SV VELVET – EIN TRAUM UND SEINE FOLGEN
Vor einigen Tagen ist die Christophorus 406 in meinen Kasten geplumpst, Hochglanzlektüre für forsche Autofahrer, auch wenn sie vergleichsweise gesittet Orsche fahren, weil automobile Träume ja nicht zwingend im Rennmodus ausgelebt, vielmehr in der Seele und auch Aussenwirkung ihre eher fetten Spuren hinterlassen, ein Spiegelbild, dass ohne Worte wirkt. Mein Alter gleicht dem der Marke, der ich bereits als Jungspund zum Opfer gefallen bin, damals im Typ 356 mit Knick in der Scheibe, weil man Glas vermutlich noch nicht biegen konnte. Sechzig tapfere PS brachten das Schlaglochsuchgerät zum fliegen, derweil man bei Tempo 125 nahezu ungefedert auf die Dämpfung der Bandscheiben vertrauen musste. Bei Schiffen bin ich dutzendweise schwach geworden, mein Orscheverbrauch ist dagegen moderat, bin ich doch nur fünfmal hingesunken. Verglichen mit der rasenden Entwicklung dieser Fahrmobile erscheint mir allerdings meine eigene technische Grundausstattung fast als Stillstand der Gesamtperson, zumal ich immer noch gerne das Verkehrsgeschehen selber lenke und mir Eingriffe von unsichtbarer Hand vom Leibe halte, weshalb neueste Autoware in meinem Stall keinen Zugang hat, weil mein tradiertes Technikverständnis vorher die Vollbremsung macht.
Ich weiss, dass ich damit nicht alleine bin und nehme dies als Grund für eine besondere Geschichte, bei der ein Mann, der an der Entwicklung jener legendären Automarke massgeblich beteiligt gewesen ist, gleichermassen ähnlich tickte, was uns einander hat näherkommen lassen.
Anatole Lapine hat in den Jahren 1969 – 1989 als Designchef die Geschicke der Marke Porsche gelenkt und den Grundstein zur Weiterentwicklung neuer Modelle gelegt. Und er war Segler, wie so viele automobile Petroleumköpfe, die die retardierte Fortbewegung unter Segeln als Ausgleich für rasante Karrieren, liebgewonnen und irgendwann dann einmal Heckverzierungen nachgefragt haben. Fast alle Markenvertreter waren schon bei mir, weil Segeln als mobiles Fortkommen wunderbar mit dem Technikverständnis jener Menschen harmoniert. Kein Widerspruch für mich, wie diese Geschichte zeigt.
Lapines Schiff, die VELVET, habe ich zu Beginn der 90ger Jahre in Makkum auf der Werft von Tjerk Hutting entstehen sehen. Wann immer ich in Makkum aufgeschlagen bin, konnte ich spektakuläre Details erkennen, bis zum Tage der Erstwasserung, an dem ich allerdings nicht dabei gewesen bin. Der Name des Eigners wurde vertraulich gehalten, wie so häufig bei spektakulären Schiffen, bei denen die Neugierde jeden überfällt, der hier Einblicke erhofft, zumindest um den eigenen Neid in Zaum zu halten, alternativ sich selbst Zucker zu geben. Tjerk jedenfalls hat dicht gehalten und eine atemberaubend besondere HUTTING 40 / Lapine fertiggestellt, bei der an nichts gespart worden ist: Ein wundervolles Zweipersonenschiff mit Carbon Spieren, Rod Rigg, MTU Diesel, 24 V Anlage sowie anspruchsvoller Elektronik. Ein Schiff, das ganz den besonderen Wünschen des Eigners auf den Leib geschneidert wurde, inklusive Delfter Kacheln in den Feuchträumen, Intarsien im Salontisch, hellblauem Rundsofa und einem Sitz für den Skipper aus dem Porsche 911, womit sich Fragen nach dem beruflichen Umfeld der Skippers von selbst beantwortet haben. Ein siebenstelliger Kaufpreis, für den man ansonsten 2 – 3 Serienschiffe hätte einkaufen können, mindestens.
Die Velvet ging zu Wasser und wurde zunächst zu den Kanaren gesegelt, wo der Eigner sein Schiff infolge Seekrankheit verlassen hat, wurde sodann von einer Crew nach Florida gesegelt, dort eingeführt und sodann auf dem Landwege nach Maine verbracht, wo es sorgfältig stillgelegt und mit PE Folie verschweisst, ganze 14 Jahre schlafen gegangen ist.
So wurde die Velvet für mich zur Fata Morgana, weil ich keinerlei Spuren mehr gefunden habe. Bis zu dem Tage im Jahre 2009, als Anatole Lapine mich wiederholt angerufen hat und wir in stundenlangen Gesprächen über das Segeln, dieses sein wundervolles Neubauprojekt gesprochen und geschwärmt haben, und ich im weiteren Verlauf sodann unvermittelt gefragt wurde, ob ich denn nicht Interesse an der Velvet habe? Lapine sagte, er habe sich entschlossen, sein Traumschiff zu verkaufen. Mein Herz stand still, allerdings nur für einige Sekunden, weil meine Flottenplanung bereits in eine ganz andere Richtung gegangen und sodann schlafwandlerisch meine Vernunft die Regie und Zügel ergriffen hat.
Es lag und liegt in meinem beruflichen Tun begriffen, dass ich mit vielen Seglern in Kontakt stehe, die vielfach auf der Suche nach dem besonderen, für sie geeigneten Schiff sind, die bereits erkannt haben, dass die am Markt angebotenen Flottenverbände nicht ihren Wünschen, Träumen und Vorstellungen entsprechen, die zudem wissen, dass sie in mir einen allzu willigen und bereiten Gesprächsgegenüber haben. Meine private Leidenschaft, stärker als die Thematik von Heckverzierungen, mit deren langweiligen Details ich des Nachts meine Frau im Schlafe zu wecken imstande bin. Das ist wie Pflicht und Kür bei den Lipizzanern, denen man den Spass ansieht, wenn sie ihre Pirouetten drehen, man muss nur in die blitzblanken Augen sehen. Sublimiert gesagt, nicht dass ich hier mit einem Pferd verglichen werde!
„Gemeinsam bei einer Flasche Rotwein eine Zigarre rauchen, mit Blick über den Hamburger Hafen“
Das war Lapines Wunsch, allerdings dazu ist es nicht mehr gekommen, aber unsere Gespräche liessen eine Seelenverwandtschaft vermuten, die man selten verspürt, was zu den unvergessenen Momenten in meinem Leben gehört, und in der Seele gehütet und vergraben wird. Bis heute!
Ein Neuschiff, das 14 Jahre im Dornröschenschlaf gewesen, samt toter Systeme und Batterien, wieder zum Leben zu erwecken, erfordert Tatkraft, Willensstärke zudem Einschätzungsvermögen der komplexen Aufgabe, um die Aktion zum Erfolg zu bringen. Zumal hier drei Parteien involviert mit jeweils ganz eigenen Interessen, denn immerhin hatte die MorrisWerft die Velvet jahrelang angeboten, um unbezahlte Rechnungen auszugleichen. Ein nahezu unmögliches Unterfangen, hier alle Parteien zu vereinigen und zu ruhiger Abwicklung an einen Tisch zu bringen.
Ich hatte zwei überaus willige Interessenten anzubieten bzw. zu vermitteln. Eva D. aus Norwegen, Künstlerin auf der Suche nach schwimmender Selbstbestätigung, war hellwach und interessiert, allerdings kurzfristig wenig handlungsfähig, weil zunächst ein Erbe aufzulösen sei, zudem eine Immobilie auf Long Island hätte verkauft werden sollen oder müssen. Eva wollte dennoch den Kontakt zum Eigner erhalten. Das dann folgende Telefonat machte das Drama erkennbar: Lapine litt damals bereits an den Folgen der Alzheimer Krankheit, er hatte bereits vergessen, dass er 10 Minuten vorher mit Peter Foerthmann gesprochen hatte.
Der Zweite Interessent war Yves Lafontaine, ein HR Segler seit Jahren, gerade unterwegs, eine Windpilot Anlage zu erwerben. Yves und Elaine erwiesen sich als die Glückspilze der Stunde. Wir haben ca 100 Mails gewechselt und rundum die Details verhandelt, am Ende mit vereinten Kräften, und dem Wohlwollen von Ehefrau und Sohn von Anatole Lapine, den Deal arrangiert. Die Velvet hat für $ 220.000 den Besitzer gewechselt und wurde damit zu jenem Glücksdeal, wie er nach meinem Dafürhalten noch niemals zuvor stattgefunden hat, Wert jede erdenkliche Mühe, die notwendig gewesen ist, ein aussergewöhnliches Schiff zu erwerben. Eine Präziose unter weissen Flügeln.
Hier ein kleiner Ausschnitt aus meinem Dialog mit Yves, der seine eigene Sprache spricht:
Dear Peter,
This is solid information. I knew Velvet was “ the small yacht “ on the
market now, but could’t figures a logic story on it. I guess low
offers are welcome at this point, unless Morris has an interest in it
some kind of a final agreement. That’s how I bought my Monsun, paid the
yard for 3-4 years of unpaid storage and a small balance wich was
rapidly recovered by selling thousands of dollars from stuff on board.
The boat had to be imported and customs paid prior to the closing by
the prvious owner.The boat cost me my refit in the end. But I put to
much time at the yard instead of cruising. Since time is pressing in the
late fifties I would like a yacht in good condition this time a yacht
that went through a recent refit or little use.The Breehorn 37 is price
at $190,000 US.I need the report on the engine a Volvo. I have also
seen a Koopmans 42 pilot house and from Garcia a very shoal draft round
chine cutter a DI that can be beached like an Ovni. The asked price is
low and needs a refresher in terms of looks in the interior. I would
like to thank you again for all these infos and support.
Bien cordiallement,
Yves 07.11.2009Hi Peter,
We are leaving tomorrow to go check Velvet. I should be there 2 days or
3 if necessary. We got copies of all the paid bills at the yard. The
engine was hand turned every year. Better than nothing. I spoke to
mecanics opinions vary. Could be a piece a cake or rings to change,
some dried seals etc.,.While on board I will have to copy name of all
suppliers etc, get the infos on parts, plans. Could do an engine sea
trial in some winter bassin later. The mast was left outside, the
rigging inside. The main deterrent to me would be how to keep a crew
rested underway wich such a design, you almost need to sleep in the
galley’s floor. If there is to be action in the pilothouse. The boat is
24v.I need to get suppliers of 24v for that boat. I agree it’s an
advantage to have 24v, but this side of the pond it’s unusual. Lots of
spare parts to figure and have on board. Very tempting boat for me. All
the rest is goodies: top sailing machine, powerfull, world class
cruiser, all oceans in between traditionnal and modern set up. A new
boat still in the packaging. I didn’t have time to even take out the
windvane out of my car. I will do so when I get back and send you the
pictures. I will bring the attachement to Velvet to check some clearing
of the ladder. Will probably need to move it.The boat was listed 3
years ago.No real attemps to buy it, lay out problems , 24v,aluminium,
12 years at rest, all kind of things not for americans yachtman.
I’ll keep you posted…
Yves
07.11.2009 MTU enginePeter,
Don’t worry for the maths justifying an adjusted price. That angle of
the transaction will be well covered. That’s why I want to sneak
through that boat with a camera and notebook. It’s probably loaded with
spares. The price has to be right for me and decent for them
considering the pending tragedy. Their alternatives are
low… Everything has to be cool, chilled..!!Thanks for the advice on the engine. I need to find head gaskets and a
new impeller. One question Peter, what is the 5 cylinders Schwarting
MTU 60hp engine reputation in Europe? My mechanic in Florida compared
it to Mercedes and said he had good experiences with them. I think
Schwarting in now a division of Detroit diesel and parts could be
found with them. Five cylinders is a plus I’m told. What about Logic
electronics, The boat is loaded with them.Ciao!
Yves
02.03.2010 contract velvetHi Peter,
Just to say hello and drop the info that we have a contract on
Velvet. The closing is due in june after an engine sea trial and
demonstration of all the systems on board. The rigging will be put up
later. We have confidence in the capabilities of the sailboat. We hope
it’s not a slug at sailing. We got a price just a little over what you
recommended with very favorable conditions. We spoke with Anatole three
times and got Klaus his son to handle the transaction for him. We met
Klaus in South Carolina and had the boat surveyed on our way down to
Florida prior to the offer. The surveyor was really impressed with the
boat and he has seen a lot like he said in 30 years of practise in
Bass Harbor Maine ( Hinckleys, Morris etc. ). We also visited a Garcia
46 custom and a Koopmans 43 in Miami. None of these were even close in
conditions and quality of construction but were twice the price. I
really thank you for your advice and encouragement to look seriously
at that boat. We hope to be on board next fall. Meanwhile we are trying
to sell our Hallberg-Rassy 31 in the Bahamas where we are presently. I
hope all is well with you and luck is on your side in your affairs.
Best regards,
Yves Lafontaine30.05.2010 price contract
Hi Peter,Velvet sold for $ 222,000 US. The owners spent $ 20,000 US to bring
the boat back with it’s major systems, including all pumps, new
complete exhaust ( back pressure problem ), new AC fridge etc.,. The
anchor was used once only in Madeira.The engine fired like a new one.
It will go forever.The interior cleaning we did showed a very new
boat. The engine is silky, can’t hear it at idle. We are very lucky and
thank you again for your encouragements and good advice like staying
low key and discreet. The minute the boat was out of the shed it
started to attract attention. We were anxious to complete the
transaction. Mr.Lapine had great inspiration with Velvet. The lines are
harmonious and the comfort is outstanding on this boat. I will get back
to you for spare parts to have on board for my Windpilot Pacific.Please accept our very kind salutations,
Yves & Elaine
17.09.2012
Dear Peter,We to say hello and give you a little report on Velvet.
We finally left Virginia just before christmas to challenge the 276 =
hours engine on Velvet to Florida. Preparations and conversions of Velvet =
as a cruising sailboat for the warm climates took forever. Almost two =
years on our spare time to get her back in the water.The winter trip was fine to Florida motoring in the Intracoastal =
Waterways for 23 days with just a seal of transmission lever leaking a =
bit and a loose bolt on the water pump that needed a helicoil thread =
repair.In Florida we installed davits and some modern plotter in the cockpit =
and finally made our way to the Bahamas from which we returned last =
june. We will back to Florida end of october and then take off to the =
Bahamas again and Cuba later in spring to finally store the boat in the =
Abacos on the hard.This year I want to install my Pacific. I will need from you a kit of =
plastic washers or protectants to insert in between the hull and the =
Windpilot.I also need the chain holder device ( pinnenarretierung ) You could also suggest any spare = parts to carry on board. The unit was used only 3 weeks during Atlantic =
crossing by the former owner. I will pay by Visa if ok with you. We will =
be leaving end of october 2012 for Florida.If my understanding is correct, I will be able to install my Pacific and =
use the short square aluminium and hefty emergency tiller to control =
the lines of the unit. Installing on the wheel would be my second =
option since it would leave less space in the cockpit to move =
around. When we will be in Florida I might need so tips on the =
installation. I will send you pictures of the Bahamas trip and the =
details of the yacht steering systems.First I hope to retrieve all of this from my recently crashed MacBook.I =
hope it works.
M.Lapine passed away last april. He was 81 and affected by Alzeimer. His son Klaus sent us a full box of picture albums taken during all of the building of Velvet plus all the paper work, contracts, original plans etc. What a gift! We realized then all the work involved in the building of that fantastic yacht. We are really privileged to be the new owners of that beauty. The sailing experience was out standing. Powerfull, steady, quiet and predictable are some of her qualities. Not to mention the pure joy of looking at her from any angle any time of the day or any weather conditions.So far we kept her in yacht condition. We had to polish the hull extensively to get some lustre back. Will need topsides paint sometimes. We put a lot of time in the cleaning and debugging of the new old boat. I sadly must point to you that M.Lapine was onboard the boat =
from Netherlands to Canary Islands on the first leg of the crossing. His son told me he was very seasick on a night crossing in between two islands. He tought he was not going to make it. After that night an english couple crew took over to Florida where Klaus received and imported the boat to finally have it trucked to Morris Yachts in Maine. M.Lapine went back the year after to look at the boat for 2-3 days in storage and never came back.Thanks again for your encouragements in going forward with the buying of such a craft. We will take more pictures of Velvet in the perfect waters of the Bahamas and complete them with a trip report for the Windpilot blog.
Hope all is well on your side of the pond.
Yves & Elaine
S/V Velvet
Hamburg den 09.04.2023
Peter Foerthmann