Gone with the wind – sind die unbeschwerten Zeiten damaliger Segler, die sich im Herbst in Las Palmas versammelten, einander kennenlernten, bei Jimmy einen Obulus bezahlten und sich mitreissen liessen, von seiner Idee einer Atlantic Rally, einer Spass Regatta, bei der augenzwinkernd wenig verboten und vieles erlaubt gewesen ist. Hauptsache, man war dabei!
30 Fuss Schiffe gab es viele und Familien Crews waren die Regel. Die Gesamtzahl der Teilnehmer passte notfalls in ein Zelt, das auf dem staubig ungepflasterten Hafen Vorfeld im Winde flatterte, damit die Sonne zumindest keinen Schaden auf den Köpfen der Segler anrichten konnte, wenn sie dort auf ihre instructions wartend, aufgereiht gestanden haben.
Die Schiffe waren bezahlbar – die Eigner bodenständig – Sextanten noch vorhanden – der Ton freundlich und aufgeschlossen – und social life fand auf Stegen und in dreckigen Toiletten statt.
Für mich waren die Kanaren seit 1979 der perfekte Ort, vor dem Tauchgang in die nordeuropäische Winterzeit ein wenig Sonne zu tanken – durchreisenden Seglern am Anker oder im Hafen aufzulauern und ihnen ein wenig in Sachen Steuerbefreiung zu helfen – dabei ein paar Lektionen zu lernen über eine Materie, die damals erst wenige Jahre zu meinem Lebensmittelpunkt geworden war. Denn soviel Feedback auf einmal gibt es weltweit nur in wenigen Häfen, schlicht weil die Segelrouten in die Neue Welt allesamt in den Kanaren gebündelt werden – man dort also mit Kohlenschaufeln lernen kann.
Und so lernte ich 1986 bei meiner Hafen Patrouillie Jimmy Cornell kennen, als er mit Gwenda in Las Palmas erstmals seine Zelte aufgeschlagen hat.
Allerdings hielt ich zunächst Abstand, huschte weiterhin von Schiff zu Schiff, rannte meinem Credo hinterher, sorgte für eigene und feindliche Windsteuersysteme, stellte Nerven und weibliche Mitsegler ruhig und genoss die Zeit in der Sonne mit netten Menschen. Non-Profit war für mich der logische Weg – warum sollte man im Hafen eine Registrierkasse aufstellen, sich und anderen die gute Laune verderben? Zudem: der Lerneffekt funtionierte ja auch rückwärts – in meinen Kopf hinein.
Die Jahre sausten, Jimmie´s Flotte wuchs ins Stattliche – man lernte sich kennen – wurde freundlich begrüsst – same procedure as every year – das war die Devise aller Beteiligten! Die ARC Crew war damals ein fröhlicher Verein, bei dem manch einer den Job ehrenamtlich erledigt hat.
Sieben Jahre plätscherten die Zeiten, dann stand Jimmy plötzlich quer im Weg – sein Finger zeigte in meine Magengrube – und er befahl mir, am Abend im Club Nautico zu erscheinen: Punkt um Acht!
Ich hatte Schiss und eine lange Hose auch nicht im Gepäck, was damals wie heute Voraussetzung und Dresscode für diesen noblen kanarischen Männer-Verein gewesen ist. Mein Entschluss stand fest: Ich wollte kneifen. Das Donnerwetter folgte am nächsten Morgen, denn Jimmy hatte mir einen „Award“ für treue Dienste für die ARC überreichen wollen. Dumm gelaufen! Der Award wurde mir dann am Steg in die Hand gedrückt – er hängt heute noch an meiner Office Wand.
Jedenfalls kroch langsam und leise eine Freundschaft um die Ecke, die peu a peu das Laufen lernte: Seminare in Las Palmas, London und Amerika wurden aus der Taufe gehoben, eine Kooperation für Germany als World Cruising Deutschland – gemeinsam mit Astrid+Wilhelm Greiff – ins Leben gerufen und Blauwasser Seminare in Deutschland 1998 zur Hanseboot fest etabliert.
Es lief alles gut – und Spass kam nie zu kurz.
Jimmie´s Entschluss, den World Cruising Laden zur Jahrtausend Wende zu verkaufen, war eine Zäsur, hingegen sie war verständlich und wurde darum allseits getragen – zudem waren Änderungen unter der Aegide des Challenge Business´ zunächst kaum zu spüren, abgesehen davon, dass Jimmies frühere Assistenten nun als Managing Directors Auferstehung feierten – und das Team fortan in gelben T-shirts durch den Hafen lief.
Aber der Wind drehte – und Jimmy fehlte!
Unter Chay Blyth gab es neue Direktiven: Ernst sollte Spass ablösen – Commercial Aspects zur neuen Devise werden! Ein Plan mit Folgen.
War die Metamorphose des schwelligen Hafens zur Marina mit Schutzmole schon zu Jimmie´s Zeiten eingeleitet, wurde nun landseitig nachgerüstet: Sandwege wurden asphaltiert, Parkplätze zu Ladenzeilen, Verbotszonen eingerichtet, die von Policia Lokal, Guardia Civil und Portuaria Policia fortan kostenpflichtig kontrolliert wurden.
Ein weiterer Inhaberwechsel in 2006 veränderte die Gemengelage noch einmal – war das Unternehmen nicht interessant – profitabel – genug?
Andrew Bishop, Jeremy Wyatt und Adam Gosling erwarben World Cruising Ltd von Chay Blyth und führen den Betrieb bis heute von Cowes auf der Isle of Wight
Ein Netzwerk von Event-, Port-, Corporate- und über 20 Supporting Sponsors veränderten Ablauf, Umgang und Verhalten in Las Palmas im weiteren Verlauf. Fortan wurde es zwingend, zunächst einige tausend € an den Veranstalter zu zahlen, bevor man den Seglern vor Ort helfen konnte – durfte.
Das strikte Zusammenwirken von Veranstalter, beteiligten Firmen und lokalen Behörden gerät seither zum Nachteil für Serviceunternehmen, die nicht zuvor an der Veranstalter Kasse bezahlt hatten: sie wurden – teils polizeilich – aus dem Hafen entfernt – ein deutscher Techniker verbracht gar eine Nacht hinter Gittern.
Im Verlauf weniger Jahre hat sich eine monopolartige Position ortsansässiger Service und Zubehör Betriebe entwickeln können, deren Sortiment derart umfänglich geraten ist, dass man heute in Las Palmas am Hafen fast alles kaufen kann – allerdings zu Preisen – über die man besser nicht nachdenkt – wenn man Magenschmerzen vermeiden möchte.
Service Unternehmen aus anderen Inselhäfen haben hier nicht standhalten können und so ist eine Monokultur entstanden, die für Segler mit geringerem Budget kaum noch zu bezahlen ist.
Yachties mit handwerklichen Fähigkeiten konnten früher auf den Kanaren ihr Bordbudget aufbessern, indem sie sich durch ortsansässige Unternehmen – Hafenbetreibern – auf andere Yachten haben vermitteln lassen. Unter Seglern war dies normal, weil sie ein kommunikatives Volk sind und in Hafenrunden gute Leute stets gefragt waren. Diese Segler sind heute weitergezogen, meist nach Westen.
Segler, die ihr Budget heute aufbessern wollen und sich zur Ärger Vermeidung ganz offen nach den Möglichkeiten erkundigen, werden des Hafens verwiesen, erbringen ihre Leistungen im Verschwiegenen – oder gleich an Land.
In Las Palmas habe ich kürzlich einen Segler an Bord vor Anker besucht, dessen Kockpit randvoll mit Sägespänen gewesen ist – nicht der allerbeste Arbeitsplatz für einen Holzwurm, der sein Handwerk in Geld tauschen möchte!
Ein anderer Segler wurde zur Arbeitssuche vor die Tore von Las Palmas verwiesen.
Heute wacht die ortsansässige Konkurrenz im Verbund mit dem ARC Veranstalter über „Gesetz und Ordnung“ – und sichert eigene Pfründe, auch wenn damit für den Segler keine bessere oder gar preiswertere Lösung von Problemen verbunden ist – eigentlich eher das Gegenteil.
So ist die ARC zu einem Mikrokosmos geraten, in dem beteiligte Firmen – Supporter – vom Veranstalter und örtlichen Behörden geschützt, ungestört ihren Geschäften nachgehen können – und sollen.
Für Nicht ARC Segler ist Las Palmas im November nicht mehr der beste Platz, denn selbst Longterm Seglergäste werden radikal aus dem Hafen verwiesen, wenn sie nicht so schlau gewesen sind, sich im Club Varadero einzumieten, der preiswerter ist, als die Marina nebenan, hingegen nur über wenige Gastliegeplätze verfügt.
Der Kollateral Effekt der rigiden ARC Liegeplatz Bewirtschaftung strahlt auf andere Inselhäfen und sogar auf die Häfen benachbarter Inseln aus. Es soll Segler gegeben haben, die um des Liegeplatzes willen, sich dann lieber als ARC Teilnehmer eingeschrieben haben – und hernach auf ihrem Platz liegen bleiben durften.
Hinzu kommt, dass auch Canarios ihre Liebe zum Wasser in Flottillen von motorisierten Wasserflöhen – kleinen und grösseren Motorbooten – Ausdruck verliehen haben, die allesamt einen Wasserparkplatz benötigen. Ganze Hundertschaften von abgeplanten Wasserspielzeugen schaukeln in Puerto Rico, Pasito Blanco und Las Palmas und warten darauf, dass Ihre Kapitäne sie dereinst bewegen. Jedenfalls sind Liegeplätze für durchreisende Wasserwanderer inzwischen knapp geworden – teurer sowieso.
Segler, die hier finanziell nicht mithalten können – oder wollen – werden – sichtbar – hinter einen Zaun verbannt – und demnächst auch vom Hafenzugang durch Barriere ausgeschlossen. Die Fundamente sind bereits gemauert.
Diese Entwicklung teilt die Seglerschaft in eine Zwei-Klassen Gesellschaft – eigentlich kontrapunktiv bei einem Sport, der Menschen unterschiedlichster Couleur ansonsten so ideal verbinden kann.
Zustand und Ausrüstungsstand der Schiffe im ARC unterscheiden sich deutlich von dem anderen Schiffe, was sicherlich zum Teil mit grösserer finanzieller Potenz der Eigner zu erklären ist – oder auch Ausdruck einer Unsicherheit, der man durch Zukauf von Sicherheit – Ausrüstung – begegnen will.
Für viele Segler ist die Teilnahme an der ARC Teil eines straffen Zeitplans, für Charterschiffe die Wintersaison in der Karibik, für Sabbatical Segler die Atlantik Runde, während abseits der ARC viele Longterm Cruiser einem anderen, eher flexiblerem Rythmus folgen.
Es ist kein Geheimnis, dass der Start der ARC für einen sicheren Nord-Ost -Passat zu früh, hingegen eine Ankunft im Segler Paradies Karibik noch vor Weihnachten, wichtig ist, um dortige Zeitplanungen interessant und möglich zu machen. Für Charterfirmen beginnt die peak season in der Karibik zu Weihnachten – und Kojen im ARC verkaufen sich traditionell besonders gut.
Ob die diesjährigen Probleme im Zeitplan und Durchführung bei einem späteren Starttermin verhinderbar gewesen wären, wird sich erst in Folgejahren ermitteln lassen, wenn Tendenzen in Bezug auf Segler Entscheidungen und Wetterabläufe besser zu beurteilen sind.
Solange jedoch gilt die alte Segler Regel weiter: eine spätere Abreise aus den Kanaren ist nie verkehrt.
Die geballte Wirtschaftkraft einer ARC Flotte ist für den Standort Las Palmas – und die Insel Region derart wichtig geworden, dass örtliche Behörden als Sponsoren agieren und Sachleistungen in der Kostenübernahme von Hotelkosten und Veranstaltungs Durchführung übernehmen. Wenn darüberhinaus dann Einzel Sponsoren für Parties, Feuerwerk oder Ausflüge bezahlen und schlussendlich eine Abschiedsparty für 1000 Teilnehmer mit Paella Essen veranstaltet wird, bei der sogar das Porzellan knapp zu werden droht, mag sich mancher Segler bange fragen, für wen sich das Ganze wohl am meisten gerechnet hat.
Darüber nachzudenken jedenfalls haben die Segler nach aufregenden Tagen in Las Palmas und anschliessendem Start, dann auf See viele Tage Zeit, bevor sich in St. Lucia eine ähnliche Veranstaltungs Lawine in größerer Wärme dann noch einmal über sie ergiesst.
Ob und wie die bislang gewohnten Abläufe im Ziel bei der diesjährigen ARC sich allerdings realisieren lassen, das wird man erst beurteilen können, wenn nach dem ersten Motorboot auch die letzten Segler in St. Lucia eingetroffen sind.
So wie es aussieht, wird es genügend viele Gründe geben, Art und Inhalte derartiger Veranstaltungen zu überdenken, wenn es nicht nur für den Veranstalter profitabel, hingegen auch attraktiv für die Segler Kundschaft bleiben soll.
Diesen Spagat zu bestehen, kann zur Herkulesaufgabe geraten, denn es gibt soviele Routen und Möglichkeiten wie die Suche nach dem warmen Wind Richtung Westen.
Peter Foerthmann