DIE SPITZE VOM EISBERG
Segler sind Traumtänzer, oder nicht? Wie kommt es nur, dass nahezu jedem Segler der Traum von der ganz grossen Reise innewohnt?
Die Antwort ist einfach: weil dieser Traum im unserem Kopf stets nur um die Ecke wohnt, man ihn sorglos still und leise – und mit einem breiten Grinsen im Gesicht – stets und jederzeit ein Stückchen weiterspinnen kann, derweil man im richtigen Leben ggf. gerade im Beziehungsstau, oder dem auf der Strasse steckt, oder beim Zahnarzt wehrlos auf dem Marterstuhl das Kreischen des Bohrers allzu gern mit dem der Möven verwechselt. Der Traum als Placebo Pille.
Der blaue Traum ist – neben dem vom Sex – für einen Segler die perfekte Medizin, ein schnödes Leben schön zu krönen, auch wenn die Realität gerade Off Road aus der Kurve fliegt. Ohne Träume ist das Leben nix, der blaue Traum ist besonders fix, weil er so wundervoll licht und rein, in der Lage ist, das Leben mit Zuckerguss zu übersüssen und sodann die Lebens Kandare besser zu ertragen. Jedenfalls bis zum Tage X, dem Tag der Abfahrt, wenn der denn tatsächlich um die Ecke biegt. Selten genug klappt´s, weil immer wieder was dazwischen kommt, manchmal als Lebens Endlos Schleife.
Hängt von einigen Faktoren ab:
– den Ressourcen, der Knete, mit denen man sich Schiffe, Ausrüstung, Dosenfutter, eine Schnitte Unabhängigkeit und vor allem Zeit kaufen kann.
– einer gelungenen Lebensplanung im Rahmen einer vorzugsweise symbiotischen Beziehung, die nicht gleich im nächsten Hafen zur Bushaltestelle rennt, die dauernd kotzend in der Koje pennt, oder sich im Hafen in den Skipper vom Nachbarschiff verrennt.
– den mentalen Fähigkeiten des Delinquenten, eigene Traumgebilde mit den Realitäten abzugleichen, ggf. stillschweigend zu homologisieren, zu konsolidieren oder gar zu tunen, weil man ja am Ende zumindest als Held glänzen möchte, notfalls mit Dellen!
Es dürfte hier unzweifelhaft sein, dass die Zahl der Segler, die dereinst ihre Träume umzusetzen bereit und in der Lage sind, die blaue Torte anzuschneiden, um ein Stück von ihr zu kosten, im Promillebereich zur Gesamtzahl hiesiger Träumer liegt, jedenfalls derjenigen, die bei einem Opti vorn von achtern unterscheiden können, wenngleich die sich beide einander so sehr gleichen! Ich habe diese Träumer und Glückskekse früher mit der Spitze eines Eisbergs verglichen.
Deutschland ist und bleibt ein Land, in dem Blauwasser Segeln mit Homöopathie in Verbindung zu bringen ist, weil hier wie dort winzige Dosen gelten. Bobby Schenk hat mit Mühe und Akribie 85 deutsche Weltumsegler im Zeitraum von bald 60 Jahren aus der Geschichte zu Tage befördert, gesiebt und etliche davon interviewt, jedenfalls diejenigen, die noch nicht gestorben sind.
BLAUWASSESEGELN IST IN DEUTSCHLAND NUR FÜR HARDCORE INDIVIDUALISTEN
Die Zahl aktuell auf Reisen befindlicher deutscher Yachten liegt bei wenigen hundert, vermutlich recht ähnlich der Anzahl weiterer Segler, die in der Planungsphase stecken. Alles in allem rührend geringe Zahlen, wenn man sie mit blauen Aktivitäten in Holland oder Frankreich vergleicht und zu Bevölkerungszahlen ins Verhältnis setzt. Dumm nur – oder wundervoll? – dass Segeln bei uns mit Fussball so herzlich wenig gemeinsam hat. Vermutlich der Grund für dezidierte Individualität des Segelsports! Schlecht auch für Vermarkter, die in der Szenerie leben, essen und atmen wollen.
Es liegt im Wesen menschlichen Strebens, eine jede Zielgruppe kaufmännischem Handeln zu unterwerfen, wobei Einkommens starke Segler als Pfaue ihr Rad besonders prächtig im Fokus potentieller Werber schlagen. Nicht wahr, eine Segelyacht lässt Ressourcen vermuten, die deren Mannschaft zu gehätschelten Konsumenten werden lassen.
Ist es nicht verwunderlich, dass im deutschen Mikrokosmos vom Blauwassersegeln neuerdings ein Hype stattzufinden scheint, der den Eindruck hinterlässt, dass es sich hier um eine enorme große Zielgruppe handeln müsse? Haben hier einige Damen und Herren die Realitäten ein wenig falsch eingeschätzt, haben sie es gar ein wenig zu weit getrieben in ihrem Wunschdenken nach einer Monetarisierung der komplexen Blauwasser Thematik? Oder will man hier die Peitsche schwingen, um mehr Segler zur grossen Reise zu verleiten, in deren Folge man dann Umsätze generieren kann?
Meine Vermutung ist eher, dass hier zu viel Wind gemacht wird, zumal die Fakten eine ganz andere Realität zu spiegeln scheinen.
DIE SEMINAR ERNÜCHTERUNG – ODER DAS WATERLOO?
Immerhin haben ungefähr acht ganzseitige Yacht Inserate für das Zweite Yacht Blauwasserseminar in Warnemünde, im Verbund mit dem enormen Investment erwartungsfroher Sponsoren samt begleitender Presse Berichterstattung am Ende lediglich ca 40 Teilnehmer akquirieren können. Derart blamable Besucherzahlen lassen schon auf eine fulminante Fehleinschätzung schliessen. Wer hätte das wohl gedacht? Oder sind hier einige Leute übermütig geworden?
Liegt es am Kooperationspartner Trans-Ocean Verein, der die Interessen der Segler- und Mitgliederschaft jahrelang erkennbar mit Füssen getreten hat und dessen Vorstand einer so ganz eigenen Vorstellung von Ausgestaltung und Ausrichtung eines Vereins zu folgen scheint, in dessen sichtbarer Folge im Verein heute Grabesstille herrscht, was einer Seminarveranstaltung wie der in Warnemünde, vermutlich eine negative Aura verliehen haben könnte? Haben hier Segler und Yacht-Leser mit den Füssen abgestimmt?
Oder herrscht hier Kannibalismus im Revier, weil zu viele Interessen auf der Jagd nach dem edlen Wild potentieller Langfahrtsegler, sich gegenseitig das Wild vor der Flinte verjagen?
Oder ist das Gleichgewicht von Macht, Männern und Moneten, egal in welcher Reihenfolge, aus der Balance geraten, weil man die Sorgen und Nöte potentieller Blauwassersegler mit aller Kraft zu monetarisieren versucht?
Könnte alles sein – muss aber nicht!
DER WEBFEHLER IM SYSTEM
Ich vermute eher eine Fehleinschätzung der Gesamtsituation. Das Kräftemessen zwischen Print und Online scheint mir bereits entschieden, weil lebenserfahrene Menschen mit Weitblick und Beurteilungsvermögen der Angebote … hier mit den Füssen abgestimmt haben, weil sie vielleicht erkannt haben, dass die ungeheure Vielfalt aktueller Angebote von BLOGS und Online Plattformen die Realitäten eben doch besser spiegeln, als Bücher, die nur zeitversetzt aktualisiert werden und zudem mit aktuellen Entwicklungen kaum Schritt halten können. Nicht zu reden von monetären Interessenlagen von Buchautoren und Verlagen, die nicht immer den realen Interessen der Segler entsprechen können oder sollen, weil das Umsatzdenken im Vordergrund zu stehen hat.
KOMPETENZ IST DER SCHLÜSSEL ZUM HIMMELREICH
Auch wenn die Verquickung finanzieller Interessenlagen für Buchautoren und Verleger als verlockender Ausweg in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten erscheinen mögen, so halte ich dies für einen Holzweg, weil der Qualitätsanspruch der hier adressierten Klientel über allem steht, die die vorhandenen Angebote sehr wohl abzuwägen weiss, zumal das Netz unbegrenzte Alternativen gratis zur Verfügung stellt. Wenn Buchautoren und Seminar Referenten zu Aushängeschildern und Lautsprechern von Werbepartnern werden, treffen die Botschaften schnell auf verschlossene kluge Segler Köpfe, die derartige INFLUENCER ins Leere laufen lassen und sich den hier vermeintlich plietsch ausgedachten Verführungskünsten … elegant, gleichwohl galant zu entziehen wissen, indem sie dezidiert das nackte Hinterteil zu zeigen wagen.
MEIN VORGARTEN
Vielleicht überflüssig, es hier noch Mal zu wiederholen, aber dennoch: ich habe in den vergangenen Jahre immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Segel Autoren jeder Provenienz, inklusive einiger Weltumsegler, ihre ganz persönliche Sichtweise auf die komplexe Thematik von Windsteuersystemen in Buch- und oder Zeitschriften Elogen niedergeschrieben haben, ohne sich inhaltlich oder ob der Technik der Richtigkeit ihrer Untersuchungen zu versichern, wobei hier unstreitig ist, dass ich mein Wissen gern zur Verfügung stelle, ohne gleich das Eigenmarketing Karussell in Gang zu setzen.
Es wundert mich immer wieder, dass im PRINT Fussfallen – in Form fehlerhafter Berichterstattung – selten als solche erkannt und verhindert werden, insbesondere, wenn die Fehler anschliessend einer gut informierten Leserschaft verkauft werden, die sie dann schnell entlarven. Besser kann Print den eigenen Ruf nicht konterkarieren. Ohne hier mit der Holzlatte zu winken, aber wenn Print qualitativ unvollständig recherchierte – oder gar falsche! – Berichte zu Fachthemata, wie z.B. Windsteuer Systemen, verfasst, frei nach dem Motto: „ist mal wieder notwendig, darüber zu berichten“ geraten Fehlschüsse zum Eigentor, die der Leser, der für Informationen hier zu bezahlen hat, nicht vergessen wird.
Natürlich bin ich mir des Wettbewerbs bewusst, den ich hier selbst entfache, aber ich überlasse es dem Urteil der Segler, ob sie meine Angebote honoriert, selbst wenn sie dafür nicht an einer Kasse zu bezahlen haben. Die Zugriffszahlen dieses Blogs sind für mich Indiz für die Richtigkeit meiner Vermutungen.
Wenn Verlage oder Magazine unter der Flagge besonderer Expertise ihren Lesern fehlerhafte Berichte unterbreiten, ist dies wie eine Säge am Ast, auf dem man sitzt, weil am Ende der Abonnent oder Leser weggelaufen ist, wenn der Ast zu Boden kracht.
DIE LATTE LIEGT HOCH
Das es auch anders geht, hat vor kurzem der Palstek aufgezeigt, dessen Autor Hans-Harald Schack nach umfangreicher Recherche einen lesenswerten zweiteiligen Bericht zur Thematik der Windsteueranlagen verfasst hat, auch wenn der von Nicht Abonnenten nur gegen Gebühr zu lesen ist.
WINDFAHNEN-SELBSTSTEUERANLAGEN TEIL 1
WINDFAHNEN-SELBSTSTEUERANLAGEN TEIL 2
Bei ATTAINABLE ADVENTURE CRUISING, The Offshore Voyaging Reference Site, sind eine Reihe von Abhandlungen von engagierten Praktikern publiziert worden, die sich der Thematik von Autopiloten und Windsteuersystemen umfangreich angenommen haben:
Alle Berichte sind frei verfügbar, inhaltlich detailliert, fachlich referenziert und vielfach kommentiert. Allerdings sollte man Englisch verstehen und lesen können, was ja für einen Segler mit Sehnsucht nach Palmen Stränden zur Grundausstattung gehören sollte.
Fehlerhafte oder tendenziöse Berichterstattung, aus welchen Gründen immer, wirft einen Schatten rückwärts auf einen Autor oder seinen Verlag, die doch eigentlich ihre Leserschaft mit neuesten Erkenntnissen überraschen wollen, wofür sowohl Autor auch auch Verlag vom Leser einen Tribut verlangen.
Es bleibt nur die Vermutung, dass in einigen Redaktionsleitungen und Verlagen in EU oder USA der Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen wird. Für mich allerdings, sind die kümmerlichen Auflagen Spiegelbild der Wertschätzung einer Leserschaft, die sich ihre Informationen anderweitig beschafft und damit den Print Verlagen verloren gegangen sind.
Alles nachvollziehbar, weil die Gesetze des Marktes logisch und stringent klaren Regeln folgen, die uns allen bekannt sind, denen wir grösstenteils unser eigenes Einkommen verdanken.
meint
Peter Foerthmann
Peter, Deine Beherrschung der Sprache, teilweise sogar in Prosa, ist immer wieder beeindruckend. Deine scharfe Analytik und daraus heraus die Kritik ist stimmig. Eben habe ich zwei Blauwasser-Seglerpaare getroffen. Gut und gerne 9 Jahre von der Arktis bis Feuerland, über 5 der grossen Meere. Eine Paar aus Schweden/Deutschland und das andere aus NL. Du kennst sie beide. Eindrücklich deren Erfahrungen und…. sie bestätigen Deine Meinung und auch Kritik.