Pflicht + Kür

SCHEIN UND WIRKLICHKEIT
Ein Rundgang durch europäische Messen und Marinas zeigt den Erfolg von Marketing und Promotion, zeigt Trends und Neuigkeiten, die stets als Verbesserungen apostrophiert, beworben und in der Folge dann gekauft werden. Die meisten Produzenten suchen dabei den Spagat von Performance bei zeitgleich hohem Nutzwert und Wohnlichkeit, was für den gemeinen Segler akzeptabel sein mag, weil er sein Schiff überwiegend in erreichbarer Nähe von schwimmender oder fliegender Hilfe verwendet. Die Nutzung und Empfehlung dieser Schiffe für die hohe See hingegen, sollte nach m.E. anderen Anforderungen zu folgen haben, die bei uns, wie ich es empfinde, bei Marketing und Promotion zu selten im Vordergrund stehen: Die Solidität und Bauweise der Anhänge!

DAS WASSER HAT EBEN DOCH BALKEN
Ein Blick in die Akten der Versicherungen über Schadenhäufigkeit und Gründe zeigt unwiderruflich, dass Ruderkonstruktion und Ausführung zur Achillesferse moderner Schiffe geworden ist. Dies gilt insbesondere, weil eine Vielzahl europäischer Yacht Hersteller, vermutlich aus Kostengründen, industriell vorgefertigte Ruder verwenden, die von einem externen Zulieferer, wie z.B. Jefa qualitativ hochwertig hergestellt werden. Es liegt in der Natur der Konstruktion, dass derartige Ruder nur zweifach gelagert werden, wobei – je nach Schiffstype – die Entfernung zwischen den Lagern vergleichsweise nur gering sein kann. Auf einen Skeg wird vielfach verzichtet, was die Wirksamkeit des Ruder verbessert und zeitgleich die Kosten verringert.

Schiffe mit derartigen Rudersystemen benötigen auf hoher See einen Schutzengel, der ihnen Treibgut jeder Art, zuverlässig mit einem Schneepflug zur Seite räumt. Das Bewusstsein der Segler, die eine grosse Reise planen, wird nach m.E. zu wenig geschärft, denn der Lernprozess hätte bereits vor der Wahl eines Schiffes zu beginnen. Womit wir uns dem Auge des Hurrikans nähern. Bei der Betreuung von Seglern bin ich immer froh, wenn ich früh genug um einen Rat gefragt werde. Wurde das – nach meinem Empfinden „falsche“ Schiff bereits erworben, bleiben mir nur artige Glückwünsche zur Neuerwerbung. Nicht wahr, denn dann muss der Schutzengel „ran“!

BERATUNG UND DIE FOLGEN – USA VERSUS EU
Im US Markt liegt die Beratung und Empfehlung in den Händen unzähliger Blauwassersegler, die als Buchautoren eigene Erfahrungen mit vielfach soliden Langkielern, niederschreiben und über eigene Kleinverlage publizieren. Die US typische Blauwasseryacht folgt klar den traditionellen Linien mit am Kiel 0der solidem Skeg angehängten Hauptrudern, wohingegen moderne Performance Yachten dort weniger häufig von der Cruising Community eingesetzt werden.

Die Situation im EU Markt ist erheblich different. Hier werden sog. Testberichte niedergeschrieben, die vielfach als Advertorial Gegenleistung für Inserate erkennbar sind, deren Untersuchungstiefe nicht unbedingt den Vorstellungen von einem wirklichen Test entspricht, zudem sie vielfach so wichtige Bemerkungen über Konstruktion und Praktikabilität auf See vermissen lassen. Diese Berichte werden fortan von Werft und Verlag gegenseitig referenziert und jahrelang per download sogar verkauft. Die Wahl des Schiffes wird damit zu einem gewichtigen Teil dem Marketing Hebel durch Print Medien überlassen.

Der Vergleich der im Blauwasserbetrieb überwiegend eingesetzten Schiffstypen in USA und EU, zeigen sich die enormen Unterschiede verwendeter und populärer Schiffstypen. Ein Rückschluss auf die Gründe und Ursachen der Einflussfaktoren, ist allzu verlockend: Marketing kontra WOM (Word-Of-Mouth). Es erscheint logisch, dass die Erfahrungen von Seglern bevorzugt angenommen, weil Werbung durch Anzeigen und Testberichte meist kritischer bewertet und gewogen werden.

Meine eigene Lebenserfahrung mag bestätigen, dass Marketing auch ganz ohne mediale Erwähnung funktioniert, wenn WOM den Vertrieb sicherstellen kann.

Als Zweite Pfeiler der Kaufberatung, werden Buchinhalte und Blauwasser Seminare wichtig. Es erscheint logisch, dass hier wie dort in Köpfen von Seglern Weichen zu stellen sind. In meinen Ausführungen zur Monetarisierung der Seminare habe dies untersucht:

Monetarisierung

Wenn zum einen die Unterschiede und Wichtigkeiten von Metall- oder Aluminium Schiffen heute bei der Beratung adressiert werden, erscheint mir wichtig, dass den Anhängen der Schiffe unter dem Gesichtspunkt der Eignung für die zu befahrenden Gewässer eine bessere Beachtung erfährt. Dies gilt insbesondere für GFK Schiffe, die teils in grossen Serien hergestellt werden. Security Tests und anderen Ausrüstungs Vorschriften seitens Flottillen Veranstaltern machen zwar Sinn, die Folgen von Ruderschäden ggf. zu mindern, weil man zumindest dafür Sorge trägt, dass Notpinnen vorhanden und funktionstüchtig sind, aber die Schiffe werden konstruktiv belassen, wie sie sind, mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Es ist der Sinn dieser Zeilen, auf die wirklich wichtigen Konstruktionsdetails hinzuweisen, die für Schiffe im Blauwasserbetrieb überlebenswichtig werden könnten.

DER TREND ZUR VERNUNFT IST VORHANDEN
Seit Jahren beobachte ich in meinem Marktsegment die zunehmende Attraktivität bewährter Schiffsmuster. Schiffe mit langem Kiel werden wieder enorm populär, weil sich offenbar die Vernunft in vielen Segler Köpfen durchzusetzen scheint.

In meiner Liste der besonders häufig mit Windpilot ausgerüsteten Yachten verzeichne ich:
332 HR Yachten aller Grössen
68 Monsun 31
72 Contessa 26 / 32 / 35
48 Vega 27
17 Tradewind 35
16 Rival 32 / 35
20 Rustler 36
17 Pacific Seacraft
16 OE 32
22 Alberg aller Grössen
17 Allegro aller Grössen
15 Breewijd 31
15 Bristol
32 Breehorn aller Grössen
18 Endurance 35 / 37
63 Folkeboot / IF 26 / Marieholm 28
14 Island Packet 35 / 37 / 45
18 Laurin 28 / 32
34 Nicholson 31 / 32 / 35
13 Passport 40 / 42 / 45
85 Colin Archer jeder Grösse
22 Tayana 37 / 52
11 Westsail 32 / 42

Dies ist nur ein schneller flüchtiger Ausschnitt aus meiner Datenbank, die nahezu sämtliche jemals weltweit in Serie gebaute Schiffs Typen umfasst, für die ich im Verlauf von 40 Jahren Systeme produziert und ausgeliefert habe.

GOLDEN GLOBE RACE
Für mich ist es nur logisch, dass die traditionellen Schiffstypen an Attraktivität gewinnen. So sind z. B. für das GGR ( Golden Globe Race ) im Jahre 2018 folgende Schiffe angemeldet:
Rustler 36 (6)
Biscay 36 (4)
Lello 34 (3)
Belliure Endurance 35 (3)
Suhaili ERIC design replica (2)
Ta Shing Baba 35 (2)
Tradewind 35 (2)
Nicholson 32 Mk 10 (1)
OE 32 (1)
Benello Gaia 36 (1)

News zum Golden Globe Race 2018

FUTTER FÜR DIE AUGEN
Um zu verdeutlichen, wie solide z.B. die Ruderaufhängung einer HR MONSUN 31 gebaut wurde, mag das folgende Beispiel eines US Skippers dienen, der an seiner Monsun die Ruderlagerung überarbeitet hat. Ich kann mir vorstellen, dass manch ein Segler eines modernen Performance Cruisers mit Balance – Spatenruders angesichts dieser Bilder … sich mit Sorgenfalten auf der Stirn, weiter hinten am Kopf zu kratzen beginnt.

Mein Wort zum Sonntag
Peter Foerthmann

Eine Antwort zu Pflicht + Kür

  1. Thomas SV Rødspætten sagt:

    Peter, du bist tatsächlich nicht mehr up-to-date, ein sogenannter Ewiggestriger! Es müssen heute zwei freihängende Ruderblätter sein, mindestens! Damit wenn eines wegrasiert ist noch ein anderes vorhanden ist! Logisch doch, oder?
    Wenn ich mir dann die riesenbreiten, flachen Hecks anschaue, die wie heraus gestreckte Kinnladen direkt einen knock-out uppercut warten, wenn mal eine heftige Welle achtern anrollt, dann ist man eben froh man hat zweiiiiii Ruder.
    Deren Schäfte sind allerdings in immer kürzeren Lagerabständen gefasst. Aber was soll’s, die Physik über die Hebelkräfte ist ja an den Bootsausstellungen und bei den Schönwetter-Test ja gar nicht anwesend, auch nicht eingeladen. Herr Physiker hat keinen Voucher von den renommierten Werften für die feinen Messen bekommen und würde es auch nicht wagen dort aufzukreuzen. Denn, auch Herr Physiker hat einen Anspruch auf Ruhe, Frieden und Freizeit.

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