Claus Gottschall

27 JAHRE PACIFIC UND HR 29
Die Jahrzehnte sausen vorbei. Vor wenigen Tagen hat Claus mich gefragt, ob ich ihm beim Verkauf seiner Pacific wohl würde helfen können. Ein schneller Blick in meine Datenbank hat mir dann erzählt, welchen Methusalem ich vor mir hatte, ich meine seinen Steuersklaven, denn Claus sieht auf Fotos eigentlich immer noch wie früher aus …abgesehen von einigen Sonnenfalten, die das Mittelmeer gebrannt. Nun wird die Pacific in diesen Tagen in Boltenhagen an einen jungen Segler übergeben, Buschfunk sei Dank.

Von Claus habe ich diesen Überführungsbericht erhalten, der spannend zu lesen ist:

Hallo Peter, nach 27 Jahren Aufenthalt im Mittelmeer habe ich meine Hallberg Rassy 29 wieder zur Ostsee gesegelt, einige Abschnitte auch Einhand. Ohne die Windpilot Pacific am Heck, ein No-Go.

Ein besonders anspruchsvoller Abschnitt der Reise war die Etappe La Rochelle – Dover, über die Kanal Inseln und den Solent. Hierzu einige Fotos und Notizen.

PAN PAN
Auf dem Weg zur bretonischen Insel Île d’Yeu. Um 12:46 meldet sich über UKW die Küstenwache Cross Etel mit einem „PAN PAN Ruf“ wegen einer Segelyacht mit Motorschaden vor dem Hafen Port Joinville.
Dies ist auch unser heutiger Zielhafen und so wird nachgefragt. Ein Abschleppdienst sei bereits unterwegs. Das ging schnell! Im weiteren Törnverlauf hören wir erstaunlich viele „PAN PAN Rufe’ auf Grund von Motorschäden.

Perlen an Frankreichs Atlantikküste
Wir besuchen Île d’Yeu, Île d’Hœdic, Belle-Île und die Île de Groix. Gemeinsam haben sie, dass die Distanz zur übrigen Grande Nation und die erschwerte Anreise ihnen die Chance auf Authentizität gelassen hat. Unter den Perlen wiederum ist die Île d’Hœdic ein echtes Kleinod, mit der Betonung auf „klein“. Schon der Hafen ist so winzig, dass alle zusammenrücken müssen. Es gibt drei Bojen – die aber immerhin groß, eigentlich richtige Tonnen -, um die sich alle Gastboote scharen.

Audierne
Unfälle passieren, wenn man nicht damit rechnet.
Nur etwa 10 Meter neben unserem Anlegesteg kracht es plötzlich laut.
Hätte die englische Yacht nicht am Ende unseres Stegs festgemacht, wäre es für die Autofahrerin schlimm ausgegangen. So war der Schaden am Auto und an der Yacht klein, zum Glück ist gerade Hochwasser.

Raz de Sein…
…einer der größten Schiffsfriedhöfe der Welt. Tide, das ist dort das Zauberwort, denn »Wind gegen Strom“ bedeutet Hexenkessel. Acht Meter Tidenhub bedeuten gewaltige Strömungen, gefährliche Wirbel zwischen Küste, vorgelagerten Inseln und Klippen. Eine feindliche Gegend für Segler und Fischer. Neben der navigatorischen Herausforderung durch die Tide ist Nebel der zweite Feind. Selbst In den Sommermonaten gelten 30% ‘Nebelwahrscheinlichkeit als normal. Eine Familiencrew erzählte uns vor unserer Abfahrt, sie hätten bei ihrer letzten Raz-Passage nach plötzlich aufkommenden Nebel den Bug ihres Schiffes nicht mehr gesehen.

Gutes Timing ist die wichtigste Voraussetzung für eine stressfreie Rundung. Wir erreichen das Raz de Sein bei klarer Sicht und nur 0,2 Knoten Strom. Eine Stunde später hat der Strom gedreht und setzt mit über 5 Knoten.

In der Nord-Bretagne ist der Tidenhub extrem (bis zu 13 Meter!!) Das merken wir auch in der Marina Roscoff. Bei Niedrigwasser kann man hier einen Aufzug benutzen.

Guernsey
Bereits im Vorhafen von Guernsey kommt uns der Hafenmeister im Schlauchboot entgegen und fragt nach dem Tiefgang der „Passat“ bevor er sein OK für das Einlaufen in die Saint Peter Fort Marina gibt. Die Nachfrage hat einen Grund. Damit die Marina nicht trocken fällt, gibt es eine Unterwasser-Mauer. Steht nicht genügend Wasser über der Mauer, bleibt man bei der Ein-und Ausfahrt daran hängen.

Alderney…
….. ist ein logischer Zwischenstopp auf unserer Fahrt nach Cherbourg. In der großen Hafenbucht kann man an Bojen festmachen. Das ist aber nicht günstiger als ein richtiger Liegeplatz. Lakonisch bemerkt der Hafenmeisters beim Kassieren der Liegegebühr:
„We’ve come to ruin your day“.

Strom-Navigation 1
Die anstehende Querung des Ärmelkanals bedarf einiger Vorbereitung.
Mit Stromkarten wird zunächst das richtige Zeitfenster für unsre Ankunft festgelegt (Einlaufender Strom in den Solent).

Strom-Navigation 2 / Vertraue der Tide und dem Kompass, weniger dem GPS.
Kurz nachdem wir Cherbourg verlassen haben, wird ein fast genau nördlicher Kompasskurs gesteuert (KK 001°). Dies entspricht auch der Peilung zur westlichen Spitze der Isle of Wight. Tatsächlich versetzt uns aber zur Zeit die Tide nach Osten, unser Kurs über Grund (KüG) beträgt 300°. Die GPS Peilung zeigt ein Ziel weit östlich der Isle of Weight (siehe Seekarte).
Müssen wir jetzt nicht dagegen halten? Nein, wir vertrauen auf die Tide! In ein paar Stunden wird der Strom kentern und uns nach Westen versetzen. Gut zeigt dies der Track, der einer Sinuskurve entspricht, Hätten wir nicht nach Kompass, sondern nach GPS gesteuert, wäre der Track eine gerade Linie (etwa wie die Peilung). Wäre dies nicht die kürzere Strecke?
Das Gegenteil ist richtig:
Das Steuern nach GPS bedeutet in diesem Fall mühsam gegen den Strom zu segeln (eine ca. 15 sm längere Strecke). Deshalb müssen Verkehrstrennungsgebiete mit der Kielrichtung im rechten Winkel gequert werden (eben auf dem kürzesten Weg).

Der Track der nächsten Tage gleicht einem Wollknäuel. Entspanntes Urlaubssegeln im Solent bei bestem Sommerwetter.

Dover
Das Ein- und Auslaufen in den Hafen muss Dover-Port Control genehmigen. Über UKW bekommen wir schnell die Erlaubnis. Die Kommunikation dazu ist einfach und unkompliziert und erinnert nur entfernt an den in der SRC-Prüfung gelernten, umständlichen Gesprächsablauf.

Den kundigen Seglern wird beim Lesen dieses Blogs sofort aufgefallen sein, wieviel Wert Claus auf navigatorische Akkuratesse legt. Dies wird weniger Kundigen nachvollziehbar, wenn man dann erfährt, dass Claus im Verlauf vieler Jahre als Autor verschiedener Bücher im Bereich Segelausbildung und Führerschein Vorbereitung einer Unzahl von Seglern die Geheimnisse des Segeln praktisch nahegebracht hat.

Da ist es nur logisch, wenn man einen Steuersklaven am Heck besitzt, der still und ohne zu meckern, seinen sturen Job erledigt, derweil der Skipper grübelnd über den Karten sitzt und schwitzt.

27.09.2020
Peter Foerthmann

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