DAS RUDER – HERZ EINES SCHIFFES
Habe ich immer noch nicht genug? Ich gestehe, in Bezug auf das endlose Thema RUDER eines Schiffes, bin ich schmerzfrei geworden. Ich drehe endlos und gern das Messer in der Wunde um, wie denn idealerweise das Hauptruder eines Schiffes auszusehen habe, zumindest, wenn man eine längere Reise über offenes Wasser plant.
Bei allem Wissen über Kaufgewohnheiten von Seglern, die hier und dort zeitversetzt den Empfehlungen ihrer „Hauslektüre“ zu folgen scheinen, oder die sich auf Veranstaltungen von erfahrenen Vortragsrednern haben bekehren, belehren – oder einlullen? – lassen, wie ihr ideales Schiff auszusehen habe … so lehrt mich meine berufliche Praxis, dass in Bezug auf das Herz eines Schiffes – dem Ruder, seiner Bauart sowie seiner Eigenschaften – immer noch – oder immer wieder? – zu wenig Aufmerksamkeit zu teil wird. Darum hier eine scheinbare Endlosschleife, und ich bin mir bewusst, dass das Ziehen von Zähnen bei vollem Bewusstsein ähnliche Schmerzen bereiten mag.
Für Nachzügler, die meine Elogen hier im Blog noch nicht gelesen – oder die dabei eingeschlafen sind – hier die einschlägige Bibellektüre zum Wiederkäuen.
Ohne mich hier zu wiederholen und die Litanei von Langkielern mit angehängtem Ruder zu repetieren – die sicherlich auch heute noch zu den am besten geschützten Rudern gehören, so will ich hier ein paar Lösungen vorstellen, die vermutlich noch in wenigen Köpfen angekommen sind, weil in unserem Land diesbezüglich recht wenig von derartigen Lösungen zu lesen ist. Ein Blick über den Horizont hilft ungemein, zu erkennen, dass hinter den Landesgrenzen die Erde noch weitergeht.
Allen Tatsachen zum Trotz – dass z.B. heutige Serienschiffe zumeist mit industriell vorgefertigten, zugelieferten Spatenrudern ausgerüstet werden, steht meine Meinung wie ein Fels: derartige Ruder sind vielfach nur durch 2 Lager fixiert und somit gegen Störfällen auf See nur schlecht gewappnet, weil der Kragarm unter den Lagern gewaltig ist. Viel Arbeit für Schutzengel, wenn auf See etwas dazwischen kommt!
Ein solides Ruder sollte über eine dreifache Lagerung verfügen, deren unteres Lager ggf. am Ende des Skegs befestigt ist, sodass bei Grundberührung lediglich das untere Ende des Hauptruders Schaden nehmen könnte, das Schiff also weiterhin zu steuern ist, wenngleich mit geringerer Ruderfläche.
Bei unsere Nachbarn im Westen existiert eine unglaubliche Vielfalt von Detaillösungen, die bei uns wenig bekannt sind. Frankreich hat der Entwicklung hochseetauglicher Schiffe mit variablem Tiefgang viele Kapitel hinzugefügt, wobei Alubat, Garcia sowie Boreal sicherlich den Markt beherrschen, allesamt Integralschwert Schiffe mit Innenballast, die ihre Seetauglichkeit in einer Unzahl extremer Reisen bewiesen haben.
Das Vorhandensein verschiedener Lateral Schwerter ist eine weitere Eigenart, die französischen Schiffen zu besseren Trimmmöglichkeiten verholfen haben.
Während bei fast sämtlichen uns bekannten Langkielern die Hauptruder in teils beachtlichem Winkel schräg am Kiel angehängt sind, existieren in Frankreich eine ganze Reihe von Schiffen – in Stahl oder Aluminium gebaut – deren Ruderachse exakt vertikal verläuft, was enorme Vorteile in Bezug auf besseren Wirkungsgrad, zudem leichte Erreichbarkeit im Schadensfall bedeutet.
Es gibt eine ganze Reihe wundervoller Schiffe, die zudem bei variablem Tiefgang auch das Aufholen der Ruders mittel einer Talje ermöglichen. Das Hauptruder befindet sich in jedem Fall leicht zugänglich für jedwede Reparaturen – und sei es nur zur Kontrolle! – was für Blauwassersegler zusätzliche Sicherheit bedeutet.
Es ist mein lebenslanges Credo, dass in Bezug auf Bauausführung und Konstruktion eines Hauptruders Kompromisse jeder Art fehl am Platze sind. Wenn Segler hier und dort ihre Planungsfehler – beim Schiffskauf! – zu kompensieren trachten, indem sie z.B. ihr Schiff gern mit einer Pacific Plus Doppelruderanlage auszurüsten trachten, nutze ich diese Gelegenheit gern für offene Worte: welchen Sinn macht ein Hilfs- oder Doppelrudersystem, wenn nach Bruch oder Verlust des Hauptruders, durch Fortfall einer wichtigen Lateralfläche, ein Schiff mit der winzigen Fläche eines Hilfsruders ( das lediglich ca 30% der Ruderfläche eines Hauptruders aufweist ), kaum noch auf See zu steuern ist und der Seenotfall bereit eingetreten ist? Ein Denkfehler wird durch einen Zweiten keineswegs kompensiert, hingegen eher konterkariert. Ein Hilfsruder wird dann zum Feigenblatt, dessen homöopathische Wirkung eher nur virtuell funktioniert.
Als Hersteller von Windsteuersystemen, der sowohl Hilfsruder als auch Pendelrudersyteme produziert, der seinen Beruf ernst nimmt, wird es natürlich einfach, hier eine ehrliche Meinung zu vertreten, anstatt, stillschweigend und servil, Seglern nach dem Mund zu reden, weil man nur eine Systemart anzubieten hat … Ich leiste mir den Luxus einer deutlichen Meinung, anstatt ein nachgefragtes Produkt zu verkaufen, auch wenn es obendrein für die eigene Bilanz Vorteile bringen würde. Eigentlich eine Kugel in den eigenen Schuh … die ich mir dennoch leiste, weil ich der Meinung bin, dass jeder Segler innerhalb weniger Nächte auf See Vor und Nachteile von WSA Systeme selbst herausfinden würde. Warum also sollte ich dem Segler hier meine Kenntnisse pro und contra der bestimmten Systemarten vorenthalten?
Oder habe ich hier was übersehen fragt sich und Sie?
15.02.2020
Peter Foeerthmann
Peter, du bist tatsächlich nicht mehr up-to-date, ein sogenannter Ewiggestriger! Es müssen heute zwei freihängende Ruderblätter sein, mindestens! Damit wenn eines wegrasiert ist noch ein anderes vorhanden ist! Logisch doch, oder?
Wenn ich mir dann die riesenbreiten, flachen Hecks anschaue, die wie heraus gestreckte Kinnladen direkt einen knock-out uppercut warten, wenn mal eine heftige Welle achtern anrollt, dann ist man eben froh man hat zweiiiiii Ruder.
Deren Schäfte sind allerdings in immer kürzeren Lagerabständen gefasst. Aber was soll’s, die Physik über die Hebelkräfte ist ja an den Bootsausstellungen und bei den Schönwetter-Test ja gar nicht anwesend, auch nicht eingeladen. Herr Physiker hat keinen Voucher von den renommierten Werften für die feinen Messen bekommen und würde es auch nicht wagen dort aufzukreuzen. Denn, auch Herr Physiker hat einen Anspruch auf Ruhe, Frieden und Freizeit.
Erwähnen möchte ich die potentielle Schwäche von Spatenrudern bei Verwendung eines Jordan Series Drogue. Dieser kann sich bei zwischenzeitlich entstehender Lose unter dem frei stehenden Ruder verfangen und dieses sogar abreißen. Die im Südpazifik aufgegebene Alu-Yacht „Taya“ mag hier als mahnendes Beispiel dienen.