nick Franklin, ARIES
1970: Henri Brun, ATOMS
1970: Derek Daniels, HYDROVANE
1972: Charron / Wache, NAVIK
1976: Boström / Knööss / Zettergren, SAILOMAT

Das enorme Interesse vieler Sponsoren an dieser Veranstaltung führte hingegen schnell zu einer Professionalisierung des Races. führte zu striktem Flotten Management mit Ausrüstungs Anforderungen und verhinderte zeitgleich den Zugang vieler Segler, fuer die diese Regatta eigentlich „erfunden“ worden war: Segler mit seetüchtigen kleinen Schiffen <30 Fuss wie den TWISTER28, CONTESSA 26, FOLKBOATS oder der legendären CORRIBEE 21. Segler, die mit Ihren Schiffen umgehen konnten, die aus eigener Kraft ohne finanzstarke Sponsoren, ohne Formeln, nur der eigenen Fairness verpflichtet, einen Ozean bezwingen wollten. Segler, die nicht einmal ein Eintrittgeld zu bezahlen hatten, weil man dies Geld lieber in die Ausrüstung investieren sollte – wie Blondie Hasler es einst formulierte. Für diese Segler wurde das OSTAR schnell unerreichbar, vor allem, weil ihre Schiffe sämtlich unter 3oft – und damit nach den neuen Regeln der ROYAL WESTERN YACHT CLUB, nicht mehr zugelassen wurden.

Amateur Regatten in reinster Form – abseits grosser Veranstaltungen in denen Sponsoren die Regeln diktieren und für weltweite Aufmerksamkeit sorgen um damit eigenen Ruhm und Marke zu verbreiten – das ist die JESTER CHALLENGE auch heute wieder, ganz im Sinne von Blondie Hasler, dem legendären Seemann, dessen Vorgaben für derartige Regatten nicht einfacher hätten sein können:
– ein kleines seetüchtiges Schiff
– ein erfahrener Skipper, der sein Boot kennt und eigene Grenzen kennt
– ein Hochseetörn im Atlantic

Hier die Spielregeln!

Es ist das moderne Experiment einer Regatta, die abseits bereits bestehender Profi – Veranstaltungen wie der OSTAR – vom ROYAL WESTERN YACHT CLUB – und einer skeptischen Yachtpresse – ungeheuer schnell an Popularität gewinnt. Die JESTER CHALLENGE 2008 zu den Azoren und JESTER CHALLENGE 2010 nach Newport Rhode Island haben gezeigt, wie lebendig Blondie Haslers Geist geblieben ist und wie wenig Aufwand notwendig ist, um eine internationale Seglerschaft zu veranlassen, ihre kleinen Schiffe an einer Startlinie zu versammeln, die eigentlich garkeine Linie ist.

Anforderungen an die Schiffe und ihre Skipper waren enorm, denn Wetter und Material forderten Tribut. Hier ein Bericht von Elaine Bunting von der YACHTING WORLD im Sommer 2010

24 Schiffe waren am Start – angekommen in Newport sind davon lediglich 9 Schiffe, 1 Totalverlust – Mastbruch, Loch im Schiff aber Skipper gerettet – 13 Schiffe haben mit Materialschäden Nothäfen angelaufen.

Hier ist die JESTER CHALLENGE ENTRY LIST 2010, die auch benennt, welche Schiffe angekommen sind und welche mit Schäden die Regatta abgebrochen haben.

Interessant, dass unter den 9 Schiffen im Ziel der Sieger IGOR ZARETSKIY, MICHAIL SOLDATOV und ALEXEI FEDORUK unter russischer Flagge gesegelt sind, desweiteren 4 Schiffe unter englischer Flagge, ein Australier und ein Schweizer mit Schiffen in einer Grösse von 21 ( ein Wharram Cat ) – 29 Fuss. In der europäischen Presse fand diese Regatte nur in England, Frankreich, Polen und Russland statt, was angesichts der 3 russischen Segler, darunter dem Sieger, wenig verwunderlich ist. Erstaunlich, dass das russische Pendent der deutschen YACHT die Segler unterstützt hat, in ihrer deutschen Ausgabe hingegen von der JESTER CHALLENGE 2010 nicht berichtet wurde.

Hier der Bericht in YACHTING MONTHLY über die ersten Drei.
Von 24 Yachten am Start waren 7 mit einer Windpilot PACIFIC LIGHT ausgerüstet, 5 davon haben es bis ins Ziel geschafft. Interessanterweise waren es meine ersten Geschäfte nach Russland und es waren die Freunde der russischen Segler, die mich über den Verlauf und Ausgang der Regatta stets informiert gehalten haben– schon praktisch, mit einer Frau verheiratet zu sein, die die russische Sprache in Wort und Schrift beherrscht!

Roger Taylor, Skipper der SV MingMing, einer CORRIBEE 21 hatte vor Grönland abgedreht und aufgegeben, weil er durch überkommende Brecher und eine Beinahe Kenterung einen Rippenbruch erlitten hatte. Roger ist life-time yachtsmen und heute wahrscheinlich einer der erfahrensten Segler mit Kleinkreuzern weltweit. Zahlreiche Bücher und Berichte in Magazinen zeugen von seiner grossen Erfahrung – seine Video Sammlung ist beeindruckend und über seine Website erreichbar

Dies ist ein Video von der SV Just Right, einer selbstgebauten GOLANT GAFFER, mit der Gus Davidson bei der JESTER CHALLENGE 2010 gestartet ist, allerdings wg. technischer Probleme nicht hat beenden können. Weitere Informationen auf Gus´eigener Website

UK Challenge + Adventure:

Literatur über Small Boat Sailing:

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