WESTENTASCHENKREUZER
Ein niedlicher Begriff, der fast den Eindruck hinterlässt, dass einem Segler in der eigenen Hosentasche ja nix passieren kann. Ein Begriff how ever, der in der Praxis auf See exakt das Gegenteil beschreibt, weil er vermittelt, wieviel Seetüchtigkeit in kleinen Schiffen wirklich steckt – zumindest wenn sie dafür geplant, gebaut und unerschrockene Skipper am Ruder haben, deren Vertrauen in eigene Fähigkeiten – und ihr Schiffchen! – unerschütterlich ist.
Ein Biotop, in dem es bemerkenswerte Segler gibt, die ihrem Sport in kleinen Schiffen abseits medialer Aufmerksamkeiten nachgehen, dabei unverdächtig nicht zu aller erst ein Erwerbsmodell zimmern, gleichwohl dennoch hier und dort in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Immerhin war die Reise von John Adam im Jahre 1967 / 68 der Paukenschlag, mit dem Windpilot erwachte, nachdem John mit der SV Eve, einer winzigen Leisure 17 Eiweissschale, es bis an den Strand von Kuba geschafft hatte … mit der ersten Windpilot Anlage am Heck … und den Folgen, die bis heute andauern.
Vater und Mutter aller Pocketcruiser sind die Pardey´s die sich in ihrer bescheidenen Art, mit ihrem Leben und Abenteuern an Bord der SV Serrafyn, eine riesige Fangemeinde geschaffen haben, der sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus zwei Weltumsegelungen mit mehr als 200 000 sm in unzähligen Büchern und Vorträgen vermitteln, ein Lebensmodell, das vermutlich in Deutschland nie funktionieren würde, weil hier der Kreis der Interessierten – und Käufer von Büchern – erheblich zu gering, und die erdrückende Macht von Verlagen für einen Eigenverlag schwierig werden liesse. An der Serrafyn eine stone age type Windsteueranlage der ersten Stunde, deren Windfahne um das Achterstag dreht, das seine Steuersignale über Trimtab auf das Ruder am Heck überträgt.
Ich will hier nicht in Abrede stellen, dass auch die Jagd nach Rekorden mit Mickey Mouse Schiffchen Reize birgt, weil die menschliche Natur so häufig nach Eigendarstellung strebt, um sich – womit auch immer! – ein wenig zu profilieren … und natürlich auch Geld damit zu verdienen. Es ist einer besonderen Situation geschuldet – oder gedankt? – dass ich seit Jahrzehnten besondere Aktivitäten im Bereich der Westentaschen Kreuzer unterhalte, denn die Segler haben zu allererst ihre Steuerprobleme zu bedenken, wenn sie denn tagelang auf See zu bleiben gedenken … womit sie dann nahezu zeitgleich in meiner Mail-Inbox landen. Ich kann gar nix dagegen machen!
Wenn vor Jahrzehnten in der Marina Grömitz hier und dort ein Windpilot am Heck sowie Tausenfüssler in den Wanten als Erkennungsmerkmal eines Blauwassersegler´s galten, auch wenn das Schiff jahrelang den Hafen nicht verlassen hat, so kann man heute fast sicher sein, dass ein Pocketcruiser mit Heckverzierung auch vermehrt auf dem Wasser zu sichten ist, was mir Freude macht, seit nunmehr 33 Jahren, dem Tag, an dem ich von Burghard Pieske jenen Fusstritt mit Langzeitfolgen bekommen habe.
Die Pacific Light wurde nie beworben, sie stand still und leise auf den Boat Shows on display, war selten Gegenstand von Pressemeldungen, hat sich gleichwohl eine treue Fangemeinde geschaffen, die heute auf der ganzen Welt zu Hause ist.
In Japan haben etliche Segelheros mit kleinen Schiffen enorme Reise unternommen. Der wohl berühmteste ist Kenichi Horie der im Laufe seines nun bald 82 jährigen Lebens viele spektakuläre Reisen unternommen hat.
Erst vor wenigen Tagen wurde öffentlich bekannt, dass der Mann noch einmal aufbrechen will. Sein clever durchdachter Neubau misst 19ft und wird erneut von Windpilot gesteuert. Hätte ich das als Rätselfrage formulieren sollen?
Auch Kazuo Murata aus Osaka hat vor vielen Jahren spektakuläre Reisen mit seiner Yokomaya 25 unternommen, mir später seine Gedichte von der Einsamkeit auf See zukommen lassen, die ich allerdings nicht habe entziffern können, weil ein japanisches Übersetzungsprogramm damals noch nicht existierte. Sein Vorbild war Kenichi Horie, der ihm in Bezug auf sein Alter um 5 Jahre voraus war. Am Tage seiner Ankunft in San Francisco war Kazuo 71 Jahre alt geworden.
In Deutschland haben Carola und Hans Habeck im Jahre 2000 ihre SV WAL, eine Etap 21 mit einer Windpilot Anlage ausgerüstet … und sind mit ihrem damals 3 jährigen Sohn Andreas um die Welt gesegelt, haben ein Buch darüber geschrieben und hernach weitere Abenteuer bestanden.
In England, dem Hotspot und Ursprungsland vieler Pocketcruiser gehören ausgedehnte Reise im offenen Seegebiet rund um die Inseln seit Jahrzehnten zum Segelalltag. Veranstaltungen wie das AZAB und JESTER Challenge wurden für seetüchtige Kleinkreuzer „erfunden“, viele sind mit einer Heckverzierung von Windpilot unterwegs. Kein Segler allerdings hat derart nachhaltig die Trommel für das Segeln mit kleinen Schiffen geschlagen, wie Roger Taylor, der mit seiner SV Mingming unzählige aufsehenerregende Reisen bestanden hat… und von den Erlösen seiner Bücher commod leben kann. Seine unglaubliche Reise mit seiner Corribbee 21, mit der er am OSTAR gestartet ist, endete mit seiner Rückkehr, ohne das Ziel erreicht zu haben. Nach 67 Tagen auf See, einigen Kenterungen vor Grönland, bei denen er sich Rippen gebrochen hatte, entschloss sich Roger, umzukehren, weil ein sicherer Hafen nicht in der Nähe gewesen ist. Bei Ankunft in Plymouth waren seine Rippen bereits wieder zusammen gewachsen. Der Kommentar eines begeisterten Enthusiasten beschreibt den Mann mit wenigen Worten:
Roger, you have balls made of steel. Thoroughly enjoy your work.
In Australien lebt Graham Cox, ein Mann, der sei ganzes Leben der See vermacht, member of the Junk Rig Hall of Fame, und Buchautor, lebenslang im Pacific unterwegs, interessantes Gegenüber in unzähligen Mailwechseln über viele Monate. Am Heck seiner SV Blue Moon ist eine Pacific Light montiert.
Ein weiterer Australier, Nick Jaffe ist mit seiner Contessa 26 von Europa in seine Heimat versegelt, zwischenzeitlich sind mehr als 150 Contessa Yachten mit Windpilot unterwegs.
Z
Und in Victoria British Columbia gibt es ein Nest, in dem sich Windpilot Segler häufen, seit James Howard seine Vega SV Golden Hind IV mit einer Windpilot Anlage verzierte. Der Hund an Bord ist der Star, der seinem Chef nicht von der Seite weicht.
Im übrigen zählt die Vega ebenso wie Folkeboote, IF Boote, Francis 26 sowie Vancouver 27 zu den am meisten ausgerüsteten Schiffen mit denen schon viele Reisen erfolgreich durchgeführt wurden.
MONTAGE AN EINER CAPE DORY 28
Zwischenzeitlich wurden etliche Weltumsegelungen mit Pocketcruisern durchgeführt, an deren Achtersteven meine Heckverzierung für Bordfrieden und Schlaf gesorgt hat.
Wenn ich an dieser Stelle hinzufüge, dass insbesondere aus der französischen Szene der ungeduldigen Segler von kleinen schnellen Wasserflitzern, vermehrt Nachfragen nach meiner Heckverzierung kommen, die am Ende dann entdecken, welches Potential in einer sensiblen modernen Windsteueranlage steckt … werden meine letzten grauen Haar weiss, weil ich in steter Sorge bin, dass die Segler ggf. die Grenzen einer Technik nicht realisieren und sie plötzlich die Palme verlieren, weil ihr Steuersklave eine Halse eingeleitet hat, weil ihm keiner gesagt hat, dass die Schlittenfahrt am Ende einer Boe zuende ist, und das Schiff plötzlich auf der Stelle steht, wobei der scheinbare Windeinfallswinkel Schluckauf bekommen hat … und das Segel von der falschen Seite Wind bekommt. Erstaunlicher weise habe ich allerdings bislang noch von keinem Mastbruch gehört. Also ruhig ausatmen … und weiterhin die Predigt halten von einer Windfahne, die keine Augen hat, hingegen blind einem Windwinkel folgt, der nur scheinbar vorhanden ist.
Denn, nicht wahr, eigentlich habe ich stets im Sinn, insbesondere bei der Cruising Community für Steuererleichterungen zu sorgen, weil ich nur dort sicher sein kann, dass der Ehrgeiz auf schnelle Etmale, die Skipper nicht rechts überholt.
Wie zum Beispiel auf der dänischen SV Loa auf ihrer Atlantik Runde, zu der Eric Clapton die Backgroundmusik zupft:
Keine Sorge, ich platze hier nicht vor Stolz, bin hingegen, vermutlich ebenso wie Sie, ein wenig gebafft, was aus der ursprünglichen Schnappsidee von Burghard geworden ist.
Kurzer Schluckauf am Sonntag, den 29.03.2020
Peter Foerthmann
Genial geschrieben, geniale und reale Geschichten. Ja, auch diese Ecke der Seglerszene hat grossartiges geleistet und dabei noch riesen Spass erlebt. Ein kleines Ding am Hintern war vermutlich der Garant dafür.
hallo Peter!
James Baldwin (https://atomvoyages.com/) hat auch eine Pacific Light angebaut:
https://www.youtube.com/watch?v=ZQYZ-AhnpYg&t=159s
James hat eine unglaublich informative Webseite mit vielen interessanten Bootsumbauten und Refitten!
Ich möchte die Pacific Light im Laufe dieser Saison gerne bestellen. Wenn ich sie mir leisten kann. Ist der Preis auf der Webseite aktuell?
liebe Grüsse Matthias
Moin Matthias,
das muss ich allerdings korrigieren: James hat zwei RTW hinter sich gebracht, eine mit Aries, danach mit Monitor, dann hat er eine Norvane montiert. Wir haben viel kommuniziert … und er hat bei anderen Seglern mit einer Cape Dory 26 eine Windpilot installiert ( siehe Youtube Video oben ). Aber an seiner SV Atom, eine Triton 28, wurde bislang noch kein Windpilot gesichtet. Preise für Light unverändert … für Deine IW 31 perfekt geeignet.
Allerbest
Peter
Hallo zusammen,
kann mir vielleicht jemand sagen was für ein Bootstyp auf dem zweiten Bild von oben abgebildet ist? Das hellblaue mit der Japanflagge auf dem Rupf.
Viele Grüße
Falko