KEIN ZWEITSCHIFF – ODER DOCH?
Es gibt Schiffe, die zu meinem Leben gehören, die mich begleiten, hier und dort in meiner Seele Spuren hinterlassen, weil sie, obgleich nur in kleinen Stückzahlen hergestellt, wie ein roter Faden, immer wieder Anlass geben, nachzudenken, weil sie Geschichten erzählen, die sich tatsächlich zugetragen, die sich mit steter Vehemenz immer wieder in Erinnerung bringen.
Zum Beispiel neulich in Den Oever, als diese beiden Schiffe, deren jedes für eine Stand alone Geschichte taugte, gleich im Doppelpack nebeneinander in einer Halle gelegen haben. Kaum jemand würde vermuten, dass das eine das Zweitschiff des anderen, oder umgekehrt, derweil sie beide dem gleichen Eigner gehorchen, der an ihnen gleichermassen sein Herz verloren hat, weshalb er seinem Hang zum Zweitschiff am Ende nachgegeben hat, obgleich er seine Schiffe häufig nur als Einhandsegler nutzt. Seither schindet sich Douwe Gorter, beide Schiffe würdig und wie aus dem Ei gepellt, in Neuzustand zu versetzen, mit seinen eigenen Händen, was einer Herkulesaufgabe gleicht, für die man ansonsten ganze Sklavenkolonnen würde beschäftigen können oder müssen. Hat er aber nicht!
Douwe kam auf einem alten Hollandfahrrad in die Werfthalle hinein geradelt, in der ich gerade mit Dick Koopmans und Abhilash Tomy die Montage eines Steuersklavens für die SV Bayanat besprochen habe, stellte sich artig vor und bat um meinen Besuch in der Nebenhalle.
Mich traf der Schlag, als ich erkannte, dass dort zwei Traumschiffe nebeneinander friedlich in der Halle lagen, deren jedes eine Geschichte in meiner Geschichte erzählen konnte.
Es war im Jahre 1977, ich hatte gerade eine mir damals viel zu grosse Unternehmerhose angezogen, war als Neueigner der Firma Windpilot zaghaft unterwegs, mir das Handwerk und die Feinheiten über das Gewerk von Steuersklaven beizubringen, als die Zeitungen auf der ganzen Welt von der sagenhaften Reise der Naomi James ( geb. 1949 ) erzählten. Sie war Single Hand mit der Express Crusader, einer Gallant 53, aufgebrochen, den damaligen Rekord von Sir Francis Chichester zu unterbieten, was sie in 1978 um zwei volle Tage schaffte, 272 anstelle 274 von Gipsy Moth. Beide Heroen, Naomi und Francis wurden von der Queen „geschlagen“, seitdem weiss ich, dass der weibliche SIR, die DAME ist. Sowas vergisst ein Segelheini damaliger Tage nicht. Was mich allerdings viel mehr faszinierte, war ihre Wahl der Heckverzierung, denn dort war eine „Schwedomat“ montiert, an den korrekten Namen kann und will ich mich auch unter Folterandrohung nicht erinnern. Diese Geschichte ist separat notiert und für die Nachwelt hinterlegt:
Ich war hin und weg und habe ehrfürchtige Runden um diese Systeme in der Ernst-Merck-Halle auf der Hamburger Bootsausstellung, wie sie damals noch genannt, stattgefunden hat, wo die blaulackierten Steuersklaven Schulter an Schulter mit hingehauchten Aquarellen filigraner Jachten mit Kunst sublimiert, zum Verkauf angeboten waren. Schlaue Maßnahme, vermutlich höhere Marketingkunst, die mich ein wenig irritierte. Mir kam dann die Idee, dass dies ein besonderer Trick gewesen ist, um zur Hälfte pelzbemantelt herausgeputzte Pärchen paarweise an die Kasse zu locken: eine Heckverzierung für den steuermüden Skippermann und ein Wandschmuck für die verwöhnte Dame für den Platz oberhalb des heimischen Ledersofas. Immerhin wurden die Steuersklaven jener Marke für fünfstellige DMarkbeträge ausgepreist, weshalb die Kunst zu äquivalenten Preisen angeboten wurde, vermutlich, um das innereheliche Streitpotential gering zu halten, weil sich ja der Messebesuch für alle Beteiligten gelohnt. For the Records: ich habe damals meine blitzblanken Steuersklaven im Bereich von DM 950.- angeboten. Eine völlig fremde Welt! Meine Systeme empfahl ich damals als für Schiffe von max 34 Fuss geeignet, also Lichtjahre entfernt von einer Gallant 53, die mit der „Schwedomat“ ausgerüstet worden ist. Treppenwitz der Geschichte, als ich Jahre später erfuhr, dass die Entwicklungskosten jenes Produkts offenbar vom schwedischen Fiskus alimentiert wurde, dem die drei findige Erfinder glaubhaft versichern konnten, dass es sich um ein volksnahes Produkt handeln würde, welches für breite Käufer Massen hoch interessant. Ein Irrtum mit dummen Folgen, in deren Kielwasser ich Wasser schlucken mußte. Wie gesagt: alles Geschichte, von der Schwedomat wurden damals nur wenige hundert Systeme fabriziert.
Zur Erinnerung: damals sublimierten Schiffe im Bereich von 34 Fuss bereits Reichtum der Eigner, jeder träumte, aber kaum einer hatte die Mittel, den Traum in die Wirklichkeit zu konvertieren. Die Thalassa, mit der Bobby Schenk samt seiner resoluten femininen Regierungszentrale zum Langtörn aufgebrochen ist, war eine Fähnrich 34, sie galt als veritable Blauwasserjacht vergangener Tage und wurde in Rendsburg laminiert, ziemlich dick, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe, als ich meinen Bohrer am Heck probierte, vermutlich weil damals wirklich keiner eine Ahnung hatte, wie dünn man Schiffe hätte bauen können, zumal Harz, GFK Matte und Arbeitszeit ja noch preiswert zu haben waren. Diese robusten Jachten sind auch heute noch im Einsatz, manche haben bereits bei Prof. Mang, Entschuldigung, ich meine natürlich, Peter Wrede, ein Refit erfahren, was nur dann eine lohnenswerte Investition, wenn die Substanz der Kosten würdig und solide ist … zur endlosen Lebenszeitverlängerung.
Ein wenig zeitversetzt und mit mehr Erfahrungswissen auf meinem Rücken, konnte ich damals kaum glauben, dass Naomi James auf ihrer Reise um den Spielball in toto ungefähr sieben (!) Ruderblätter jener Heckverzierungen abgebrochen hatte … gleichwohl wurde das System qua Marketing in den Himmel gehoben … und einer besonderen Klientel, vornehmlich der SWAN und BALTIC Klasse, die vorzugsweise von besser situierten Freiberuflern oder von Göttern in weiss gesegelt wurde, zum Kauf ans Herz gelegt. Der Preis für die Heckverzierung wurde hingenommen und abgenickt, eine Marktnische, die ich damals nicht verstand, allerdings habe ich mein Unwissen einige Jahre später radikal aufgefrischt, siehe oben.
Die Express Crusader ist mir in den Folgejahren wiederholt über den Weg gelaufen, bzw. sie lag am Wegesrand, der mich vermehrt nach Florida führte. Eine Fahrt den South Fork New River uphill hat genügt, dort teils unter schwimmenden Dächern vor der Sonne geschützte Schätze aufzuspüren.
Über etliche Jahre war die Express Crusader dort versteckt bzw. geparkt, inmitten eines gewaltigen Dorados von Schiffen jeder Grösse und Couleur, die entweder hinter Häusern an den ungezählten Kanälen angebunden waren, oder in gewaltigen Marinas zum Warten in der Sonne verdammt auf den Tag der Tage warteten, wo ihre Herrchen angerannt, geflogen oder gefahren kamen, sie zu reinigen, zu klarieren, um sie nach See zu zu entführen … oder eben nicht und statt dessen nur den ICW – nicht zu verwechseln mit IWC Uhren – up und down zu fahren, um sich nicht im Atlantik die Füsse nass zu machen. Immerhin eine Wasserstrasse von bald 5.000 km Länge, genug für ein ganzes Boaterleben mit oder ohne Spieren.
Jedenfalls bekam ich im Sommer 2018 von Douwe eine Mail über Iridium und erfuhr etwas mehr über die Geschichte dieses Schiffes:
Hi Peter,
Hope this email finds you well!I wanted to give you a short update on the performance of the very old Windpilot that I bought and installed on Ponta Delgada, the Azores.
Since this is my very first experience with a windvane I must say that I am totally blown away by its performance on this boat. As you know this is the old boat that Lesly Williams sailed the Ostar with in 1968 three months after she was launched, he came in second by the way. She is even better know as the boat that was lent to Naomi James by Chay Blyth to become the woman to ever sail around the world single handed in 1978. The boat was equipped with a Sailomat of the first generation, despite the very many issues she had with the Sailomat she stated in her book that the adventure success had been very much dependant on the self steering.
Express Crusader is very well balanced van de Stadt design and your Windpilot performs so good that I have used it 90 percent of the time so far, switching off the Raymarine S3G autopilot. Even when I push the boat hard the Windpilot is very well capable to keep course. I am now some 500 miles from the Azores on my way to England. I had winds between 7 and 30 knots so far, mainly on the quarter, not the easiest course to maintain. I still use the 1:2 gearing of the Windpilot as you suggested.
I bought the Windpilot second hand as a backup for the Raymarine since I sail singlehanded a steering aid is an absolutely vital thing to have.
However, based on the performance so far, I believe for long distance ocean sailing the Windpilot will become my main steering.Thank you for designing and building a great product, and what is even more, thank you very much for your help and advice during the installation on the Azores. I did not even buy this one from you! I may come by later in Hamburg with the Windpilot so you can check it and see that I get some new stickers that indicate the course you set, the only worm part I believe.
O yes and I did find out the hard way not to launch the baby at a speed of 8 knots if you don’t know how to do it, I had to bent the Stainless rod straight again. I your manual you described somewhere that that is a possibility. Was a 15 minute job. So even when I made a stupid mistake the product is build is such a way that you can repair your self 🙂
Best regards,
Douwe
Von den 22 gebauten Gallant 53 wurden 7 mit einer Windpilot Pacific ausgerüstet.
Meine erste Verbindung zu Gerard Dykstra rührt aus der gleichen Zeit, denn ich habe in 1976 zeitgleich mit meinen ersten Schweissversuchen alle Literatur zum einschlägigen Thema rund um Steuerautomaten unter mein Kopfkissen gelegt, klar zur jederzeitigen Konsultation, falls im Kopf ein Loch entdeckt, das ich pflastern wollte … mit Wissen. Die Lektüre war, nun ja, übersichtlich. Das Buch SELF STEERING war gerade druckfrisch im Handel, herausgegeben von der Amateur Yacht Research Society, 160 Seiten habe ich verschlungen, den Buchinhalt konnte ich bald auswendig, zumal Physik ja recht logisch, weil man nur wenige Gesetzmässigkeiten zu beachten hatte, allesamt logisch … zumindest wenn man gewillt war, logisch zu denken.
Wenig später wurde das deutsche Buch SELBSTSTEUERANLAGEN im Jahre 1979 von Delius Klasing publiziert. Ein Markt für Windsteuersysteme war gerade im Entstehen, John Adam ( Gründer von Windpilot ) hatte nach 7 Jahren Tätigkeit, seinen Betrieb gegen mein Schiff vertauscht. Der Autor war Gerard Dykstra, und die Legendenbildung in meinem Kopf begann exakt zu jener Zeit.
Mein Leben begann zu sausen, der Lauf der Dinge wollte mich rechts überholen, wer dabei nicht selber rennt, derweil die Peitsche knallt, der wird vom Leben platt gemacht und am Ende Schachmatt gesetzt. Genau das aber wollte ich nicht, weshalb ich meine Beine unter die Arme genommen, tief Luft geholt … und den Lebenswettlauf angefangen habe. Pacific Light, Pacific und Pacific Plus, diese Geschöpfe sind in meinem Kopf entstanden, man musste nur noch Hände und Füsse dran schrauben, devot die Banken um ihr Schmieröl betteln, um die Ideen sodann in Steuersklaven zu verwandeln, ein Prozess, der ungeahnte Glücksgefühle erzeugen kann, wenn man am Ende ohne Hände an der Pinne des eigenen Schiffes unterwegs und bei der Musik von Paolo Conte mit schnurgeradem Kielwasser durch die Meere pflügt.
Dank Jimmy Cornell bin ich später zum „schreiben“ gezwungen worden, die Geschichte ist nachzulesen. Jedenfalls war es logisch und eine Ehre, dass ich Gerard eines meiner ersten Exemplare von SELFSTEERING UNDER SAIL zur angelegentlichen Lektüre nach Holland schickte. Hatte ich Fehler gemacht, hatte ich etwas übersehen? Die Hosen schlotterten, wer würde sich schon gern blamieren? Es ergab sich dann wenig später, dass Gerard bei mir die Lieferung einer Pacific für seine BESTEVAER 2 anfragte, bestellte, bezahlte und montierte. Donnerschlag war ich stolz! Ich habe dann anlässlich der HANSEBOOT im City Sportboothafen im Jahre 2002 einige Beweissicherungsfotos gemacht und die Dias bis heute konserviert. Das Schiff war in der kalten stürmischen Jahreszeit über die Nordsee nach Hamburg gekommen. Ich habe in den Folgejahren die Luft angehalten, weil ich damals regelmässig zögerte, meine Pacific für derart dicke Schiffe anzubieten und zu verkaufen.
In 2005 erhielt ich dann diese Mail:
Dear Peter, attached two photo’s of your windvane hard at work. We were running in a force 7-8 off the coast of Norway back to NL with reefed main and staysail set. The windvane steered nearly all the way. Thanks.
Best regards,
Gerard Dykstra
Das Foto schmückt diesen Blog bis heute. Ich konnte fortan wieder ruhig atmen, wurde freier und selbstsicherer in Bezug auf meine Empfehlungen, fortan auch für Schiffe der 50 Fuss Klasse mit meinen System auszurüsten. Ungefähr 18 Bestevaer wurden bis dato ausgerüstet und sämtlich von Kooi Makkum BV montiert,
darunter auch eine Bestevaer 55 SV Albatros:
Dear Mr. Förthmann, as from the launch in 2009, my Bestevaer 55′ Albatros (approx. 26 tonnes) has been equipped with both a Pacific Windpilot and a B&G autopilot.
Both the pilots are being used seperately and have served us well over the years and still do.
Best regards,
Jan Willem Eyssen
Douwe Gorter hat die Bestevaer #2 im vergangenen Jahr in Amsterdam erlöst, wo sie in verwahrlostem Zustand auf einen Käufer zu warten schien. Ich habe die ALICE im Jahre 2003 in Puerto de Mogan getroffen, sie wurde für einen US Käufer gebaut, und befand sich auf Ausreise zu ihrem Heimathafen San Diego CA.
Die Alice liegt nun Seite an Seite mit der Express Crusader in Den Oever. Zwei Schiffe gebaut für die Ewigkeit und für Segler, die sich trauen, bei jedem Wetter auszulaufen, beide mit einer Windpilot Heckverzierung.
Mit Spass und Freude aufgeschrieben am 01.08.2022
Peter Foerthmann