STUNDE DER WAHRHEIT ODER OFFENBARUNGSEID?
Vermutlich haben wir selber Schuld, weil wir die Augen zu lange verschlossen hatten! Die neue Angst von unten, ist wie die alte Schiss im dunkeln! Nie weiss man, wo die Gefahren lauern, wann sie uns überfallen, uns an der Kehle packen oder am Ruder wackeln. Denn der schwarz weisse Superfisch ist weder Flipper auf TiVi, noch ein Suppenfisch, den man kochen, garen, grillen und in Scheiben geschnitten, verzehren kann, womit man ihn, zumindest als Metapher, ja final besiegte! Denn, was wir gegessen und verdaut, so der Volksmund, kann uns keine Angst mehr machen, weil wir uns dann höchstens an den Geschmack von frischem Fisch erinnern.
Immerhin sublimieren wir diese imposanten Fische meist als freundlich, weil sie als Aggressor gegen unsere Spielzeuge noch nicht aufgefallen sind, wir sie bislang eher mit einer wohlgeformten Dompteusen Nixe verknüpfen, deren Taktstock die schwimmenden Artisten artig folgend, Purzelbäume in viel zu engen Wasserbecken schlagen können, um Zuschauern gegen Eintrittsgeld zu einem platschnassem Vergnügen zu verhelfen, was ja nicht jeder ahnt, der in den ersten Reihen Platz genommen hat! Vermutlich wurde unsere Wahrnehmung durch TV Bilder oder Delfinarien gekapert, neudeutsch influenziert und wir darob allesamt dauerhaft anästhesiert! Jedenfalls sind wir erkennbar einem falschen Bild hinterher gelaufen. Aber das ist nun vorbei.
Dank Medienrummel und YouTube Klickvieh Millionen sitzen wir nun alle im Kreis herum und starren auf eine leere Wasser Bühne, warten, dass endlich was passiert, z.B. somnambule Professoren, die uns endlich mal verklickern, was wir gar nicht wissen wollen, gleichwohl bereits dunkel ahnen, allerdings kaum laut auszusprechen uns getrauen. Will denn keiner der Erste sein? Darum wage ich, das Undenkbare auszusprechen. Die Denkfehler sind auf unserem eigenen Mist gewachsen!
Dieser Fisch ist Fleisch gewordene Bedrohung, weil er unserem Bild einfach partout nicht entspricht. Er ist enorm imposant, kann schnauben, blasen, uns liebkosend mit grinsendem Gesicht, erschaudernd Gänsehaut verschaffen, uns jagen und an den Nerven sägen, den Segelspass versauen, falls er sich entschliessen sollte, zu niesen, uns zu schieben, oder gar zu begatten zu versuchen, was bei sechs Tonnen Lebendgewicht zu Missverständnissen führen kann, zumal Bremswege für einen Fisch kaum zu kalkulieren sind, weil er ja über kein ABS verfügt. Wasser hat zwar keine Balken, aber sechs Tonnen Fleisch auf Gegenkurs sind ein Argument, dem man sich, z.B. in einer zerbrechlichen GFK Schale mit fragilen Flossen dran, nicht verschliessen kann, wenn man friedlich und nichtsahnend dem Horizont unter Flügeln entgegen gleitet, mitnichten an ein Bad im Ozean denkt, was immerhin als unverhoffte finale Folge einer Begegnung am falschen Ort, das Ende der Reise bedeuten kann.
Wir haben uns offenbar verkalkuliert, oder haben wir vielleicht nicht richtig nachgedacht, uns etwas vorgemacht, wurde unser Sicherheitsbedürfnis von Klassifizierungsgesellschaften, Werften und Versicherungen eingeschläfert, hat man uns womöglich Gefahren vorenthalten? Oder haben wir was verschlafen? Es ist jedenfalls höchste Zeit, die Rangierlok aus dem Vorwurfsverschiebebahnhof herauszufahren, denn es gilt jetzt vorrangig, Schuldige an die Wand zu nageln, damit wir am Ende, voll und ganz dem Typus Besserwissikus entsprechend – voller grossartiger Erkenntnisse – Erklärungen verlautbaren und Verantwortliche auf offener Bühne in Ketten präsentieren können. Dumm gelaufen, aber so wird das nix!
Immerhin sehen wir heute schon klarer, haben hier und dort ein paar Hausarbeiten erledigt, gewissenhaft Gewohnheiten analysiert, wissen, wo der Orca in den Schiffsverkehr reingrätscht und dokumentieren akribisch, wann und wo er sein Unwesen treibt und manchmal, versehentlich oder nicht, unsere Schiffe demoliert. Ungelöste Rätsel, die mögen wir nämlich nicht, und der Terminus von „hochintelligenten Tieren“ behagt uns schon garnicht, weil wir uns damit wie die Doofen fühlen. Unausweichlich, zudem eine Diskrepanz, weil wir als Homo Sapiens natürlich über allem stehen, weil wir die Richtlinienkompetenz innehaben, ergo räsonieren und nach Ursachen, Erklärungen und Auswegen suchen, kollateral Wissenschaftler oder Pseudo Indianer konsultieren, um auf den Jakobsweg der Erkenntnisse zu gelangen, der, ob kurios oder nicht, genau nach Nordspanien führt, wo sich die Fischfangflotten gegenseitig drängeln und engmaschig Beute zu machen suchen, wie auch an markanten unteren Kanten des Kontinents, wo Fische zu finden sind, die nach Futter oder Opfern suchen.
Nur logisch, dass Orcas als Bosse am gedeckten Tisch ihren Anteil reklamieren, weshalb sie dort – haben die eigentlich eine App? – ebenfalls Patrouille schieben. Sie haben mit plietschem Blick sofort kapiert, wo die Beute bleibt, wer sie in dicken Netzen aus dem Wasser klaut, an Deck dickbäuchiger Kutter hievt, sodann unter Deck verschwindet, und die fahrbare Fischfabrik hernach unter Volldampf zum Hafen dampft, dabei nur noch wenig Beute übrig lässt, bis auf jenen kleinen Rest, der nicht für Wert befunden, wieder über Bord geschmissen wird. Das ist die schäbige Abfallbeute für den hungrigen Orca, der sich natürlich merkt, dass der ganze fette Rest der Beute im Schiffsbauch verschwunden, für ihn unerreichbar ist. Hunger, heisst das Hauptproblem, abgesehen vom Verkehrslärm durch Sonare, Motoren und gewaltige Propeller, der sensiblen Meeresbewohnern unter Wasser natürlich auf die Ohren und Nerven schlägt. Stress im Überwasser- und Unterwasserverkehrsbetrieb!
In den Kneipen landauf landab hat jeder Fischer diese Feindberührungen auf seine Art verstanden: wird an seinem Kutter gewackelt, wird Fisch über Bord geworfen, um wieder Ruhe zu bekommen. Der Fischer weiss das, der Orca weiss das … warum sollte der Trick nicht auch bei Segelbooten funktionieren, zumal sich dort so leckere Rückenfinnen absurd nach unten verdreht, zum Liebkosen entgegen strecken? Liebesspiel nach Orca Art? Immerhin kursieren in Hafenkneipen schon die Gerüchte von liebestrunkenen Orcas, Manolitos genannt, die sich an Schiffen zu reiben scheinen, um sich selbst Freude zu verschaffen? Ein Fisch als übergriffiges Sex-Ungeheuer, nur weil er sich an der falschen Art vergreift? Oder alles nur die finale Folge von zu wenig Futter, weil wir den Fischen die Beute weggenommen haben?
Und so rücken die ernsten Erkenntnisse langsam und unaufhaltsam in den Fokus: Fischkutter gehören zu den solidesten Schiffen auf den Ozeanen, sie sind stark gebaut für die Arbeit auch wenn es kachelt, sie verkraften Kollisionen mit hungrigen Fischen mit links, ohne dass der Kapitän den Schlaf zu unterbrechen hätte, sind Inbegriff von Seetüchtigkeit, ganz wie die Eiche im Wald! Feindberührungen mit Grossfischen regen niemanden auf, selbst wenn ein Boris Herrmann sie vierkant rammt. Vielleicht sollte man Orcas mit Wildschweinen vergleichen, die sich an einer Eiche kratzen, wenn es juckt, wohingegen sie in unserem Falle doch eigentlich nur nach Futter unter dem Kutter jagen, weshalb sie dort ihr Unwesen treiben!
Und so wird zunehmend, gleichwohl erschreckend klar, dass unsere Schiffe, vermutlich allesamt zu zerbrechlich sind, weil hier und dort ein solider Unterbau, z.B. die guten alten Spanten, durch Einbaumöbel ersetzt, was ja dem Innenraum zugute kommt und kollateral sogar Kosten spart. Interessant, aber bei Fischen, denen wir Intelligenz zuschreiben, spielen wir willig die Doofen, zumal uns ein Blick in den eigenen Spiegel zeigt, wie winzig und luftig leicht unsere Wenigkeit wirklich ist, wenngleich natürlich ein wenig schwerer, wenn die Hosen erst gestrichen vollgeschissen sind! Das grosse Nachdenken hat jedenfalls hier und dort schon angefangen, die Synapsen fliegen, was ja der Sinn für diese Zeilen ist, zumal Augenfutter in Form erschreckender Fotos ramponierter Plaisier Fahrzeuge viral gegangen sind. Sarkasmus, wenn man zunächst seine Versicherung befragt, ob derartige Schäden wenigstens auf Prämienkosten erledigt werden! Gleichwohl ein weiterer falscher Ansatz!
Es kann nämlich nicht sein, dass wir nur sauer sind, weil hier ein Fisch ein selbstbestimmtes Leben führt und wir ihm so erschreckend wenig entgegenzusetzen haben! Immerhin hat uns der schwarzweisse Kraftprotz gezeigt, wer der wahre Chef im Wasser ist, wenn wir erst die letzte Leine los geschmissen, auf See sodann immer kleiner, irgendwann hinter dem Horizont verschwinden, und unsere Hosen im Dreiviertel Takt sodann stetig voller werden, weil wir nix Genaues wissen von dem Ungeheuer, das uns im Familien Geschwader spielerisch umzingelt, um zu prüfen, ob sich die Beute lohnt, die da an Deck zittrig mit dem iPhone winkt, weil sie, falls unbeschädigt entwischt, das gruselige One Off Abenteuer natürlich up zu loaden plant, um sich der Welt sodann als wahre Helden zu präsentieren. Alles eine Sache des Standpunktes, wobei die Anzahl der Segler, die davon gekommen sind, zumindest eins neu entdecken: den Respekt vor der Kreatur! Ob infolge schierer Grösse des Getier´s oder weil man beim russischen Roulette gewonnen hat? Vielleicht sollte man hier eine Umfrage starten, um die wahren Gründe zu verwischen? So einfach also kann es sein, allerdings geraten wir nahezu unbemerkt an den Kern der Frage, was uns an grossen Fischen denn wirklich stört? Oder ob es stellvertretend unser eigene Doofheit ist, weil wir uns erstmals mit der Konstruktion des eigenen Untersatzes kritisch zu beschäftigen haben? Suppentext bzw. Randnotiz: In Sines PT lagen kürzlich acht Schiffe friedlich versammelt, weil sie allesamt waidwund gerammt, Kosten sparend, auf den Autokran gewartet haben.
Es erscheint zumindest naheliegend, dass unsere Angst entsteht, weil wir erkennen, dass wir einem Irrtum aufgesessen sind, weil wir vermutlich zu lange dachten, dass die See ausser ein paar seltenen Containern, ansonsten frei von Balken ist und wir mittels elektronischer Helferlein die Sache sowieso im Griff, uns jederzeit in Sicherheit zu wiegen in der Lage sind, sogar jenseits der Reichweite der Helikopter. Sonare unter Wasser, Oscar für das, was oben schwimmt, Radar für die Luft darüber, samt Tochteranzeige auf dem Klo um selbst dort die volle Kontrolle über das Gesamtgeschehen zu behalten! Denn Dank AIS, Plotter und Tiefolot entgeht uns nix, sind wir der Master of the Univers, das ist der Stand der Dinge! Haben wir uns also selber eingelullt? Schliesslich haben wir doch genügend Sicherheit gekauft, um auf See endlich ruhig schlafen zu können! Soll das alles nicht genug gewesen sein? Eine Frage, die an unserer Ehre kratzt, weil sie unsere Theorien sämtlich über den Haufen wirft!
Denn nun haben wir den Salat, haben zu erfahren, dass die Konstruktion unserer Schiffe vielleicht der wunde Punkt, die wie ein rohes Ei zerplatzen kann, womit unsere Reise dann ein jähes Ende hätte! Über Achillesfersen ist alles gesagt, aber was wäre, wenn das ganze Schiff eine einzige Achillesferse ist? Ich wage an dieser Stelle den Hinweis, dass ich Schiffe bauartbedingt gern zu differenzieren pflege. Spass oder Ernst lautet die Frage nach dem Einsatzgebiet, der Verwendung eines Schiffes, zumindest, wenn wir Risiken gern ausschliessen würden, ein versehentliches Überfahren eines schlafenden Ungeheuers nicht gleich die Anhänge unter Wasser abrasiert. Alles eine Sache der Güterabwägung … zumal Schwund überall vonstatten geht! Aber doch bitte nicht auf unserer eigenen Yacht, auf der wir doch schliesslich an alles gedacht! Sarkasmus Modus aus.
Vielleicht sollten Segler als Pflichtausrüstung in Zukunft Fischstäbchen an Bord nehmen, mit denen sie die Orcas füttern, wenn sie unten klingeln, um sie gnädig zu stimmen? Oder wir sollten lernen, geschmeidig rückwärts zu fahren, wie in Spanien empfohlen, um den Fisch völlig meschugge zu machen, weil er sowas noch nicht erlebt und zunächst dann im Orca Clan einen Crashkurs zu neuartigen Verteidigungsmaßnahmen des Gegners zu absolvieren hätte? Oder sollten wir einfach nur still die Klappe halten, das iPhone auf stumm geschaltet, reglos sprachlos auf der Stelle treiben und uns an Bord nur auf Socken bewegen? Das Rätsel ist bislang ungelöst! Aber wir bleiben dran, denn was nicht sein kann, das gibt es nicht, weil wir ja schliesslich die Chefs im Überwasser Universum sind.
All das kann die Wahrheit nicht verbergen, weil wir uns nun zu entscheiden haben werden, welche Schiffe für den Einsatz auf hoher See denn wirklich geeignet sind, welchen schwimmenden Geliebten wir unsere Hemden, Hosen, Angetrauten und Erben anvertrauen wollen … und welchen wohl eher nicht! Schicksalsfragen allesamt, weil es unsere Denkprozesse durcheinander bringt? Denn Segeln als russisches Roulette macht keinen Spass, wenn wir doch schon ahnen, dass wir uns falsch entschieden haben und als Revolverkugel auf dem Meer unterwegs nur auf den Knall zu warten haben, der hoffentlich dann nicht uns selber trifft!
Orca sei Dank, erkennen wir, das ein Rätsel um diesen Fisch eigentlich gar nicht existiert, weil wir bessere Antworten vor dem eigenen Spiegel im Badezimmer bekommen können, jedenfalls wenn wir Wahrheiten zu verkraften in der Lage sind! Wahrheiten mit Langzeitwirkung!
31.10.2021
Peter Foerthmann
EPILOG: ODE AN EINEN FISCH, DER SCHLAUER IST ALS WIR DENKEN
Donnerwetter, Du triffst die aktuellen Themen immer äusserst zielgerecht und beschreibst sie, wie üblich wortgewaltig, und analysierst die möglichen Ursachen und Wirkungen treffend. Davon könnten sich die zahlreichen Glanzmagazine eine dicke Scheibe abschneiden. Aber schon zu spät. Du hast denen vorgegriffen.
Und das aufgeführte Video ist einmalig und eindrücklich. – Man fragt sich, was auf Deinem Disk alles für Informationen und zu jedwelchem Thema gespeichert sind. Immer wieder eine Wunderkiste.
Lieber Peter auch als Illustrator könntest Du Deine Brötchen verdienen!
Schon mal darüber nachgedacht einen ganzen Bildband mit „ausgewählten Bildern aus dem richtigen Seglerleben “ zu veröffentlichen?
Es wäre schade, wenn Deine Text Illustrationen im Blog irgendwann einmal im Internet Orkus verschwänden.
Herzliche Grüße und wir werden in Zukunft daran denken, für unsere Ostsee Orcas immer einen kleinen Snack an Bord vorzuhalten, man weiß ja nie …
Sybille und Christian
SV SUBEKI
subeki.de
Hello Peter,
I agree with your analysis about the Orcas behavior with some unlucky sailing boat: It can look sexual . And I would call it in french „l’amour vache“ (kind of harsh love…).
When talking with a Portuguese friend who was on the boat who helped a damaged boat in front of Sines, he told me that the last advice to sailors, after many others, was to stop the boat, if possible, and block the rudder so that it will not move. This was one week after I was told that the solution was to slowly go backwards. And, back in Saint Malo, the solution was to have a metallic tube, with one end in the water and you would knock loudly the other end with a metallic tool. The problem is you definitely have to make a choice, not everything can be done together…
cordialement
Thierry