November 2017
SALVADOR DA BAHIA, BRASILIEN
Brasilien, Brasilien… heißt der bekannte Roman des brasilianischen Schriftstellers João Ubaldo Ribeiro. Er spielt genau dort, wo wir uns jetzt mit unserem Schiff befinden: in Salvador da Bahia. Es geht um die Geschichte dieser tropischen Landschaft, es geht um Krieg, Kannibalismus, Kolonialzeit, Verbrechen, Betrug, starke Frauen und gute Geister. Und dann gibt es einen Ausblick auf die Neuzeit – zwangsweise müssen wir diesen Ausblick überprüfen.
Etwa 7000 km brasilianische Küste in 3 Monaten abzusegeln und auch dann und wann etwas zu besichtigen ist eine kaum lösbare Aufgabe. Doch in der Vergangenheit konnte die Yacht-Crew ihre Aufenthaltsgenehmigung problemlos für sich und das Schiff um weitere 3 Monate verlängern. Der Tourist bringt dem Land schließlich Devisen.
Auf dem Weg von Argentinien nach Norden gegen den vorherrschenden Nordostwind glaubten wir vorsorglich in Cabo Frio – östlich von Rio – beim Zoll (Receita) vorsprechen zu sollen. Man muss wissen, dass hier Behörden unvorhersehbar reagieren. Bei der Einreise von den Kapverden vor einigen Jahren wollte eine energische Beamtin uns nur Zutritt zum Land gewähren, wenn wir von unserer Bank einen offiziellen Kontoauszug vorlegen. Wir kamen – ausnahmsweise – mit einem Kontostand-Download auf dem Laptop davon. Bei Nachfrage zu dieser Bestimmung in Rio meinte der Zoll-Chef lapidar: „The Lady had a bad day.“
Freundlich, englisch sprechend und hilfsbereit empfing uns der Zoll-Boss in Cabo Frio auf dem Flughafen, um unseren Verlängerungswunsch anzuhören: „No problem!“ Wir sollen morgen wiederkommen – alle Wege in Brasilien sind kleine Weltreisen – und bei seiner Kollegin zuerst im Pass ein neues Visum stempeln lassen. Hartes nächtliches Gesetzes-Studium brachte die Beamten am nächsten Tag zu der Erkenntnis: Nix geht mehr! Die Gesetze für Touristen wurden geändert, das Schiff darf noch (maximal 2 Jahre in einem Hafen mit allen Behörden vor Ort) im Land bleiben, aber die Besatzung muss mindestens für 3 Monate das Land verlassen: „I am sorry, you have to take that serious.“ Jeder überzogene Tag für die Besatzung kostet 100 Reales (ca. 27 Euro). Dies brachte uns nach Salvador da Bahia, um für uns einen Heimflug und das Schiff eine Bleibe zu suchen. Ein gütiges Geschick ermöglichte uns, bis zum Ablauf des Visums noch einige Tage Frist zu haben.
Der erste und uns bereits bekannte Hafen in Salvador nach dem morgenlichen Einlaufen ist der zentrale Terminal Nautico. Ein herbeieilender Funktionär wedelt mit dem Zeigfefinger: kein Zutritt, wegen Regatta geschlossen. Also nach nebenan in die Nobel-Marina „Bahia Marina“ für reichlich 50 Euro umgerechnet pro Tag. Zum Bleiben ist das happig, aber wir fragen trotzdem nach 3 Monaten Verweildauer. Das ist auch wieder „no problem“ – doch die Besatzung muss an Bord bleiben. Gleichzeitig muss sie natürlich das Land verlassen…
Mit der Taxe folgen wir den Empfehlungen der nautischen Führer. Recht weit außerhalb der Stadt in der Baia Aratu liegt der anscheinend ideale gastfreundliche Club „Iate Club Aratu“. Der Pförtner, während er eine Saugevorrichtung nicht aus dem Mund nimmt, weist uns ab: keine Gäste!! Nicht mal die Stege dürfen wir sehen.
Uns überkommt eine leichte Panik, aber der Franzose Philippe von der Marina Ocema gibt Entwarnung. Vorwiegend Motorboote liegen an dem langen Steg, preisgünstig und geschützt. Er zeigt uns den Platz, den wir in 2 Tagen anlaufen dürfen. Ich möchte im voraus bezahlen, doch er will kein Geld annehmen, bevor wir nicht beim Zoll im Hafen von Salvador waren. Wir wissen aus Erfahrung, dass alle Schwierigkeiten beseitigt sind, weil wir als Beweis unserer gefordertenAusreise bereits die Flugtickets als Joker aus dem Ärmel ziehen werden.
Mit seinem Wagen und allen von ihm ausgefüllten Papieren treten wir den langen Weg zum Zoll an. Und nun warten wir, warten und warten. Die junge Frau, die uns die Papiere abgenommen hat, lässt sich nach 2 Stunden mal wieder blicken. Ich bekomme aber keine Anwort auf meine spanisch gestellte Frage, ob sie geschlafen hat. Kurz vor Dienstschluss dann die definitive Ansage: in dieser Marina dürfen wir das Schiff nicht lassen. Philippe rastet aus und ergeht sich in verschiedenen Spekulationen: dieser Zollchef hat früher seine brasilianische Frau angebaggert…Erneut beginnt mit Philippes Hilfe die Suche. Wir landen in der Marina „Angra dos Veleiros“ in Ribeiro, von wo erneut der Abmelde-Parcours (Capitania, Receita) durchlaufen werden muss. Die Vereins-Sekretärin weiß nicht, was sie machen muss. Als „Experte“ in Sachen Zoll lasse ich sie das Schreiben aufsetzen, in dem bestätigt wird, das der Verein das ausländische Schiff beherbergt.
Während der Abflugtermin immer näher rückt, hoffe ich, nur noch diesen Tag opfern zu müssen. Beim Zoll ist ein neues Gesicht, das nicht weiß, was zu tun ist. Der brasilianische Verbindungsmann zu den Regatta-Schiffen im Hafen (Jacques Vabre Regatta Le Havre – Salvador)klärt die Dame auf – und uns, dass das mitgeführte Vereins-Dokument prima ist, aber es muss noch einmal auf ein Formblatt geschrieben werden. Anheften geht nicht.
Am nächsten Tag überlegen wir, ob wir die Flüge sausen lassen und einfach ohne Abmeldung auslaufen. Ich widerstehe der Versuchung und opfere einen weiteren Tag. Dann quetsche ich in glühender Hitze meine Maschinen-Wartungsarbeiten in 13 Stunden zusammen, wobei mir das Getriebeöl in die Bilge läuft, und verfluche den Zollchef. Leider ist er keine Romanfigur…
Was bleibt als Fazit? Variante eins: unser gesetzestreuer Weg. Variante zwei: sich in keinem Hafen anmelden, bevor man nicht sicher ist, das Land in 3 Monaten wieder verlassen zu können. Risiko: wenn der Zoll seine Beute schnappt, sind 20% des im Formular eingetragenen US-Dollar Schiffswertes fällig. Ein mancher konnte sein Schiff nicht zurückkaufen. Variante drei: das Land vermeiden.
Nachsatz: Es gibt auch sehr nette und hilfsbereite Brasilianer.
Uli Hering, SY „Nadine“, Salvador da Bahia, November 2017
Mein lieber Herr Hering,
Ob mein Kommentar Sie noch erreicht?!
Lange, lange ist es her aber Sie sind nicht vergessen. PKS
Was für tolle Berichte!
Viele Grüße aus der Muddastadt. NADINE