SEENOT IN DER WAGENBURG
Ein kurzes Update über die Tumulte an der Nahtstelle zwischen den Interessenlagen von Seglern, Lesern und den Anbietern von Waren und Dienstleistungen in Wort und Bild. Oder anders: wie ist der Status quo in Bezug auf das Wiegenlied des Marktes zwischen Kunde und Lieferant, sowie den Tricks von Marketing und Media, Konsumenten zu gewinnen – oder flach zu legen?
Haben Influencer in der Wasserbranche überhaupt etwas zu sagen, weil es einer gewissen Intelligenz bedarf, durch eigener Hände Arbeit das Eigentum über ein Schiff zu erlangen? Hat die Herde gemeiner Segler, qua Schlauheit den Markt verkehrt und im Stillen die Oberhand über Influencer manifestiert? Ein heisses Eisen sicherlich, gleichwohl ein unergründliches Terrain, auf dem man schnell den Boden unter den Füssen verlieren kann. Versuchen wir den Spagat!
Zur Erinnerung: wir unterhalten uns über die Jagd nach Ruhm, Geld und Anerkennung – ggf. sogar Unsterblichkeit! – am liebsten im Dreierpack, egal in welcher Reihenfolge. Hauptsache stets, genügend Leute, Leser oder im Netz Vagabundierende zu finden, die Rechnungen jeder Konvenienz zu bezahlen willig und bereit, sich vor irgend einen Karren spannen lassen, in dessen Kofferraum die Kasse klingelt. Es gilt als Stand der Technik, dass Anerkennung – natürlich im Beipack tief empfundener Freundschaften! ( Vorsicht: Sarkasmus! ) – bei Facebook und Co am billigsten zu haben ist, weil jeder Click Geld werte Vorteile bringt und der lachende Dritte die Metadaten als Zucker im Berg verstaut, sortiert und damit fortan frech sein Unwesen treibt, nachdem er uns grinsend einverleibt und das blanke Hinterteil gezeigt! Soziale Netzwerke funktionieren ohne Tiefolot, weil jeder weiss, dass hier nur Feindschaft droht, die unter der Mimikri von Emphase durch Hintertüren in Köpfen Daten saugen, Zeit klauen und subito abhauen, vorzugsweise mit dem Zugewinn. Wir erkennen resignierend: Es gibt nur Ich und Mich, auch wenn aus Sprechluken, oder in Werbe Clips nur Honig süsse Botschaften unsere Gunst umsäuseln.
Die Fragen unserer Zeit:
Was sind Informationen heute wert?
Wo liegen die Nahtstellen zwischen den Interessenlagen?
Wer bezahlt die Zeche, alternativ, wer ist der Dumme?
Offen oder versteckt, direkt oder indirekt, welche Infos sind umsonst zu haben, und welche teuer, gleichwohl nicht unbedingt etwas wert, oder gar ohne Hintergedanken? Ein Abenteuerspielplatz der besonderen Art, auf dem Informationen als Lockspeise ausgelegt, als affiliate Link getarnt, als Banner oder gar als advertorial Tandem im Text zu transportieren, vorzugsweise, um das Unterbewusstsein des Lesers – oder Delinquenten! – zu okkupieren, die Entscheidungszentrale zu schmieren – oder zu narkotisieren? – um Profiler zu blamieren, weil keiner rückverfolgen kann, wie es zur Kaufentscheidung gekommen ist. Hauptsache: es klickt! Eine Rumpelstilzchen Geschichte!
Im Mittelpunkt eine schillernde Branche rund um Marketing sowie einem schreibenden Gewerbe, das im weissen Kittel journalistischer Reinheitsgebote angetreten ist, Schulter an Schulter Latifundien zu erschliessen, um Produkte jeder Art potentiellen Konsumenten warm ans Herz zu legen, dabei kollateral in Lee, eigene Wertschöpfung zu generieren – ohne sich den Kittel dabei zu beschmutzen? Ein einfacher Blick zur Auflagenhöhe bekannter Print und Online Portale offenbart, wie dünn die Luft zum Atmen, alternativ wie schreckhaft – oder klug? – der umworbene Delinquent bereits geworden ist. Eine selbst gestellte Falle, deren Verursacher nur wenig getarnt, an Bannern, Anzeigen und Inseraten sowie Supporter Links zu erkennbar sind. Wert jedenfalls, sich die Zusammenhänge zu vergegenwärtigen.
Als Mitspieler im Wassermarkt habe ich meinen kritischen Blick geschärft, verkehre allerdings gern auf Augenhöhe, was nicht überall gefällt. Viel zu oft erkenne ich Strukturen, die offenbar nur vertikal funktionieren, oder gar als Einbahnstrasse, die mir sodann bedeuten: „mit dir spielen wir nicht!“ Ich habe dafür den Begriff Wagenburg im Kopf, innerhalb der vermutlich wohl nur Einigkeit darüber zu herrschen scheint, dass die Luft dick, Patentlösungen nirgend vorhanden, man darum erstmal Rücken an Rücken weiter zusammenrückt, um Eindringlinge abzuwehren. Im Ergebnis entsteht ein Kindergarten, in dem Mails oder Anrufe nicht beantwortet werden, Blogs generell verteufelt werden und vermeintlich professioneller Umgang nur als Einbahnstrasse akzeptiert wird. Viel Feind – viel Ehr? Bitte sehr!
Die selbstgestellte Falle einiger Verlage, Magazine und Online Redaktionen besteht in dem Anspruch, eine Balance zwischen Kosten und Erträgen zu erreichen und es bedarf ungeheuren Fingerspitzengefühls, hier die richtigen Schritte zu wählen, zumal den Argusaugen von Lesern, Seglern und Konsumenten nix entgeht, weil die Bühne ohne Vorhang funktioniert. Ein Zwangsweg in eine Sackgasse, die zur Sarggasse werden kann, wenn behäbige Vehikel nur noch schwer zu manövrieren sind, wenn ein Rückwärtsgang in Köpfen nicht vorhanden ist.
In einer Situation, in der kluge – und an diesem schönen Sport Interessierte! – Segler nach Informationen hungern, unversehens von KlickFallen und BannerBomben umzingelt werden, wo zufällige Klicks unversehends auf Abwege führen und damit die finanziellen Interessenlagen der Online Portale gnadenlos offenlegen, können Blogs ohne vergleichbaren Ballast einfach und schnell Boden gewinnen, weil Informationen dort ohne Anmeldung Brimborium, Mailkollekten oder BezahlFallen jedermann zum Vergnügen offenstehen. Eine wohltuende Einladung der Sonderklasse, zumal Authentizität eine erfrischende Ware ist. Eine Bezahl- oder Registrierschranke drängt zu Entscheidungen über den Wert des Angebotes. Viele wählen andere Wege … um ihr Wissen zu erweitern.
Denn die Wagenburg ist weder luft- noch wasserdicht, weil die Erfolgs Rezepte der Blogger so vielfältig wie die Menge der hier aktiv Beteiligten ist. Selbst bekannte Autoren gehen heute mit anderen Verlagen fremd, wenn oder weil ihre Titel mangels Abverkäufen aus dem Angebot genommen wurden, allen gemeinsam Unzufriedenheit, wenn es um Erträge geht, die jeder für sich alleine sucht. Denn, nicht wahr, auch innerhalb der Wagenburg herrscht der Kampf bis aufs Messer, weil dort jeder vor allem den eigenen Vorteil sucht.
Für mich steht die Frage mitten im Raum, wie lange sich überkommene Verlags Strukturen in die Zukunft werden retten können, oder ob die derzeitigen Marktveränderungen zum Anlass genommen werden, die Fahrtrichtung einer ganzen Wagenburg geringfügig oder gar vehement zu verändern? Eine Frage, der die Antwort – wer hätte das denn wohl nicht gedacht? – innewohnt!
Bis dato jedenfalls scheint mir, als befinden wir uns in einem maritimen Kindergarten, in dem persönliche Befindlichkeiten vielfach den Sachzwang überstrahlen.
Meine Erfahrungen mit verschiedenen Verlagen sind dokumentiert, sie spiegeln den Spannungsbogen zwischen Interessenlagen von Autor und Verlagen, die zunehmend aus der Balance geraten sind. In einer Zeit der Marktveränderungen geraten Verlage, die grosse Auflagen drucken, finanzieren und lagern müssen, deren Abverkäufe allerdings nicht artig der Planung von Vertriebshäuptlingen folgen, in eine Kostenklemme – ich nenne das gerne Sarggasse! – in der am Ende dann Verramschung droht, womit ein gewaltiger Aufwand der Autoren … in den Orkus geht.
Alles selbst erlebt, gelernt, verinnerlicht und Konsequenzen erwogen und gezogen.
Im Haifischgewässer von Verlegern, Verlagen und Journalisten, samt derer Interessenlagen innerhalb der gemeinsamen Wagenburg, habe ich mich entschlossen, einen anderen Weg zu begehen. Der junge Verlag tredition bietet einen schlanken Weg, der Autoren mehr Rechte verleiht, zeitgleich Kosten reduziert, weil on demand gedruckt und dezentral vertrieben wird. Neben professioneller Vermarktung eignet sich dieser Weg besonders für Autoren, die über einen eigenen Vertriebskanal verfügen. Und so fügt es sich, dass in den kommenden Tagen die dritte URL WINDPILOT BOOKS aus dem Dornröschenschlaf erweckt wird … der – ich bekenne das gerne! – viele zu lange gedauert hat. Die Zeit war schlicht noch nicht reif, was durchaus wörtlich zu nehmen ist, weil meine Metamorphose ein wenig gedauert hat, worüber ich zu einem Silberfuchs geworden bin.
MYTHOS WELTUMSEGELUNG ist ein kleines Buch voller Lebenserfahrungen. Es ist in deutscher Sprache bereits erhältlich, wird in Kürze auch in englischer Sprache publiziert.
04.10.2020
Peter Foerthmann
Lieber Peter,
also erstmal, das Büchlein sprüht Geist, Witz und bis auf den „Hühnerfurz“ profunde Sachkenntnis! Die Einzelessays – unverwechselhaft in Deiner besonderen Schreibe und Illustration – treffen die Seglerseele an ihren empfindlichen Stellen, aber verletzen sie nicht. Ein sehr lesenswertes, genussreiches und viele kleine, aber nicht unwichtige Wahrheiten enthaltenes Buch und damit lesenswert für angehende, praktizierende, gescheiterte, erfolgreiche und auch emeritierte Weltumsegler wie wir.
Zum guten Schluss unsere SUBEKI Erfahrungen: „Ohne zu träumen erreicht man nichts (Größeres) in seinem Leben“ und „Unsere Weltumsegelung war das Beste, was wir je unternommen haben!“.
Sybille und Christian
SV SUBEKI
Lieber Peter
Als wir 2015 los segelten, waren uns Freunde aus Bordeaux ein paar Wochen voraus. Sie schafften es, die Welt in drei Jahren zu umrunden, auf der nicht ganz klassischen Route, über Patagonien und rund ums Kap der Guten Hoffnung nach Brasilien und wieder über den Atlantik zurück nach Frankreich. Eine beachtliche Leistung, aber er hat als Ingenieur alles gut durchgeplant, da blieb kaum Platz für Spontanität. Wir haben ja auch unsere Routenpläne gemacht mit ungefähren Daten, wann wir wo sein wollten. Ziemlich schnell merkten wir aber, dass das so mit uns nicht funktioniert. Wir wurden nicht mit dem Pazifik mit seinen vielen Inseln und Atollen beschenkt, dafür tat sich uns eine Fülle von anderen Erlebnissen auf.
Es ist so, wie du schreibst. Unsere seglerischen Sehnsüchte wurden geweckt von Autoren, selten Autorinnen, die vor 40, 50, 60 ja über hundert Jahren unterwegs waren. Die Einheimischen stehen zwar immer noch am Strand und winken, aber nicht mehr um uns mit Früchten zu beschenken. Heutzutage wollen sie Dollars, was ich ihnen auch nicht vergönnen mag.
Im Atlantik sind viel Segler unterwegs, die Einsamkeit ist möglich, muss sich aber erarbeitet werden. Ich ziehe da Vergleiche mit dem Tourismus im 19. Jahrhundert in der Schweiz. Die grandiose Bergwelt lockte, aber die Unterkunft musste ein Grand Hotel sein. Eine heutige Fahrtenyacht ist meistens um die 45 Fuss lang, hat Entsalzer, Waschmaschine, Klimaanlage , Fernseher, Tiefkühltruhe und natürlich einen Generator an Bord, mit dem Resultat, dass man viel häufiger als gewollt in Häfen festsitzt, weil wieder irgend etwas kaputt gegangen ist. Erst im Norden der USA, nördlich der Chesapeake Bay, trifft man auf einen anderen Schlag Segler. Uns kam es zugute, dass wir gerne campieren und mit wenig zufrieden sind.
Segeln ist viel einfacher geworden, mit all den Hilfsmitteln, die heute zur Verfügung stehen. Wir haben uns mit Seglern unterhalten, die meinten, wenn die Pfeile der Grib files grün seinen, würden sie los, bei gelb nur im Notfall und sicher nicht bei orange oder rot. Sowieso wird nur noch von Knoten gesprochen, von der Beaufort Skala und wie man die Windstärke von den Wellenkämmen ablesen kann, haben immer weniger eine Ahnung.
Wenn es um die Wahl Schiffes geht, bin ich anderer Meinung als du. Im Jahre 2001 war ich für sechs Woche in Djibouti auf einer 41″ Stahlyacht, 18 Tonnen schwer, mit Twin Dieseln. Beide waren defekt. Mein Vorschlag, einfach weg zu segeln, wurde vehement abgelehnt. Nach sechs Wochen musste ich zurück in die Schweiz, ohne einen Meter gesegelt zu sein. Eigentlich wollt ich in Kenia aussteigen. Von da an war mir klar, sollte ich einmal ein eigenes Schiff haben, dann eines, mit dem ich überall segelnd hinkomme. Es muss einigermassen leicht sein, um auch bei leichten Winden noch Fahrt zu machen und Höhe laufen. Die schweren Stahlschiffe brauchen ein grosses Rigg und viel Segelfläche. Das ist ok für junge, kräftige Leute. Maselles Gross reffen Gabrielle und ich in vier, fünf Minuten, schlimmstenfalls ginge es auch alleine. Zudem brauchen Stahlschiffe ziemlich viel Pflege, sonst sehen sie schnell übel aus.
Aluschiffe sind teuer und nichts für Chaoten wie wir es sind. Verschwindet mal eine Unterlagsscheibe in der Bilge, dann muss sofort gesucht werden. Die oben erwähnten Freunde haben eine Ovni 36. Wir haben sie mit unserer alten GatorRali auf der Kreuz schwer abgehängt. Für Gabrielle und mich ist ein Plastikschiff ideal. Wir sind beide keine Handwerker und mit Epoxi lässt sich viel machen, auch von Laien. Wir sprechen hier aber von einem älteren Modell, wo noch im Handverfahren die Glasfasermatten Zentimeter dick aufgelegt wurden.
Wenns ums Geldverdienen unterwegs geht, bin ich ganz deiner Meinung. Besser in Deutschland oder der Schweiz den Groschen auf die Seite legen, als sich im Ausland für eine Apfel und ein Ei zu schinden. Ich bin eine paar Törns für eine Segelschule im Mittelmeer gefahren und weiss, wie ein Haufen zufällig zusammengewürfelter Menschen an Bord sich und dem Skipper auf den Geist gehen können. Gabrielle und ich hatten unglaubliches Glück, konnten wir für Shane Boote überführen.
Damit sind wir bei der Crew. Sie ist das A und O des ganzen Unternehmens. Das führst du zur Genüge aus, dem habe ich nichts beizufügen.
Ich denke, dein Buch gehört zur Vorbereitungslektüre all derjenigen, die auf längere Fahrt gehen wollen. Es braucht die kritische Stimme, denn die frohen Videobotschaften der Vlogers würden nicht mehr angesehen, wenn gezeigt würde, wie sich die Paare in den Haaren liegen, was schon wieder den Geist aufgegeben hat. Sich mit allen Aspekten des Lebens an Bord vor der Abreise auseinander zu setzten garantiert noch keinen Erfolg, aber es erhöht die Erfolgschancen.
Ganz zum Schluss: Demut, Bescheidenheit und Dankbarkeit helfen auch.
Herzlichst aus der kalten Schweiz
Thomas SV Maselle
Eine kurze Rückmeldung zu Ihrem „Mythos Weltumsegelung“: Ich habe es in einem Rutsch mit großer Genugtuung gelesen! Danke! Vielfältige sehr differenzierte, wortspielerische Formulierungen machen einfach Spaß. Mit viel Humor wird Ernstes bewegt. Auch ohne irgendeine Erfahrung in Sachen Weltumsegelung teile ich dennoch Ihre Einschätzungen, Bewertungen, Relativierungen bzw. kann sie gut nachvollziehen. Ich habe die Lektüre vom ersten bis zum letzten Wort genossen und gleichzeitig viele Eindrücke „aus aller Welt“ – insbesondere der Segler-Welt – bekommen. Ihre ungeheure Kompetenz wird erlebbar. Also: Danke! –
Stephan Cramer, Hamburg