Nik Suermann

SEEFAHRT + SEGELN = PFLICHT + KÜR
Ist es nicht bemerkenswert, dass Segler, die beruflich auf See ihr Geld verdienen, eine gänzlich andere Prägung erfahren, wenn sie privat unter weissen Flügeln einen Hafen verlassen? Die Antwort kommt auf der Stelle, unmissverständlich und brutal: wer einen Grossteil seiner Lebenszeit auf den Ozeanen verbringt, lernt an erster Stelle den Respekt vor den Naturgewalten, sogleich gefolgt vom Wissen um die Konsequenzen, die Denkfehler für das Leben und Wohlergehen auf See haben können oder werden, schlicht, weil Berufsschifffahrt einem Fahrplan folgt, bei dem das Wetter zur Randerscheinung wird, dem man ausgeliefert ist, mit dem man sich zu arrangieren hat. Demgegenüber ist es für Segler, die einen Grossteil ihrer Zeit an Land verbringen, und von dort Freiheitsträume schmieden, recht normal, Reisen stets sorgfältigst zu planen und unter Ausnutzung jedweder Vorhersagen und Sicherheitsszenarien sodann unschöne Wetterereignisse zu umsegeln, um vorzugsweise komplett ohne dumme Stürme, ihre Ozeanpassagen zu erleben.
Ein Unterschied, der Erkenntnisse bringt und zum Handeln zwingt, weil Lebenserfahrungen so unmerklich wie stringent eigene Entscheidungen prägen. Ich bin überzeugt, dass die Länge und Menge von auf See gewonnenen Meilen und Erfahrungen diametral Einfluss auf die Vorlieben und Präferenzen für oder gegen die Entscheidung für ein Schiff, zu nehmen in der Lage sind. Für mich ein gewichtiger Grund, bei der Wahl für Langtörn geeigneter Schiffe Spass von Ernst zu differenzieren. Ohne an dieser Stelle zu wiederholen, dass neuerdings schon ein paar spielende Orcas an Europas Küsten ausreichen, um allerorten den Segler den Schiss in die Hose zu treiben – denn derartige Zwischenfällen genügen stets, um Seglern das Blut gefrieren zu lassen.

Orca – Havarien


Oder, weniger spektakulär, die vielen anderen Stolpersteine auf See, für die ich den Begriff von Achillesfersen als passend empfinde.

Achillesfersen


Womit ich mich ans Thema herangeschlichen haben:
Nik Suermann, von 2001 – 2013 beruflich auf allen Weltmeeren, seitdem auf der Kieler Förde, Flensburger Förde und dem NOK als Lotse unterwegs, hat seine Erfahrungen in seine privaten Vorlieben für bestimmte Schiffe und Werkstoffe eingebaut, besser, einfliessen lassen, denn andere Alternativen wären für diesen Mann offenbar kaum vorstellbar gewesen.
Seit Jahren mit einer Windpilot Heckverzierung unterwegs, haben sich unsere Wege kürzlich zum wiederholten Mal gekreuzt, worum es ging? Dumme Frage … worum sollte es wohl gehen, wenn zwei Männer mit ungefähr kongruenten Vorstellungen von Schiffen, die für den hardcore Einsatz auf der grausamen See besonders und ideal geeignet sind, einen Meinungsaustausch führen, der fast ohne Worte möglich wäre? Zwei magische Worte wären bereits genug, um endlos Gesprächsstoff zu generieren: Beister und Joshua. Ein Bindeglied, das uns beiden ein breites Grinsen ins Gesicht zu zaubern in der Lage ist.
Dübbel und Jesse hat auf Norderney, vor Jahrzehnten zunächst die Beister Yachten in Stahl gebaut, bevor später der Werftbetrieb auf die Produktion der Nordsee Yachten umgestellt wurde, jene legendären Aluminium Schiffe, mit denen berühmte Segler – Wilfried Erdmann inklusive! – unglaubliche Reisen gemacht haben, Schiffe, die, wenngleich vor Jahrzehnten gebaut, selbst heute kaum Ermüdungserscheinungen zu zeigen scheinen, wie nachzulesen ist.

SV Moli – ex Taonui


Die legendären Namen der berühmten Yachten vergangener Zeiten wurden in Norwegen nach ihrem Konstrukteur Colin Archer benannt, wohingegen ihr Pendent in Frankreich auf den Namen Joshua hört und in die Geschichtsbücher eingezogen ist, weil Bernard Moitessier – Der verschenkte Sieg! – mit seiner Joshua unsterblich geworden ist. Auf der Werft Meta in Tarare wurden im Verlauf der Jahre in toto 72 Joshua gebaut.

Windspiel IV

In Deutschland wurde die Windspiel Klasse von Hein Garbers und die Beister Yachten populär, allen gemeinsam ein endlos langer Kiel mit daran angehängtem, bestens geschütztem Ruder, sämtlich nahezu uneingeschränkt seetüchtig, selbst in schwerstem Wetter – immerhin wurden mit motorlosen Lotsenbooten von Colin Archer im vorigen Jahrhundert unzählige Seeleute unter Segeln im Sturm gerettet und sicher nach Hause gebracht.
Auch für Nik Suermann sind diese Schiffe prägend gewesen, ein Kapitän auf weltweiter Fahrt, seit einiger Zeit zur Lotsenbrüderschaft gewechselt, um seine familiären Belange besser unter den stets zu engen Lebenshut zu zwängen. Nik entdeckte seine Leidenschaft für das Segeln mit 14 Jahren, als er im Bücherregal seines Vaters das Buch “Paradies an Backbord. Südsee-Reise im Kielwasser der Bounty” von Arne Falk-Rönne fand und verschlang. Die Folgen hat er bis heute auszubaden, denn Segeln gehört seitdem zu seinem Leben, wie das Wasser auf dem er beruflich mit schäumender Bugwelle durch die Meere schiebt.
Nik´s Kurzgeschichte mit eigenen Worten:

Um mein erstes Boot kaufe zu können, verpflichtete ich mich nach meinem Abitur 1993 für zwei Jahre bei der Marine. Ich fuhr als Signäler auf dem Zerstörer Rommel, lernte Morsen und Funken und in meiner Freizeit astronomische Navigation. Kurz vor dem Ausscheiden kaufte ich mir “Antissa” einen 9,70m Stahlknickspanter (mit Hydrovane am Heck), und segelte zunächst von Kiel über Helgoland, Plymouth und Porto Santo nach Teneriffa. Ein Schulfreund begleitete mich bis La Gomera, von da segelte ich alleine weiter und erreichte nach 29 Tagen Barbados. Die Karibik ging schon damals ins Geld und machte mich nachdenklich. Ich wollte erstmal was lernen. Und so segelte ich – wieder mit dem alten Schulfreund an Bord – von Antigua nach Oldenburg an der Hunte und verkaufte das Boot. 
Im vorletzten Semester an der Seefahrtschule fand ich im alten Eisenbahndock in Emden, eingewachsen in eine Brombeerhecke, den Rumpf meiner Träume: eine alte Beister, 13,40 lang, ein rostender Kasko voller Wasser, den ich in den dann folgenden sieben Jahren unter Schweiss und Tränen wieder fit und seeklar machte, unter Aufopferung jeder Mark, die ausgegeben wurde, bevor in meiner Tasche hätte Schimmel ansetzen können. Im Jahre 2005 war die Freebird endlich segelklar, und ganz plötzlich ging alles rasend schnell. Meine Freundin aus Thailand hatte kurzfristig einen Flug nach Casablanca gebucht, mir blieben exakt 11 Tage für meine Reise, um sie dort abzuholen. Ich kam pünktlich und zeitgleich mit meiner Freundin in Marokko an. Wir sind anschliessend über die Kanaren und Kapverden nach Bequia und St. Lucia gesegelt. Die hälfte der Crew an Bord der Freebird hat die Reise weniger genossen, weil sie dauerhaft mit dem Essen kämpfte, das immerzu wieder rückwärts wollte. Am Ende habe ich schweren Herzens meine Pläne von der Weltumsegelung aufgegeben – der Liebe wegen! – um den Weg zurück nach Deutschland als Einhandsegler zu erleben, wo ich nach 35 Tagen auf See auf Borkum angekommen bin. Meine Lebenspläne nahmen danach einen anderen Lauf, ich habe mein Schiff recht schnell verkauft und mein Lebenszelt anschliessend im Nordosten Thailands am Mekong aufgeschlagen, von wo ich wieder für etliche weitere Jahre für die Reederei Claus-Peter Offen gefahren bin. Die Familienplanung liess mich nach Deutschland zurück kehren und Seelotse der Lotsenbrüderschaft in Kiel werden, einfach, um das Werden und Gedeihen meiner Kinder fortan in Nahaufnahme begleiten zu können.
2018 habe ich meine Joshua in der Nähe Rotterdams gefunden und ihr wiederum den Namen Freebird gegeben, der meine Lebensträume am besten wiedergibt.

Nachdem Nik an seiner Beister Yawl bereits viele Jahre mit einer Windpilot Pacific der zweiten Generation ( Sandguss ) gesegelt war, wurde dies System beim Schiffswechsel fortan der Joshua ans Heck geschraubt. Und an dieser Stelle kommt der Protagonist für Heckverzierungen ins Spiel, denn ich wurde von Nik zu einem Treffen nach Wedel eingeladen: Die Freebird sollte einer Frischzellenkur unterzogen werden, neudeutsch, sie sollte zunächst bei Peter Wrede im Yachthafen bis aufs blanke Blech gesandstrahlt und hernach einen neuen Unterwasseranstrich erhalten.
Die perfekte Gelegenheit zur Feinkosmetik, denn hier und dort hatten sich über die Jahrzehnte ein paar kritische Stellen um Rumpf gebildet, die praktischerweise vor Ort in Wedel von den Schweissakrobaten von Jan Krahnausgebessert werden konnten. Bereits 20 Tage später wurde das Schiff nach Kiel verholt, wo es nun für kommende Abenteuer vorbereitet wird … derweil der Skipper weiter mit breitem Bug, den Schaum auf See zur Seite schiebt.

Der side kick dieser kleinen Geschichte soll nicht verschwiegen werden.
Beim Anblick der Beister Yacht elektrisierte mich der Gedanke, ob Nik´s Schiff wohl identisch mit der SV Utlandshoern sei, die ich seit Jahren kenne, deren Skipper für Windpilot die Windfahnen produziert? Ein paar schnelle Mails hin und her, da war auch diese Frage aufgeklärt: damals wurden von diesem Beister Schiff drei identische Schiffe hergestellt, von denen zwei nun zugeordnet und nur noch ein weiteres vorhanden ist, der SV Lütje Horn, deren Verbleib mir unbekannt geblieben, weil auch Tante Google die Klappe hält … bzw. nix beizutragen hat.

Hamburg 12.08.2021
Peter Foerthmann

2 Antworten zu Nik Suermann

  1. Thomas SV Carmina sagt:

    Eindrückliche Geschichte, wie sie nur von Profis gelebt und geschrieben werden kann. Ja und da wären wir wieder beim idealen Blauwasserschiff gestrandet. Erkenntnisse sind einfach die Summe von Erfahrungen und die gewinnt man nur durch erfahren.

  2. Bruening sagt:

    Hallo Nik,
    Ich bin per Zufall über diesen Artikel gefallen.
    Mein Name ist Wilhelm-Alfred Brüning aus Emden.
    Meine Frau und ich haben nicht nur unser Segelschiff Lütje Hörn von unseren Schwiegereltern übernommen, sondern auch den Stahlbaubetrieb meines Schwiegervaters. In diesem Betrieb sind zwischen 1975 und 1977 alle drei Schiffe durch unsere Firma, unter Anleitung von Kurt B. Gebaut worden.
    Meine Frau und ich selbst haben unter der Anleitung in den Wintersemesterferien 1975 die Spanntenaufrisse mitmachen dürfen.
    Unser Schiff ist immer noch in Familienhand und wird von uns allen heiß und innig geliebt und gesegelt.
    Unsere Kinder sind an Bord aufgewachsen und jetzt kommt schon die vierte Gneration an Bord.
    Wir sind Mitglied im Freundeskreis klassischer Yachten, aber eher passiv.

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