JESTER AZORES CHALLENGE 2024
Hallo Peter, nachdem ich im Winter 2022/23 bei Dir eine Windpilot pacific light für meine Allegro 27 ‚Lange Orm‚ erworben habe und sie auch gleich entsprechend Deiner Empfehlung angebaut habe, möchte mal eine kurze Bilanz nach rund 5000 Seemeilen ziehen und berichten.
Ich nehme den Aufhänger Jester Azores Challenge, weil ich und meine kleine ‚Långe Orm‘ tatsächlich in 2024 im Rahmen der Jester Challenge von Plymouth zu den Azoren gesegelt bin. Und das kam so:
Seit meiner Einhand – Atlantikquerung in 2018 mit meiner alten treuen, schweren stählernen Fruit de Mer 37, bei der ich auch Horta anlief, aber die Azoren aus Zeitmangel nach wenigen Tagen wieder verlassen mussten, hatte ich das Gefühl, da noch einmal, aber diesmal mit genügend Zeit hin zu müssen. Ich hörte von den Jester Challenges und fand deren Prinzien: mit kleinen Booten lange Hochseestrecken, komplett eigenverantwortlich zu segeln, nicht um irgendwelche Preise zu erringen, sondern aus reinem Selbstzweck, faszinierend. Ebenso faszinierend die Typen, die sich um diese Challenges herum zusammen fanden. Meist etwas spleenige ältere Herren mit abenteuerdurstigen Herzen und sehr viel Erfahrung.
Ein geeignetes Boot hatte ich, eine Allegro 27, ein kleiner seetüchtiger Langkieler, der mir auf verschiedenen Ankerplätzen meiner Nordatlantikrunde begegnet war und einer von ihnen hatte auch schon den Globus komplett umsegelt.
Als Vorbereitung für die Azoren Challenge 2024 hatte ich mich zur kleineren Jester Baltimore Challenge 2023 angemeldet: einmal von Plymouth aus nach Westen, Wolf Rock, Bishop Rock an Steuerbord lassen, über die Irische See nach Nordwesten, Fastnet Rock an Steuerbord lassen und rechts um die Ecke in den großen Naturhafen von Baltimore. 260 Seemeilen nonstop, einhand in kleinen Booten bis maximal 30 Fuß. Das sollte mir zeigen, ob mein Boot und ich der größeren Herausforderung ‚Azoren Challenge‘ gewachsen sind. Natürlich war eine Windfahnen-Selbststeueranlage ein muss. Auf meiner Atlantik-Runde hatte eine Aries von den gut 18.000 sicher 95% gesteuert, lautlos, ausdauernd, nie versagend. Wohingegen Pinnenpiloten meist keine 1000 Seemeilen durchhalten. Aber eine Aries oder Monitor wäre nicht nur viel zu schwer für das schmale Heck meines Spitzgatters, sondern auch viel zu teuer. Nach langer Suche und vergleichen wurde klar, das die Pacific light der beste Kompromiss zwischen Gewicht, Kosten, Leistungsfähigkeit, Durabilität sein würde, zudem hat sie ein elegantes, stringentes Design, das nicht das Heck meiner Allegro verschandeln würde, wie das manch andere Anlagen getan hätten, die doch recht verbastelt wirkten. Die Reise mit der ‚Långe Orm‘ von Oldersum nach Plymouth über 550 Seemeilen in knapp 2 Wochen war bereits ein Abenteuer für sich. In Dover begegnete ich bereits den beiden Jesters, Ron mit seiner Westerly 26 Griffon mit selbst gebauter Hebridean Windfahnenanlage und George mit seiner kleinen Hurley 22 mit selbst gebauten Harddodger und einer kleinen Southatlantic Windfahne am Heck. Meine Windpilot Pacific light habe ich tatsächlich erst ab Dover in Betrieb genommen, und sie steuerte vom ersten Moment an genau so, wie ich es erwartet hatte. Unermüdlich, präzise, unaufdringlich, effektiv in den zumeist kräftigen, überwiegend achterlichen Winden. Danach habe ich nur noch für Hafenmanöver und bei extrem schwachen Winden mit Bootsgeschwindigkeit unter 1,5 Knoten die Pinne selbst gesteuert. Die Jesters Baltimore Challenge startete am 18.6. bei schwachem Nordost. Wir waren 43 Starter insgesamt, 32 starteten von Plymouth, 11 von Pwllheli in Wales. Trug uns die Briese noch an Lizzard Point mit ein oder 2 Holeschlägen vorbei und reichte auch noch gerade so eben vorbei an den Scilly Islands und seinen Verkerstrennungsgebietes, so verließ uns der Wind dann in der 2. Nacht vollständig. Viele von uns schliefen in dieser 2. Nacht unbeabsichtigt lang und tief,vsidass sich Boote auf Drift begaben und sich in alle Richtungen zerstreuten. Das ging auch mit so, und ich erwachte nach 20 Stunden traumlosem Schlaf treibend mit backstehenden Segeln. Wenn Segel aber backstehen, dann ist ja offensichtlich doch wenigstens etwas Wind vorhanden, zumindest manchmal. Also sortierte ich meine Segel und nahm wieder Kurs auf Baltimore und schlich so mit 0,5 -1,5 Knoten dahin, aber immerhin in der richtigen Richtung. Der unstete, extrem schwache und immer wieder ganz wegbleibende Wind war allerdings nichts für die Pacific light. Da musste der Pinnenpilot ran und hielt mich bis zum Morgengrauen auf Kurs. Nun setzte auch ein leichter Südwest ein, und langsam nahm ‚Långe Orm‘ wieder stetige Fahrt auf, nun konnte auch die Pacific light, zwischenzeitlich auf den Namen ‚Peter‘ getauft wieder seine Arbeit aufnehmen und steuerte die gesamte verbliebene Strecke um Fastnet Rock herum und dann vor dem Wind ‚wing to wing‘ bis vor die Durchfahrt zwischen Sherkin Island und Barrack Hill in den Naturhafen von Baltimore. Knapp 76 Stunden hatte ich benötigt und war damit als 4. der in Plymouth gestarteten, als 5. der Gesamtflotte angekommen. Nicht schlecht für einen 46 Jahre alten Langkieler. 13 der gestarteten gaben wegen des sehr schwachen Windes irgendwo auf der Strecke zwischen Lizzard und den Scilly Islands auf.
Einer von uns, einer der erfahrensten zudem, Duncan Lougee mit seinem Varne Folkeboot ‚Minke‘, beide erfolgreiche Jester Azores Challenge Teilnehmer2021, Duncan für seine hervorragende Seemannschaft hoch dekoriert, ‚was lost at see‚. Der erste menschliche Verlust in der Geschichte der Jester Challenges. Sein Boot wurde gefunden, er bleibt verschwunden. Das zeigt uns, das jede Segelreise, auch eine so kurze und scheinbar harmlose, wie die nach Baltimore bei sehr schwachen Winden, stets Gefahren birgt und ernst genommen werden muss.
Für mich aber begann ein paar Tage später die Rückreise, mit Abstechern nach Cork, Dublin, Isle of Man, Pwllheli, Milford Haven, Newlyn, Helford River, Portland Harbour, Pool Harbour, Solent über Ijmuidennach Hause. Was für ein Abenteuer. 2200 Seemeilen. Und zugleich doch nur die Vorbereitung für die Jester Azores Challenge 2024. Den größten Teil der Strecke gesteuert von Peter, der nimmermüden Pacific light. Auffällig: jeder einzelne der 43 Teilnehmer hatte eine Windfahnen-Selbststeueranlage. Ohne Ausnahme. Ganz im Gegensatz zum heutigen Trend, sich alleine auf einen elektrischen Autopiloten zu verlassen. Die sehr erfahrenen Teilnehmer wissen sicher, warum. Ich hatte in den vorausgegangenen Jahren trotz eher sparsamer Benutzung jedenfalls insgesamt 5 Pinnenpiloten verschlissen.
Die Azoren Challenge 2024 ist eine andere Geschichte. Zu lang, sie hier auch zu erzählen, nur soviel: 15 Teilnehmer, alle erfolgreich angekommen, wenn auch (zumindest bei mir) nicht ohne Rückschläge, trotzdem oder gerade deswegen ein tolles, bleibendes Erlebnis. Und diese 15 halten heute wie Pech und Schwefel zusammen. Wir werden uns im Februar 2026 in England treffen, Erfahrungen austauschen. Einige von uns stecken schon in den Vorbereitungen zur Jester Challenge 2026 nach Newport/Rhode Island, über den kalten Nordatlantik, gegen die vorherrschenden Winde und Meereströmungen, mit kleinen, bescheidenen Booten. Für mich eine Nummer zu groß, zu fordernd. Vielleicht bin ich auch dafür zu alt oder zu bequem geworden.
Herzlichst
Eberhard Harms, a.B. SY Långe Orm