Windv. Striptease #1

 Don McIntyre – GGR

Good Morning Don,
nanu, ein Brief von unerwarteter Seite? Die Halbzeit des GGR ist ein guter Anlass, in Bezug auf mein Lebensthema Heckverzierungen ein paar Anmerkungen zu machen, die sicher dein Interesse finden.

Zunächst allerdings möchte ich hier meinen Respekt ausdrücken, für die versierte und unterhaltsame Durchführung einer Veranstaltung, die in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich ist. Dies Kompliment eingedenk der Tatsache, dass wir in einigen Belangen nicht unbedingt einer Meinung sind, was ja kein Fehler ist, solange gegenseitiger Respekt vorhanden ist. Mit der Planung und Durchführung der GGR hast du eine Marktnische im Sturm erobert, die im Marine Business Spuren hinterlässt, Spuren eines Mannes, der lebt, was er ist. Allerbest, das GGR als Fest!

Eine halbe Weltumsegelung weiter, liegen heute Fakten auf dem Tisch, die hier oder dort für Aufmerksamkeit sorgen mögen, die hingegen für Insider weder Neuigkeiten noch Überraschungen bergen. Zum Beispiel für mich. Die Rede ist hier von dem für Solosegler wichtigsten Zweiten Mann, der die Sklavenarbeit an Rad oder Pinne zuverlässig erledigen kann: der Heckverzierungen, womit wir elegant beim Thema wären.

STEINZEITTECHNIK
Flugzeuge fliegen, Autos fahren und Windsteuersysteme steuern, das ist unbestritten, jedenfalls solange wir ernsthaft diskutieren und die Grundsätze solider – fairer! – Interaktion zwischen Hersteller und Segler akzeptieren, die sich in geräuschloser Mund-zu-Mund-Reklame innerhalb der Segler Gemeinde weiterträgt, die für die Verbreitung einer Marke der Humus ist. Voraussetzung stets, dass bei der Konstruktion möglichst wenige Schwachstellen vorhanden sind, die a la long, den Ruf einer Marke schädigen könnten.

Unbestritten, dass unsere Autos in einer Form weiterentwickelt wurden, die mit der Situation vor 50 Jahren eigentlich nur noch vier Räder gemeinsam hat. Dies entspricht der ungefähren Gemengelage auch im Bereich der Windsteuersysteme. Hier wie dort ist bei der Weiterentwicklung kaum ein Stein auf dem anderen geblieben, auch wenn dies in manchem Segler Kopf noch nicht angekommen scheint! Der Grund für diese Zeilen.

DIE 12 WINDSTEUERSYSTEM ARTEN
Alle 12 Windsteuersystem Arten mit Animation – von denen sich drei am Markt durchgesetzt haben – folgen simplen Regeln der Physik, die im Verlauf von Jahrzehnten auch bereits graue Haare bekommen haben. Sie folgen einem ausgefeilten Regelspiel von Signalgeber – Übertragung – Kraft-Untersetzung – sowie Krafthebelarmen, die für Power sorgen. Ein Tummelplatz für segelnde Tüftler, die ihr Herz – teils lebenslang – dieser Materie gewidmet haben. Mein Abenteuerspielplatz seit 43 Jahren!

Die Halbzeit deiner Veranstaltung ist der perfekte Zeitpunkt, an dieser Stelle über Entwicklungen zu berichten, die in manch einem Segler Kopf gegen eine brüchige Tür von Unverständnis stossen, weshalb ich diese Tür heute öffnen möchte, da es kaum eine bessere Gelegenheit gibt, mit alten Vorurteilen aufzuräumen, weil einige GGR Matadore die praktischen Folgen bereits erlebt, erlitten, überstanden und überlebt haben. Hands-on-Erfahrungen, die ich hier zusammenfasse.

FLIP-FLOP-VANE

Deine Lehrstunde in Lanzarote mag für den oberflächlich interessierten FB Betrachter unterhaltsam gewesen sein, hingegen konnte sie kaum Licht ins Dunkel einer geheimnisvollen Materie bringen. Ich habe meine Tränen der Heiterkeit ob der Verwirrungen abgetrocknet und mich damit getröstet, dass der versiertere Video Betrachter hier sicherlich keine bleibenden Schäden an der Seele erlitten haben wird! Irrtümer zu erklären, ist Part of my life, dafür stehe ich seit 43 Jahren morgens aus dem Bett.

Für den hier ernsthafter interessierten Segler, also auch für einen Veranstalter, lohnt ein Ausflug in die Thematik, um zu erkennen, welcher Quantensprung sich im Verlauf der Jahrzehnte ereignet hat, zumal ich von dir weiss, dass du mit einer Moni um die Welt gesegelt, mit der Aries in deiner Heimat Umsatz machen konntest und dann mit den Jungs von Hydrovane im Schulterschluss das GGR angegangen bist – es ist verständlich, das deine Sichtweisen hier eingeflossen sind. Allerdings hat sich die Welt zwischenzeitlich weiter gedreht.

THE GOOD NEWS FIRST
HILFS – und PENDELRUDERSYSTEME sind gleichermassen für GGR Schiffe geeignet, da sie in Größe und Bauart moderat, keinerlei Probleme bereiten, zumindest, wenn sie solide dimensioniert, sauber verschweisst und verantwortungsbewußt unter die Segler gebracht werden, damit die Solo Segler unterwegs nicht plötzlich von Hand zu steuern haben, weil der eiserner Gustav Knochenbruch erleidet, wie es Nabil, Philippe und Francesco widerfahren ist.


Ich sollte nicht vergessen, zu erwähnen, dass eine Heckverzierung natürlich keine Verantwortung übernehmen kann, wenn dem Skipper bei der Ausrüstung seines Schiffes Planungsfehler unterlaufen, die er erst auf See bemerkt.

Istvan hatte seine Suppe im wahrsten Sinne selbst auszulöffeln, indem er für weite Strecken von Hand zu steuern hatte, weil die Synchronisation seiner Windsteueranlage mit einer für sein Schiff ungeeigneten Radsteueranlage zur Herausforderung und fast zu seinem Waterloo geworden ist. Er hatte es, ob fahrlässig oder unter Vorsatz, unterlassen, seinen Sachsponsor von seiner Umbaumassnahme in Kenntnis zu setzen, ein Fehler, den er wenige Tage nach dem Start im Podcast zugestanden hat ( “ My mistake! „). So verfolge ich mit Spannung den weiteren Verlauf seiner Reise, könnte mir durchaus vorstellen, dass der Radadapter als schwächstes Glied in der Übertragungskette irgendwann wegen Überlast seinen Dienst quittiert, weil Istvan´s Windpilot ständig im falschen Gang zu steuern hat, was auf Dauer kein Radadapter auszuhalten in der Lage ist. Zum Glück hatte Istvan einen überaus verständnisvollen Sachsponsor, der ihm neben einem kompletten Radadapter samt neuer Bremsbelege, auch ein zweites Windpilot System in die Vorschiffskoje legte. Man darf gespannt sein, auf den weiteren Verlauf einer ganz besonderen Beziehung zwischen zwei Männern.

Übrigens haben alle Windpilot Segler ein komplettes Reservesystem an Bord, mit dem sie sich die Koje teilen. Ich werde Tapio´s ratloses Gesicht nicht vergessen, als er seinen persönlichen Kampf in LSO auszufechten hatte, ob er auf seinem ohnehin überladenen Schiff die zweite Windpilot Anlage nun verstauen sollte, oder sie mir lieber zurückgeben sollte. Seine Vernunft hat entschieden.

Wenn alles gut geht, bekomme ich am Ende seiner Reise dann ein nagelneues System zurück, die erste Windpilot Anlage, die schlafend um die Welt gesegelt ist! Die zweite, im Segelsack schlafende Anlage, ist gerade in Mindelo eingelaufen, wie mir Antoine vorgestern von den Kap Verden berichtete, wo er gerade mit dem Flugzeug gelandet war, um seine Überführungscrew zu besuchen. Tja, und die Dritte schaukelt sich im Süd Indic die Seele aus dem Leib. Vermutlich ist die Thuriya weltweit die einzige Yacht, bei der vorne und achtern je ein Windpilot vorhanden ist: unter Deck vorne schlafend und achtern beim Versuch zu steuern, ohne zu wissen wohin, weil der Vortrieb durch die Segel dahin.

Technische Details aller weltweit gebauten Windsteuersysteme

DIE REGELN KURZ UND KNAPP
– Physik hat immer Recht – geht nicht, gibt es nicht!
– Hexen und Blaufärben kann auch eine Windfahne nicht!
– Sie hat keine Augen – wie sollte sie brechende Seen erkennen?
– Sie macht einen sturen Job – ganz ohne Phantasie oder Hintergedanken!
– Windfahnen folgen einem Regelwerk, dem der Segler sich unterzuordnen hat.
– Schiffs- und Segel Trimm sind Skippers Job, für die er Schlaf oder Lektüre zu unterbrechen hat.

Wer mit einem Windsteuersystem solider Marke nicht klar kommt, sollte das Handbuch lesen oder den Hersteller befragen, wenn sein Spiegelbild ihm ein ratloses Gesicht entgegenstreckt.

TRADITION KONTRA MODERNE

Der Zeitenwechsel hat bereits Mitte der 80er Jahre stattgefunden, weshalb die modernen Systeme heute auch schon alte Hasen sind, die zu tausenden den Markt erobert haben.

ARIES ( Nick Franklin ) und WINDPILOT ( John Adam ) standen 1968 einander gegenüber, beide wurden fortan zur Schablone für eine Reihe von Copy Cats. Die Aries wurde zur Vorlage für Gene Mervin, der die MONITOR in Kalifornien produzierte und seinen Betrieb 1981 an die beiden Schweden Carl Seipel und Hans Bernwall weitergab, wobei Letzterer fortan stets das Wort von „Saint Aries“ im Munde führte. Hans hat 2014 an Mike Scheck übergeben und geniesst seither den Ruhestand mit Blick über die Bay of San Francisco.

Nick Franklin hatte seinen Betrieb 1992 an Peter Matthiessen DK übergeben, der 2015 an Lean Nellis NL verkaufte, bevor er nach Brasilien segelte.

ARIES – WINDPILOT – AUGENFUTTER

Windpilot ( seit 1976 mein Spleen ) wurde vermutlich zur innovativsten Marke in diesem Marktsegment, weil meine Neugierde als Lebenstreibstoff dient.

Wie hätte ich denn ahnen können, dass meine Lebensreise derart ungeahnte Folgen in Bezug auf copy cat design haben würde? Ein Krimi, der nachzulesen ist.

PENDELRUDER KONTRA HILFS- und DOPPELRUDER
HYDROVANE von Derek Daniels war das Dritte System im Bunde, das über Jahrzehnte nahezu unverändert in UK produziert wurde. Als Derek zur Jahrtausendwende einen Käufer für sein Lebenswerk suchte, stand ich damals offenbar ganz oben auf seiner Liste möglicher Käufer Kandidaten, was seinen Grund darin hatte, dass er seine rückgehenden Verkaufszahlen ganz zielsicher mit mir in Verbindung brachte. So kam 2001 der heutige Eigentümer der Marke, John Curry ins Spiel, wobei die Produktion vermutlich an alter Stelle in England belassen worden ist.


Meine Zwillings Systeme PACIFIC und PACIFIC PLUS wurden 1985 geboren und zum State of the Art moderner Windsteuer Systeme. Die Kombination beider Systemarten ( Hilfsruder- und Pendelruder-System ) versetzte mich fortan in die Lage, die Segler umfassender über Vor- oder Nachteile der Systemarten zu beraten.

Mit Tapio habe ich lange über den Einsatz meiner Pacific Plus diskutiert, ihm allerdings von diesem System abgeraten und ihn von der Pacific überzeugt. Auch mit Antoine und Igor wurden die Optionen diskutiert, mit gleichem Ergebnis. Bei Abilash hingegen war die Option eindeutig, ein Blick auf sein Schiff genügt, um den Grund zu erkennen.

WIESO WARUM WESHALB

Aries, Monitor und Windpilot Pendelrudersysteme sind identisch in Bezug auf die Verwendung eines Kegelradgetriebes mit Untersetzung 2 : 1. Während bei Aries und Monitor die Leinen zur Übertragung unten am Pendelarm befestigt sind, wurde bei Windpilot die Kraftübertragung konstruktiv ans obere Ende des Pendelarms verlegt, was den Beginn der Zeitrechnung für moderne Windsteuersysteme einläutete.


Die Vorteile auf einen Blick:
– kürzere Leinenübertragung
– geringere Anzahl von Blöcken
– einfaches Lift Up zur Verbesserung der Alltagstauglichkeit
– stufenlos verstellbare Kraftübertragung für unterschiedliche Radsteuersysteme
– kompakte Bauweise zur Verbesserung des optischen Erscheinungsbildes
– Vereinfachung der Montage durch multi verstellbare Montage Flansche
– Optimierung im Bereich der Signalübertragung, für verbesserte Downwind Sensibilität
– bei Schiffen moderner Bauart, in Lift-Up position achtern wenig – oder garnicht – über das Heck hinausragend, weil das System lateral VOR – anstatt HINTER dem Heck installiert, womit bei Manöver bester Schutz für die Heckverzierung gewährleistet ist. Achs-Schrägstellung heisst der Trick.

Das vermutlich größte Handikap zur Verbreitung der Aries und Monitor in breiten Segler Kreisen, ist ihr optisches Erscheinungsbild, sowie das umständliche Lift-Up bei Nichtgebrauch. Beide Gadgets sind zum Alleinstellungsmerkmal moderner Systeme avanciert und haben dem breiten Marktzugang Tor und Tür geöffnet.

In den südlichen Breitengraden allerdings gelten besondere Regeln, weil Wetter- und Seegangs Bedingungen härtere Herausforderungen an die Windsteuersysteme stellen. Ich schleiche mich ans Thema ran.

GGR ALS ROAD TEST

Man könnte den bisherigen Verlauf des GGR als Demolition Race abtun, täte der Veranstaltung allerdings Unrecht, weil die Teilnahme freiwillig erfolgte. Der Fokus auf Windsteuersysteme jedoch erlaubt interessante Erkenntnisse, die in der breiten Öffentlichkeit vielfach noch nicht angekommen sind, hingegen seit Jahrzehnten Teil meines Wissensschatzes sind.

ÜBERLASTUNGSSCHUTZ

Die exponierte Lage am Ende eines Schiffes macht konstruktive Überlegungen zwingend, wie man Schäden am Schiff verhindern und / oder ein Windsteuersystemen wirkungsvoll gegen Treibgut und Überlast schützen kann. Dies gehört zum Kernwissen eines Herstellers. Welchen Wert hätte ein Windsteuersystem, wenn die Materialdimensionierung des Laminats im Heckbereich eines Schiffes, den auftretenden Lasten nicht gewachsen ist? Ich erinnere mich an eine französische GFK Yacht unter norwegischer Flagge, bei der die Kids in der Achterkajüte die freie Aussicht auf den Atlantik hatten, nachdem die Windsteueranlage samt Spiegel achteraus verschwunden sind. Leider habe ich die Marke vergessen!

Hilfs – oder Doppelruder Systeme bringen beträchtliche Lasten auf den Spiegel, weshalb sorgfältig unterfangen werden sollte, wenn das Laminat werftseitig nicht ausreichend solide dimensioniert ist, was die Krankheit moderner Schiffe zu sein scheint. Ein Blick in das Manual der Hydrovane ist hilfreich, um sich hier selber Angst zu machen.

Auf dem Video vom Slippen der MATMUT ist zu erkennen, dass die Hydrovane beim englischen Voreigner unten am Spiegel lediglich mit einer Strebe befestigt gewesen ist, ein Anblick, der mir Gänsehaut verursachte, weil ich dies für seitliche Belastungen als keineswegs ausreichend empfand. Als ich Jean-Luc in LSO darauf angesprochen hatte … war kurz zuvor bereits mit einer V-förmigen weiteren Verstrebung nachgebessert worden. Zwei Seelen ein Gedanke!

Hilfsrudersysteme sind aufgrund ihres starren Ruderschaftes besonders gefährdet gegen Treibgut, was z.B. Istvan davon abgehalten hatte, eine Hydrovane zu installieren, weil er im Schadensfall das Ruder von Deck nicht hätte ersetzen können, zumal die Tradewind 35 im Gegensatz zur Rustler 36 ein erheblich höheres Freibord besitzt. Die Erreichbarkeit des Sicherheits Bolzens „rudder pin“ erhält elementare Bedeutung, denn nicht jeder Segler ist so plietsch wie Jean-Luc, der extra für diesen Zweck ein Minischlauchboot an Bord hatte, weil der pin ansonsten auf See schlicht unerreichbar gewesen wäre.

Interessant im übrigen, dass du in einer deiner „lesson´s“ darüber berichtet hast, dass der Hersteller der Hydrovane den regelmässigen Tausch des „rudder pins“offenbar selbst empfiehlt, denn es stellt sich sofort die Frage, wie dies bei einem Nonstop Segler zu erfolgen hat, wenn er nicht Jean-Luc´s Namen trägt? Im Handbuch für die Anlage habe ich diesen Hinweis nicht gefunden, weiss allerdings, dass offenbar drei pins zum Lieferumfang gehören. Jean-Luc hat an seinem System eine weitere Modifikationen vollzogen, indem er offenbar den „pin“ ( durch Feder gesichert ) durch einen soliden Bolzen samt Mutter ersetzt hatte, eine Lösung, die sich bei meinen Pacific Plus Systemen seit Jahren bewährt hat.

Die enorme Lebenserfahrung Jean-Luc´s zeigte sich auch an einem anderen Detail: er hatte offenbar die Sicherungsleine für sein Hilfsruder, dass er für das GGR verkürzt hatte, „tight“ am Heckkorb durchgesetzt, damit das Ruder beim Bruch des Bolzen – wie geschehen! – zwar am Ruderschaft frei drehen, hingegen nicht nach unten ins Wasser rutschen konnte. Es ist schon eine Wohltat für einen Hersteller, wenn Segler derart sensibel ihre Ausrüstung verstehen. Mein Kompliment an Jean-Luc. Wenn alle Segler derart umsichtig und klug mit ihren Windsteuersystem umgingen, hätte manch ein Hersteller weniger graue Haare.

Bei Loic scheint ebenfalls ein rudder pin gebrochen zu sein, den er als Ersatz an Bord hatte.

Auch wenn ein Hilfsruder auf den GGR Schiffen ein wenig Schutz durch Kiel und Ruder erhält, so bleibt es dennoch gefährdet durch Treibgut jeder Art.

Pendelrudersysteme bringen vergleichsweise nur geringe Lasten auf den Spiegel, weil sie servodynamisch nur die Zug-Kräfte zum Steuern zu generieren haben. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum der besonderen Art, dass manche Segler die raumgreifende Befestigung traditioneller Systeme als besonders solide einstufen, wo doch die seitlichen Verstrebungen eigentlich nur zur Befestigung der Blöcke zur Leinenübertragung wichtig sind. Die Befestigung eines Pendelruder Systems muss im Wesentlichen lediglich das Eigengewicht der Anlage zzgl. der Zuglasten zum Drehen an Rad oder Pinne tragen, weshalb moderne Systeme einen kompakten Foot Print mit nur 4 Bolzen aufweisen.

DIE SCHICKSALSFRAGE
Überlastschutz bei Pendelrudersystemen in extremen Breitengraden wird zur Schicksal Frage, wie der bisherige GGR Verlauf deutlich bewiesen hat. Darum sei erlaubt, diesem Thema ein wenig mehr Raum zu geben.

SCHUTZ VON VORN

Der Schutz gegen Treibgut ist vergleichsweise einfach zu erreichen, hier die Optionen:
Sollbruchstelle
Überlastfeder
Friktion

SCHUTZ ZUR SEITE
Der Schutz eines Pendelruder´s gegen seitliche Überlast gerät zur Herausforderung für Konstrukteure, weil Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen zu treffen sind.

Ein Kurzausflug:
Ein Schiff wird im Normalbetrieb – vernünftig getrimmt – selten mit einer Krängung >45 Grad gesegelt werden, was von einem Pendelrudersystem mit ca 23 – 25 Grad seitlichen „Pendelns“ aufgefangen – gegengesteuert wird. Ein grösserer Winkel macht keinen Sinn, weil das Pendelruder nach Luv aus dem Wasser geriete. Es gehört zum Stand der Technik der seriösen Hersteller, dass sie sämtlich eine Getriebe Untersetzung von 2 : 1 verwenden. Hier liegt die Ursache für das optische Erscheinungsbildes der Aries und Monitor, deren Pendelruderarm eine seitliche Begrenzung hat, um dort die Blöcke zur Leinenübertragung zu platzieren. Es gehört zu den Mysterien der Pendelruder Kinematik, dass der Pendelarm den seitlichen Anschlag im Normalbetrieb niemals berührt, weil das Ruderblatt zuvor durch die Rückführung des Getriebes in seine Mittelstellung zurückgekehrt, dort solange verharrt, bis die Windfahne die Rückkehr auf den ursprünglichen Kurs einleitet, sodann Ruderblatt und Schaft in die Mittelstellung in Kiellinie retournieren.

Aries, Monitor und Windpilot arbeiten mit identischem seitlichem Pendelarmweg bzw. Leinenzug Länge, obgleich sich ihr optisches Erscheinungsbild enorm unterscheidet. Ein Unterschied, der im GGR elementare Konsequenzen zur Folge hatte. Grund für diese meine Untersuchung.

SCHWENKBEREICH 60 KONTRA 270 GRAD
Der Einsatz von Pendelrudersystemen auf Schiffen, die in höheren Breitengraden gesegelt werden, erfordert besondere Beachtung, wenn oder weil bei extremen Wind- und Seegangsbedingungen die Gefahr einer Kenterung oder Durchkenterung besteht. Ein Blick auf den seitlichen Schwenkbereich des Pendelruders offenbart das Problem: Ein kleiner Schwenkbereich macht konstruktiv das Vorhandensein einer Sollbruchstelle zwingend, um Schäden am System zu verhindern, wenn der Pendelruderschaft bei der Kenterung hart gegen seine seitlichen Anschläge geschlagen wird, weil das Schiff weiter krängt, als im normalen Segelbetrieb konstruktiv vorgesehen oder sogar um seine Längsachse eine Rotationsbewegung vollzieht ( Durchkenterung). Für traditionelle Pendelrudersysteme ein worst case scenario, weil Schäden möglich werden, die eine Weiternutzung nach dem Bruch einer Sollbruchstelle erst nach einer Reparatur ermöglichen, allerdings nur unter der Bedingung, dass das Pendelruder, wie ein Hund an der Leine, im Kielwasser schwimmend, noch vorhanden ist.

Die Erfahrungen bei Are und Susie haben gezeigt, dass die Überlasthülsen mehrfach gebrochen sind. Bei Are waren auf dem Weg bis Cape Town bereits 4 von 5 Reservehülsen an Bord verschlissen. Bei Susie ist größerer Schaden eingetreten, weil der Pendelarm vermutlich derart massiv gegen die seitlichen Begrenzungen geschlagen wurde, dass oben die Zähne der Kegelräder übergesprungen sind, sie in der Folge hat von Hand steuern müssen. Ohne Zwischenstop in Hobart hätte dieser Schaden das Ende der Reise bedeuten können, weil eine Reparatur auf See nahezu unmöglich gewesen wäre.

Susie hat diese Arbeit, vor Anker liegend, in Tasmanien erledigen können. Der Vermerk eines anderen Monitor Seglers im englischen Forum, beim Wiedereinbau der Nadellager möglichst einen Regenschirm unter der Anlage aufzuspannen, damit keine Lager Teile ins Wasser fallen mögen, hat die Herausforderung nochmals verdeutlich, und das Glück dieser toughen Seglerin, die weitersegeln konnte, ganz ohne Chichester´s Guillotine von deiner Seite.


Die dramatischen Ereignisse bei Abilash haben verdeutlicht, dass sein Windpilot System bei der Durchkenterung nahezu unbeschädigt geblieben ist. Für mich ein augenfälliger Beweis für die Richtigkeit meiner Überlegungen, dass der Schwenkbereich von 270 Grad eine gute Entscheidung gewesen ist, die den Einsatz einer Sollbruchstelle unnötig macht. Abilash hat mir vor wenigen Tagen berichtet, dass neben der gebrochenen Sperrholzwindfahne, lediglich die Schubstange verbogen wurde.

Wie Abilash kürzlich schrieb:

Dear Peter
I am writing to you to express my sincere gratitude for your assistance with my entry in the Golden Globe Race 18. You were one of the first to support my project by sponsoring a WindPilot auto pilot.
Having sailed my boat solo and exclusively with WindPilot for over 12000 nm, this is what I have to say:-

(a) The construction is very robust and simple. It just doesn’t seem there is anything that could fail unless you intentionally tried to destroy it, other than the control lines. I did have a link rod failure but that happened after almost 11000 nm in some real bad conditions. Replacing it in gale force conditions and in rough weather was not a very difficult affair.

(b) WindPilot mountings are perfect and they help make a very solid connection with the boat. Thanks to this the WindPilot sits firmly and steers the boat without any problem

(c) The installation is a straightforward affair. The tuning is very simple (and thanks for taking me through it at each step). And, as I discovered, if you want to play around, there is a lot of scope for that too!

(d) Even after almost 3 months continuously at sea, there were no rust streaks, creaking etc etc

(e) At one point, I wondered if I was the skipper or if it was WindPilot, because I rarely got to touch the tiller.

(f) My boat suffered violent knockdowns in a very bad storm on 21 Sep. Almost everything standing above deck was wiped out. The only piece of equipment that remained untouched was the WindPilot. It came through the storm and knockdowns almost untouched! I think one huge reason for this could be the fact that the blade is not restricted in its movement to either side.

The best part about Windpilot is, this goes without saying, Marzena and you! It has been an absolute pleasure working with you!

Warm regards
Abhilash, Urmi and Ved

THE BAD WEATHER PROBLEM
Es ist die Ironie der Geschichte, dass Peter Matthiesen ( Inhaber der Marke Aries nach Nick Franklin ), zur Untermauerung eigenen Marketings vor 20 Jahren eine besondere „Erfindung“ erdachte. Das Bad-Weather-Problem sollte moderne System allesamt als „nicht sicher im schlechten Wetter“ stigmatisieren, um der eigenen Marke das Alleinstellungsmerkmal als einzig „sicher“ auch bei schlechtem Wetter zu verschaffen, weil man den Schwenkbereich zwingend begrenze müsse. Ein Marketing unter der Gürtellinie, dessen Beurteilung ich klugen Segler überliess.

Die bisherigen Erfahrungen im GGR haben gezeigt, dass bei den traditionellen Systemen einem wirkungsvoll arbeitenden Überlastschutz gegen seitliches Verschwenken des Pendelarms exorbitante Wichtigkeit zukommt. Art und Materialstärke der hier verwendeten Sollbruchstellen stehen im Fokus, wobei es fast unmöglich erscheint, diese Lasten präzise zu berechnen, denn welchen Sinn machte es, wenn dies Bauteil solide konstruiert, am Ende dann die Befestigung des Systems am Spiegel Schaden nimmt, weil z.B. das Laminat nicht solide genug ausgeführt wurde? Aus meiner Zeit als Deutscher Aries Importeur in den 70ger Jahren habe ich immer noch meine Kiste mit Aries Ersatzteilen im Regal und erinnere die Geschichten aus der Praxis, weiss welche Situation eintreten muss, um eine Sollbruchstelle zu zerbrechen.

Für mich wurde die konstruktive Vergrösserung auf einen enormen Schwenkradius zur idealen Sicherheits Massnahme, um einen Bein-Bruch am eisernen Gustav zu vermeiden, auch wenn der Bursche aus Aluminium ist. Denn, nicht wahr, jede Sollbruchstelle führt ein Eigenleben, weil man nie weiss, wann sie ihren Job erfüllt und den Segler in den Regen stellt und ihn selbst ans Ruder zwingt. Durchaus denkbar, dass exakt in einer solchen Situation das Schicksal von Are besiegelt wurde.

RESUMÉE

Mir bleibt nur, Dir und deinem Team zu wünschen, dass die GGR Show ein gutes Ende nimmt, dass keine Palmen mehr ins Wasser fallen, die verbleibenden Matadore nicht an der Skorbut zu leiden beginnen, Schadens frei um die nächste Ecke biegen und am Ende dann – möglichst zahlreich – als segelnde Muschel Kolonien – dereinst nach LSO heimkehren werden.


Vielleicht wird dann sogar Istvan gnädig, wenn er mit seiner Heckverzierung im Einklang und mit sich selbst Frieden geschlossen hat.

Meine Guten Wünsche gelten Allen.
Peter Foerthmann

Advice please forward

Typologie – Historie

https://windpilot.com/blog/columns/peter-der-markt/der-wettbewerb/intrigen-und-copy-cat/

https://windpilot.com/blog/columns/peter-der-markt/der-wettbewerb/aries-vane-gear-the-bad-weather-problem-eine-luege/

2 Antworten zu Windv. Striptease #1

  1. Thomas SV Rodspaetten sagt:

    Absolut schlüssige Darlegung.
    Aber eines ist doch vergessen geraten. Wie auf den Foto’s von Olleanna und DHL-Starlight schön zu sehen ist, eignet sich doch der weitausladende Gerüstaufbau am Heck besonders gut für das Anhängen eines Grills‘, zum Wäschetrocknen oder für eine kleine On Board Kräuterzucht.
    Peter, Du musst schon auch etwas praktisch orientierte, andere Gedanken mitberücksichtigen, wenn Du Konkurrenzprodukte analysierst.

  2. Thomas SV Rodspaetten sagt:

    Ich bin ja immer noch eifrig auf der Suche nach „der Besten“ Windsteueranlage.
    Da habe ich mir mal das Manual von Monitor angeschaut. 4-5 Umlenkrollen bis zur Pinnenbefestigung pro Seite. D.h. 8-10 Blöcke wo die Leinen schamfielen werden, abgesehen vom Kraftverlust.
    Und dann das Überraschende:
    Die Leinen werden am Pendel-Hebel knapp über der Wasserlinie angeschlagen. Soll mir mal einer erklären, wie man(n), kopfüber das Heck hangend, in ständigen Wellen eine neue Leine einknüpft. Wenn man da nicht über Bord fällt, ist eher Glück dabei. Also, das ist keine seriöse und durchdachte Steuerung. Suche also weiter… komisch gerade u.A. wegen diesen Argumenten lande ich immer wieder bei der Pazifik.

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