SKIZZEN EINES SEGELJAHRES
29. Mai 2013, Opua, Neuseeland.
Die Crews von ca. 15 Yachten stehen Schlange vor dem Hafenbüro von Custom NZ. Die Abfertigung verläuft gewohnt schnell und unkompliziert. Bussi hier und Bussi da, verbunden mit den besten Wünschen für die Überfahrt. Bereits gegen Mittag sind wir raus aus der Bay of Islands, auf dem Weg nach Savusavu, Fiji.
Kurz zuvor hatten wir die NINA, den alten 71 ft. Holzsegelschoner unter vollen Segeln und mit Motorunterstützung passiert. Die siebenköpfige Crew setzte Segel, heftiges Winken und freudige Zurufe. Wir sollten die letzten Menschen gewesen sein, die sie gesehen haben. Gleich zwei dicke Tiefdruckgebiete waren vorhergesagt, eines aus der Southpacific Convergenze Zone (SPCZ) war auf 20° S mit Kurs SO östlich unseres Kurses unterwegs, ein anderes in der Tasman See am entstehen. Letzteres sollte sich zu einem Sturmtief entwickeln und genau da ist die NINA hineingefahren und gesunken. Für uns waren südliche und später südöstliche Winde vorhergesagt. So ist es im Wesentlichen auch gekommen, nur, dass das Tief aus der SPCZ auf Südkurs drehte und wir die Ausläufer zu spüren kamen. Nicht eng die Kiste, aber enger als es sein sollte. Acht Tage bis Savusavu und keine Motorstunde seit verlassen der NZ Küste.
FIJI
Sechs Wochen Zeit um Abschied zu nehmen, von Freunden und einem Revier, das wir die vergangenen Jahre stets für einige Monate besucht hatten. Als wir 2009 das erste Mal dort waren, lag der letzte Militärputsch gerade mal drei Monate zurück. Das hat damals viele Segler von einem Besuch abgehalten. Wenn in Fiji Militärputsch ist, dann schwärmen in der Hauptstadt Suva ca. 30 Soldaten aus und besetzten die Redaktion der „Fiji-Times“, die Fernsehanstalt und den Flughafen, viel mehr ist nicht. In der westlichen Presse wird das dann hochdramatisch dargestellt. Einsames Fiji.
2013 waren die Moorings und die neu gebauten Steganlagen in Savusavu voll belegt, nicht nur wegen zweier Weltumsegelregatten, die da durch hasteten. Die Segler hatten Fiji, dieses großartige und abwechlungsreiche Revier mit den freundlichsten Menschen im Südwestpacific längst wieder entdeckt. Nun war auch die Laugruppe, die verbotenen Inseln, wie sie genannt wurden für Yachten ohne Einschränkungen und Zusatzkosten wieder frei. Auch das lästige nationale Umklarieren war abgeschafft und die Preise weiterhin auf einen niedrigen Niveau recht stabil. Der Putschpräsident hatte Fiji politisch stabilisiert, die Kriminalität war ohnehin nie beachtenswert. Wir haben fünf Jahre lang nie und nirgendwo in Fiji unser Dinghi angeschlossen. Glückliches Fiji.
VANUATU
Ein Wetterfenster von Fiji nach Vanuatu zu finden ist einfach. Der vorherrschende OSO wird zwar alle 7 bis 10 Tage durch einen Tiefdruckeinbruch aus der SPCZ gestört, es bleiben aber immer die erforderlichen und vorhersagbaren 3 bis 4 Tage bis z.B. nach Port Vila, der Hauptstadt Vanuatus. Dort angekommen und an der gelben Quarantänetonne geankert, wurden wir vergleichsweise teuer einklariert und auf das fast leere Mooringfeld geleitet. Port Vila ist der einzig wirklich entwickelte Ort, eine kleine Stadt mit guten aber nicht immer günstigen Einkaufsmöglichkeiten. TAX FREE ist das Zauberwort und der wirtschaftliche Motor für Ausländer vieler Nationen, die dort Geschäfte betreiben, auch Bankgeschäfte oder besser, vor allem Bankgeschäfte. Keine Einkommensteuer, keine Gewerbesteuer. Das Boot an der Nachbarmooring gehörte dem Deutschen Honorarkonsul und TO-Stützpunktleiter. Wir lernten uns kurz kennen und er erklärte uns die „Vorzüge“ von Vanuatu aus der Sicht des Geschäftsmannes. Nach Deutschland zurückkehren und wieder Einkommensteuer zahlen. auf keinen Fall.
Etliche Ankerplätze später hatten wir viele Kontakte mit Einheimischen gehabt und waren in Esperito Santo ausklariert. Vanuatu ist weit weniger entwickelt als Samoa, Fiji oder auch Tonga. Manche Bergdörfer existieren wie vor hunderten von Jahren und in anderen, näher den Ankerbuchten liegenden Ansiedlungen, sind alle auf Selbstversorgung angewiesen, Arbeitsplätze so gut wie unbekannt. Den Seglern werden überall Schnitzereien und kulturelle Darbietungen angeboten. Für ein paar Minuten Custom Dance werden pro Person auch mal 50 US oder mehr verlangt. Die vergangenen Boomjahre waren vorbei, es kamen 2013 nur 30% der erwarteten Yachten. Die waren jetzt einfach woanders, vielleicht ja in Fiji. Wenn weniger Yachten kommen, muss man die Preise erhöhen um sein Einkommen zu erwirtschaften, eine fatale Logik. Yachttourismus kann aber auch ganz anders aussehen. Wir kennen Yachten, die monatelang vor einem Dorf liegen, sich anfreunden, mithelfen und mit versorgt werden. Glückliche Low Budget Segler, Hut ab. Vanuatu besteht größtenteils aus Inseln ohne schützende Riffe, ein schwellreiches Revier. Wo es geschützte Ankerbuchten gibt, sind diese oft wunderschön, klares Wasser ist hier selbstverständlich. Außerhalb der Regenzeit kann man kristallklare Bäche und Flüsse mit dem Dinghi befahren.
Von Esperito Santo aus ging es in die Banks und Torres. Das Leben auf diesen abgeschiedenen Inseln ist sehr bescheiden angelegt, es gibt so gut wie keine Anbindung an die Hauptinseln, Schule und medizinische Versorgung bleiben zurück. Etliche NGO´s sind hier aktiv, um zu ersetzen, was die TAX FREE Regierung nicht leisten kann oder will.
SOLOMONEN
Um die 400 sm von den Torres Islands nach Marau Sound, Solomonen, segeln zu können, braucht man etwas Glück. Der Passat ist bereits gebrechlich und die Gegend neigt zum Calm. Es gibt wunderschöne Ankerplätze auf dem Weg nach Honiara, welche davon sicher sind und welche nicht, ist stets nur über die neuesten Nachrichten auf den Funkrunden oder vor Ort zu erfahren. Die Tatsache, dass man noch nicht einklariert ist, spielte bis 2013 keine Rolle, aber auch das kann sich ändern.
Die Solomonen sind ein gescheiterter Staat. Vor einigen Jahren herrschten auf einigen Inseln Bürgerkrieg ähnliche Zustände. Nicht wenige junge Männer sind zu Mördern geworden, manche brüsten sich damit und sprechen von „ihrer Zeit“. Eine vor allem australische Friedensmission hat längst wieder für Ruhe gesorgt, was geblieben ist: eine hohe Kriminalität, schlechte Versorgung der Bevölkerung in allen sozialen Bereichen, Spannungen zwischen Clans auch als Folge von Überbevölkerung. Die FLORIDA ISLANDS und die NEW GEORGIA GROUP sind ein Traumrevier für Taucher und Schnorchler und gelten als sicher. 2013 hatten die Solomonen die Einklarierungsgebühren exorbitant erhöht. Wir haben für 42 ft. und 2 Personen über 800 US bezahlt, genauso exorbitant war der Rückgang der Yachten, aber das hatten wir ja schon.
CARVING und anderes EINKOMMEN
Viele Menschen in der New Georgia Group wollen vom Carving leben, eine Arbeit, die bequem zu Hause im Schatten großer Bäume zu leisten ist. Ob in Stein oder Holz geschnitzt, die Sachen suchen Ihresgleichen auf der Welt. Ankert man vor einem Dorf, kann es sein, das man keine Ruhe mehr findet, ständig wird man von Händlern bedrängt. Wehrt man zu energisch ab, schafft das weitere Unruhe. Lässt man sich zu sehr ein, steigert man die Erwartungshaltung auf ein Geschäft. Wir sind draußen auf den unbewohnten Ankerplätzen geblieben. Die Belagerung war erträglich und die Preise niedriger, es gab keine Zeugen wie im Dorf und so konnten die Händler ihre Preise freier nach unten gestalten. Fatal erschien uns der Trend, dass zu viele vom angeblich einträglichen Carving leben möchten, weil es eben bequemer ist als Feld und Gartenarbeit, nur gibt es zu viele Schnitzer und zu wenig Gärtner. Ausklariert haben wir in GIZO, ein wirklich herunter gekommenes Kaff, die zweit größte Stadt der Solomonen. Wir hatten unsere Ankerplätze sorgfältig ausgesucht und nur zwei beherrschbare Stresssituationen erlebt. Einmal wollte ein unter Drogen stehender Kanufahrer 100 US Ankergeld kassieren ( er bekam am nächsten Tag, als er nüchtern und sehr höflich war, eine Dose Kaffee) ein anderes Mal war es ebenfalls ein Kanufahrer, der sich um 5:00 morgens an einem Samstag nach langer Nacht an unseren Dieselkanistern an Deck zu schaffen machte. Dabei stand er im Kanu vor der offenen Seitenluke des Achterschiff. Ein moderater Faustschlag auf den Bauch durch die Luke hat ihn sichtlich überrascht und ins Wasser befördert.
Es ist die wirtschaftliche und soziale Situation dieses Landes, die die sonst im Pacific vorherrschende Freundlichkeit der Menschen teilweise negativ beeinträchtigt. Der nicht gerade üppige Tourismus liegt in den Händen weißer Unternehmer, der Handel wird von Chinesen dominiert, die Beamten kommen aus den höher gestellten Familien des Landes, was bleibt, sind Lohnarbeit und etwas Fischerei, nicht annähernd genug für verhältnismäßig viele Menschen. Das Schulsystem ist überfordert, Ausbildungsplätze gibt es fast keine, so ist die chancenlose Jugend entwurzelt und mit Drogen konfrontiert, auch weil die Familien auf dem Land nicht mehr wie früher alles zusammenhalten können.
IM PARADIES KAPINGAMARANGI
Die knapp 600sm nach Kapingamarangi waren eine Fahrt in eine ganz andere Welt. Auf 1°N und 154°45 O liegt dieses einsame und südlichste Atoll Micronesiens, und um dahin segeln zu können bedarf es einer gehörigen Portion Geduld. Drei bis sieben Knoten Wind aus Ost sind die Regel im November und zu wenig für 15 Tonnen KIRA von CELLE. Zwei Wochen haben wir vor Gizo gewartet, bis es soweit war. Die ersten 100sm raus aus den Inseln wurden motort, dann setzte tagsüber ein 8 bis 12 Knoten Wind ein, aus Ost und ohne Schwellbegleitung. Ein Traum. Nachts auch ein Traum, wir hatten das nie in Erwägung gezogen, aber der Wind schlief ein bei Sonnenuntergang. Wir hatten die Segel bereits unten und den Sundowner oben im Cockpit. Nach dem Abendessen ging es in die Koje, während der Strom uns bis zum nächsten morgen 15 sm in Richtung unseres Ziels versetzt hatte. Hier ist das Nirgendwo, keine Fischer, keine Frachter. Radar und AIS liefen, ohne in den 7 Tagen etwas zu vermelden. Tagessegeln, nachts im Freihafen, ganz wörtlich gemeint, paradiesisch.
Wir hatten seit Wochen bereits Funkkontakt mit dem Chief auf Kapinga. Als wir in den Pass einsegelten, wurden wir bereits von einem Langboot erwartet und auf den Ankerplatz vor dem Dorf geleitet, den wir die nächsten 7 Wochen nicht mehr verlassen sollten.
Was wir vorfanden, war eine Gemeinschaft von ca. 350 Menschen polynesischer Abstammung, die sich hervorragend auf ihre Lebensbedingungen eingestellt haben. Von den 22 Inseln sind nur drei bewohnt, fast alle drängen sich auf der Hauptinsel, aber ohne sich zu nahe zu kommen. Es gibt gepflegte und intakte Hütten, selbst für die Auslegerkanus und Langboote, eine Schule für 100 Kinder, eine kleine Krankenstation und eine evangelische Kirche. Solarstrom sorgt für den Betrieb einer Funkanlage und eines Kühlschrank, Dieselgeneratoren gibt es dagegen nicht. Man versorgt sich selbst. Die Inseln bieten Platz für Gärten, Kokospalmen und Brennholz. Die vielen Schweine erlauben einmal Fleisch in der Woche, Hunde sind verboten, genauso wie das Kauen von Betelnüssen, das in den Solomonen wie auch auf den meisten anderen Atollen in Micronesien zum Tagesablauf fast aller Männer und Frauen gehört. Die Leute von Kapinga sind fleißig, sie arbeiten an 6 Tagen in der Woche von Sonnenaufgang bis zum frühen Nachmittag, sie pflegen ihre Gärten und Hütten, ihre Tiere und haben hübsche Wege zwischen den Territorien der Familien angelegt. Der wenige Müll wird zu einem Bombenkrater auf einer entlegenen Insel im Atoll gebracht (Man hatte im 2. Weltkrieg Besuch aus Japan). Nach Feierabend pflegen sie soziale Kontakte bei Spiel und Musik, es gibt gemischte wie auch nach Geschlechtern getrennte Gruppen. Übertriebene Verbote i.S. Kleidung, Religion oder Hierarchie gibt es nicht. Der Chief wird demokratisch auch von den Frauen gewählt und von der Regionalregierung in POHNPEI bestätigt. Mit diesen Menschen zusammen sein zu dürfen war unser tiefstes Erlebnis in 10 Jahren Bordleben. Und das an einem so abgeschiedenen Ort. 2 bis 3 mal im Jahr kommt ein Frachter von der Hauptinsel, er bringt Lebensmittel wie Reis, Tee und Zucker, aber vor allem Benzin für die 5 oder 6 Aussenborder. Wer will oder muss, kann so seine Verwandte in Pohnpei besuchen, sich medizinisch behandeln lassen oder seine Schule und Ausbildung auf der Hauptinsel weiterführen. Cobra wird so exportiert und sorgt für das wenige Geld, das für die Lebensmittel ausgegeben werden kann. Kühlräume hat der Frachter nicht, so kann der immense Fischreichtum des Atolls nicht die Handelsketten erreichen. Wir sind mehrmals mit dem Langboot in der Dunkelheit rausgefahren aus dem Atoll. Mit dem ersten Licht beginnt das Schauspiel. Die Vögel zeigen, wo gerade die Bühne ist. Leinen raus und durch die von Fischen kabbelige See. Gelbflossentuner ohne Ende. Biss auf Biss im Fressrausch unter und im Jagdrausch im Boot. 150 Kilo in einer Stunde.
PULUWAT
Es wird Zeit, weiter zu ziehen, noch schnell ein Atoll, Puluwat, nur 500sm entfernt und doch so gegensätzlich. Der Pass ist recht breit, doch nur am äußersten Rand befahrbar und Strom, viel Strom, wenn die Tide läuft. Wer nervös wird, hat verloren, umdrehen geht sowieso nicht und vor uns waren sie hier schon mit 3 Meter Tiefgang drin, also los. Der Ankerplatz in der äußeren Lagune ist ein Traum, weißer Korallensand mit einigen hübschen Bommies, üppige Vegetation deutet auf viel Regen hin. Trinknuss zur Begrüßung, wir sind die einzigen Besucher, wie auch schon auf Kapinga. Am nächsten Vormittag der Besuch mit dem Dinghi in der inneren Lagune. Paradiesisch der Anblick der Langhäuser, die die Lagune umsäumen . Herzliche Begrüßung auch hier, aber dann sofort das auf vielen Atolls in Micronesien übliche Geschäft, das Ankergeld, kleines Geld, kein Problem. Die Männer tragen ausnahmslos die traditionelle Kleidung, ein Tuch zwischen den Beinen und um die Hüften geschlagen. Die Frauen tragen, was sie mögen, nur keine Hosen. Es ist kurz vor Weihnachten. Eine Transportmaschine der US Navy kreist über dem Atoll, überfliegt die innere Lagune und wirft an Fallschirmen zwei Kisten ab. Wir sind eingeladen, es wird eine vorweihnachtliche Entzauberung geben. In den Kisten ist, was die US Garnison nicht mehr braucht und von dem sie meint, das es die Insulaner brauchen. Auf dem Grad der Nützlichkeit gewinnt Coco Cola den ersten Platz, dann geht es über hier unbenutzbare Kleidung runter bis zu High Heels, mehr war nicht drin, im wahrsten Sinne des Wortes. In den Hütten lebt alles zusammen was so lebt, Mensch und Tier, klein und groß. Romantisch. Der Dreck liegt vor der Tür, auch die leeren Batterien. Gegessen wird vor allem, was der Frachter bringt, Mehl und Reis. Selber anbauen ist Arbeit, Schweine gibt es nicht, die machen auch Arbeit. Corned Beef aus der Dose macht keine Arbeit. Das schönste Atoll, die schönsten Männer ( sagt Beate! ). Wir spenden ein gebrauchtes Segel für die großen hochseetauglichen Auslegerboote, die es hier noch gibt, wollen es auspacken, vorzeigen geht nicht, es wird sofort in eine Hütte verbracht, der Nachbar könnte es sehen. In Kapinga wurde unsere bescheidene Spendenliste nach dem Gottesdienst in der Kirche vorgelesen. Im Tausch sollte es für das Segel Essbananen und Lobster geben. Essbananen waren gerade nicht da und Lobster, ja Lobster, die machen auch Arbeit, nachts auf dem Riff…
YAP
Nächstes Ziel Yap, 600sm und es gibt wieder mehr Wind, aber auch einen Squall nach dem anderen und der Schwell kommt auch wieder rein. Segeln zum abgewöhnen. Man hätte noch solange bleiben können, hier wie dort, doch unser Ziel ist geplant auch zeitlich.
Yap, das geht schnell, keine erlaubten Ankerplätze bis auf das Hafenbecken, langweilig, öde nur für Taucher mit gehobener Ausbildung ein Hit. Natürlich kann man überall interessante Menschen treffen, wir haben einen halben Tag eine Einweisung im Kanubau bekommen und dann ist da noch das Steingeld, über das schon so oft berichtet wurde.
PALAU
Micronesien, aber ein eigener Staat, nur 350 sm aber wieder so eine Überfahrt. Squalls, gerne auch mal über 40 Knoten und 2 bis 3 Stunden anhaltend. Fronten also, aus den hier sich ständig bildenden und umher vagabundierenden Tiefs. Da ist dann auch schon mal ein Gewitter drin, bildet sich flugs über der KIRA. Am Ende noch beiliegen vor dem Pass in Palau wegen schlechter Sicht. Auf der Funkrunde eine befreundete Yacht, ebenfalls kurz vor dem Pass, Motorschaden, wir werden ihnen ein Schleppboot besorgen, wenn wir drin sind. Die sind ganz anders gefahren, über PNG ( Papua Neu Guinea ) und die Bismark Sea 1500 sm unter Maschine, null Wind auf der Reise. Unsere Squalls erschienen uns dann doch nicht so schlimm. Palau ist schön, der Ankerplatz sehr gut geschützt, es gibt vor allem Moorings aber die kosten nur 50 US im Monat. Etwas amerikanisch das Ganze, lauter liebe Menschen, super Service überall und sehr preiswert.
ROCK ISLANDS
Um in die Rock Islands fahren zu dürfen, muss man aber richtig bezahlen und darf nur zehn Tage bleiben. Die Rock Islands sind ein weltbekanntes Tauchrevier und praktisch der tiefere Sinn, warum es Palau einfach geben muss und die einzige Einnahmequelle. Der Kölner Zoo kostet auch Eintritt und man macht das ja sonst nicht. Spektakuläre Ankerplätze im zwei Meilen Abstand, wir waren die einzige Yacht im Revier.
PHILIPPINEN
Die Suche nach einem Wetterfenster Richtung Philippinen ist dann wieder so eine Sache, wir hatten Geduld und Glück, viel Glück. Allerdings mussten wir bei schlechtem Wetter los, um das Fenster optimal zu erwischen, eine schlaflose Sturmnacht und danach, wie vorhergesagt, ein konstanter 15 Knoten Wind bis rüber in die Philippinen und durch die Philippinen, bis nach PUERTO PRINCESA auf der Insel PALAWAN. 1000sm sind auf die Logge gekommen, durchgesegelt und das in diesem Revier.
Wir waren nie in den Philippinen, wir waren nur auf Palawan und dort in Puerto Princesa, und um es vorweg zu nehmen, wir haben in den zehn Tagen kein Pfitzelchen Müll irgendwo auf und neben den Straßen gesehen. Auf Palawan läuft seit Jahren ein Umweltprogramm, das wohl seine Wirkung nicht verfehlt. Es gibt Investoren, es gibt Arbeitsplätze und viele sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, auch und gerade in den Behörden. Einklarieren kostet fast nichts und es bleibt weitgehend dem Gast überlassen, wie eilig er es damit hat. Der freundliche kleine Yachtclub bietet Moorings und Ankerplätze, alles sehr günstig. Neben uns lag die deutsche Amel CATHERINE mit Henrike und Stefan an Bord. Wir haben gewunken, kennengelernt haben wir uns nicht. Sie wurden von der Terroristengruppe Abbu Sayaf auf offener See entführt, auf dem Weg nach Borneo, ca. 14 Tage nachdem wir auf genau demselben Weg unbehelligt KOTAKINABALAU erreicht hatten. Noch heute sind sie nicht wieder frei, aber es gibt nach Monaten der Ungewissheit nun eine Lösegeldforderung und Bilder von den Beiden im Internet.
Drei Tage Motorsegeln, Wind gibt es in dieser Ecke kaum noch, es ist Transmission Time, die Zeit zwischen dem Nordost- und dem Südwestmonsum. Was es aber gibt und davon reichlich, sind die Fischer vor Borneo. Am Nachmittag belegen sie ihre Plätze für die Nacht. Mit der Abenddämmerung schalten sie die Lampen ein, so sind sie die ganze Nacht gut zu sehen, bis auf diejenigen, die ihre Lampen ausschalten um den Fangplatz zu wechseln. In der Helle und Dichte einer solchen Fischernacht bleiben sie weitgehend unsichtbar. Der Radarschrim ist eh voll und AIS unbekannt, Doppelwache und Slalomfahren ist unsere Antwort auf die Herausforderung.
KOTAKINABALAU
Kotakina, genannt KK ist eine schnell gewachsene Stadt, wie einige in Malaysia. Wenn man in Malaysia wissen will, ob man an einem „besonderen“ Platz ist, dann achte man auf Brautpaare, die ihre aufwendigen Hochzeitfotos stets an besonderen Orten machen lassen. Die Marina von KK ist so ein Platz, das Zentrum des größten städtebaulichen Vorhabens auf Borneo, das vollendet wurde. In der riesigen Parkanlage mit Golfplatz sind etliche Appartementhäuser gesäumt von zwei großen Nobelhotels und der Marina entstanden. Das Clubhaus könnte das größte der Welt sein, es wirkt wie ein Hotel mit seinem Foyer, dem Empfang, den Restaurants und der Poolanlage. Dort steht neben den Wasserspielereien ein 50 Meter Becken zur Verfügung, alles bewacht und beputzt von ständig ca. 25 Bediensteten inklusive der in den Umkleide- und Duschräumen, inklusive flaumweicher Badehandtücher alles kostenlos für den Marina Gast. Die Marina ist nicht groß, nur wenige internationale Yachten liegen hier, Hauptsache Marina. Jedes Bauprojekt am Wasser verkauft sich in Malaysia gleich besser und teurer, wenn es nur eine Marina gibt. Wir sind nur Staffage und Dekoration für das „big Business“, unsere 20 US $ am Tag bräuchten die Betreiber nicht, wir dienen aber dem Gefühl von Luxus.
MIRI
Wir müssen weiter. Entlang der Küste gibt es kaum Ankerplätze, kaum vorgelagerte Inseln und es ist noch weit bis Singapur. Ein Zwischenstopp in MIRI, wieder eine Marina, aber das Riesenprojekt in Miri ist ins Stocken geraten, die Marina seit Jahren fertig, sonst nicht viel. Die Preise sind unten und Miri ist die Heimat einiger hängen gebliebener Langzeitsegler geworden. Um dahin zu kommen, haben wir bereits eine Nacht zwischen den Ölplattformen verbracht, zusammen mit einem Gewitter und etlichen unbeleuchteten Fahrzeugen. Doppelwache, da unser Radar den Geist aufgegeben hat und ständig auf der Hut vor dem ärgsten Feind, den Schleppverbänden. Die Schlepper sind vorschriftmäßig beleuchtet, die Anhänge jedoch nicht, maximal ein winziges rotes LED Licht, blinkend, kurz an, lange aus. Die Trossen sind gerne mal 400 Meter und der Anhang fährt bei Seitenstrom auch nicht immer hinter seinem Schlepper her. Nach Miri wird es ruhiger. Eine Nacht mal in einen Fluss rein, nachts fahren ist ungemütlich, auch weil es regelmäßig kracht. Schon KK hatte sein 1600 Gewitter, jeden Tag, nun aber machen sie die Nacht durch und manchmal auch zum Tag, so hell wird es unter den Blitzen im Sekundentakt. Zum Wind ist nicht mehr viel zu sagen, er kommt nur noch aus den Gewittern, das Groß ist schon lange nicht mehr oben, die Genua immer seltener und das sollte so bleiben, bis Singapur und darüber hinaus.
KUCHING
Ein letzter Fluss, eine letzte Stadt auf Borneo..und die schönste..Kuching. Wir ankern vor dem Seafood Restaurant von Ralf. Seit 20 Jahren lebt er hier und hat Zeit, Zeit um einen ganzen Tag mit uns in Kuching zu verbringen. Imposante Gebäude und Parks, imposante Korruption, Malaysia ist nicht Europa und es bedarf spezieller Fragen, und die speziellen Antworten hat: Ralf.
Wir sind auf dem Weg nach Singapur, haben die Küste von Borneo hinter uns gelassen, der Motor tuckert gemütlich in die Nacht, das Südchinesische Meer, ruhig wie ein Ententeich. Dafür wird es auf der KIRA unruhig. Beate hat etwas Graues gesehen, mit Fell oder so, das sich vom Cockpit nach vorne bewegt hat. ALARM. Licht an, alles. Luken zu, alle, auch den Niedergang. Den Speer mit dem Dreispitz zur Hand und dann. Ankerkasten AUF. Von hinten nach vorne wird das Deck abgesucht, unter dem Dinghi auf dem Vorschiff sitzt was, flieht was und die Ratte läuft, wohin sie laufen soll, in den Ankerkasten, Klappe zu. Morgen ist auch noch ein Tag. Haben wir sie schon seit Miri oder ist sie im Fluss geschwommen, wir werden es nie wissen, dafür wissen wir aber, warum es zwei zerrissene Hemden im Schrank gibt. Wir hatten das junge Ding nicht bemerkt. Sie hat kurz gequiekt, als der Dreispitz eindrang, den Rest weiß nur das Meer.
Unterwegs wieder die Lampenfischer, jetzt auf offener See von Borneo bis Singapur, überall. Große Lampen, kleine Fische, so könnte man das Fangmodell beschreiben. Auf den Fischmärkten liegt die Gewissheit ausgestellt, dass alles endlich ist, zumindest auf unserem kleinen Planeten. Von Ralf wussten wir auch, warum Fischer immer mal wieder unsere Nähe suchen und so knapp an unserem Bug vorbeifahren. Die bösen Geister werden sie so los. Die springen aber nur dann auf ein anderes Schiff, wenn man knapp an dessen Bug vorbeifährt.
SINGAPUR
Das Erste was man bei der Annäherung an Singapur bemerkt ist der zunehmende Schwell ..von den unzähligen Schiffen. Wir müssen das Verkehrstrennungsgebiet queren. Am Leuchtturm warten wir und werten die AIS Daten aus, Abstand und Geschwindigkeit, wo ist die Lücke? Dann halten wir voll auf einen Autotransporter drauf. Der Steuermann hat ein Einsehen und zieht seine Kiste in die Mitte des Fahrwassers. So gewinnen wir Raum und Zeit. Hinter ihm durch und volle Aufmerksamkeit auf die Überholspur. Der Tanker liegt tief, macht aber immer noch 14 Knoten, es wird reichen. In der neutralen Zone, Luft holen. Da kommt ein Schlepper, ein ganz dicker, das macht ihn aber nicht schnell, trotz Verstellschrauben. Ein Schlepper ist eben zum Schleppen und nicht zum Rasen da, wir müssen warten. Knapp hinten durch, voll ins Schraubenwasser, KIRA tanzt, 30° Backbord 40° Steuerbord, auf dem Schlepper amüsieren sie sich. Der nächste auf der Aussenspur ist brutal langsam, wir sind durch, Hebel vom Tisch.
Wir lebten ein paar Tage durch, auf einem ruhigen Ankerplatz in Malaysia, gegenüber Singapur, dort Landgewinnung- big time-. Danach „Singapur rund“. Raus aus dem Fluss um Singapur – Ost bis West – und wieder rein in den Fluss auf der anderen Seite. 42 sm durch ein Hafengebiet, wir machen das am Tage, wir müssen das doch sehen. Ja genau, wir müssen es sehen, unser Radar ist blind und der Rechner schafft die vielen hundert Schiffe nicht. Wir können auf unserem alten AIS die Ankerlieger nicht ausblenden, Stillstand auf dem Schirm. Am Abend laufen wir in der Marina von PUTERI HARBOUR in Malaysia ein, genau während des obligatorischen 1800 Gewitter. Transmission time.
Eine edle Marina, der Anfang des größten Bau- und Tourismusprojekt in Malaysia, direkt an Singapur grenzend. Quadratkilometerweise wird Bauland zurecht geschoben, für einen asiatischen Traum von Familie mit Kindern. Villen, Appartements, Hotels, Malls und alles für die Unterhaltung mit den Blicken von Kinderaugen betrachtet. LEGOLAND ist schon da. Wir wissen jetzt, das es spezielle Restaurants für Kinder geben muss, in Pink natürlich und mit Tischen, an den sich Erwachsene so fühlen wie Kinder an Tischen für Erwachsene, nur umgekehrt. Natürlich waren wir ein paar Tage in Singapur, das ganze Programm. Endlich Paulaner Weizenbier, trinkbar, aber nicht bezahlbar. Seit dem versucht Detlev zu verstehen, warum eine Stadt sechs PRADA und sechs GUCCI Filialen benötigt. Im Moment arbeitet er noch daran zu verstehen, warum sie überhaupt eine braucht. Hilfreich war für Detlev allerdings, dass er nicht wie in Deutschland tagelang durch die Showrooms laufen musste um die neuesten Tuning-Projekte der Hersteller von Nobelkarossen kennen zu lernen, dafür reichen in Singapur zehn Minuten an einer Straßenecke in der Innenstadt. Ein Leben ganz ohne Neid geht halt auch nicht.
MALAKKA STREET
Die MALAKKA STREET ist eine Plakkerei und nur bei Tage und in unserem Fall nur mit Motor zu machen. Nachts im Verkehrstrennungsgebiet zu fahren ist sehr unangenehm, wegen der dicken Pötte, höchstens extrem rechts und da kommen die Schleppverbände schon wieder von vorne, weil sie außerhalb fahren. Unter der Küste sind die Fischer und vor allem ihre Netze. Es gibt unter Seglern gehandelte Ankerplätze, aber nur wie man sie für die Tagesreisen braucht, mehr sind da nicht. Tagesreisen von bis zu 60 sm, das geht bei uns nur wenn der Strom nicht von vorne läuft. Wir haben es probiert und es war nicht lustig. Ein selbstgewählter Ankerplatz hatte bei Flut noch drei Meter, 300 Meter vom Land entfernt, also zurück auf 5 Meter, da draußen aber schon wieder die Fischer, eine unruhige Nacht mit einem Netz in der Kette. Das zweite Mal ein ein zauberhafter klarer Himmel um 1600 und ein besonders weitläufiges und intensives Gewitter um 2200, wir wissen nicht, wie das möglich ist. Tagsüber hat man auch die bessere Sicht auf den Müll. Was wir da so an einem Tag haben im Wasser schwimmen sehen, das war mehr als in 6 Jahren Südwestpacific.
LANKAWI
Unser Ziel war Lankawi, aber bei Pankor Island, 100 sm davor war Schluss und das aus gutem Grund. Die Marina Pankor Island ist einfach aber nützlich, sie hat neben einem großen Hartstand alle Gewerke und ein feines Travelsystem. Das Ganze liegt auf einer künstlichen Insel mit Brücke zum Festland. Die Preise sind günstiger als in Langkawi oder Thailand, berichteten uns Yachtcrews, die hier seit Jahren rumfahren und immer wieder hierher kommen. Die Städte in der näheren Umgebung bieten Geschäfte aller Art in Hülle und Fülle, die Leihwagen speziell für arme Yachties kosten fast nichts. Der Weg nach Kuala Lumpur nicht zu weit.
Es war das spannenste und interessanteste Jahr unserer Segelreise, es war auch das anstrengenste und abenteuerlichste. Wir haben viel gesehen in den letzten 10 Jahren, die letzte Reise war die Krönung und nun auch das Ende. Es ist Zeit für die KIRA, sich nach neuem Pflegepersonal umzuschauen. Wir werden ihr dabei helfen, ob hier oder per Frachter im Mittelmeer. Sie kann noch öfter um die Welt segeln, so wie sie gebaut, gepflegt und ausgerüstet ist, wir allerdings nicht. Als Abschied haben wir ihr einen günstigen Preis gegeben, wir wollen, dass sie bald wieder unter Segel kommt, da fühlt sie sich am wohlsten, da liegen ihre besten Werte. Ob SOLVEIG oder KIRA von CELLE, sie ist mehr als nur ein Schiff, aber das kann nur verstehen, wer auf ihr lebt, wie wir es 10 Jahre lang haben geniessen dürfen.
Beate und Detlev Schmandt
SY Kira von Celle