VERTUE DNA – DIE JAGD BEGINNT
Gebrauchtschiffe – Fortsetzung wenngleich verzögert … Es ist exakt 2,5 Jahre her, als ich mich zur Thematik von gebrauchten Schiffen ausgelassen und eine Fortsetzung versprochen habe.
Heute ist der Tag, mich hier selbst einzulösen, denn der Grund ist trefflich, weil er kollateral meine Geschichte repetiert, die mich zu dem Mann hat werden lassen, den ich im Spiegel erkenne, wenngleich schon ein wenig zerknittert. Gleichwohl von ganzem Herzen authentisch in Bezug auf seine Ausrichtung auf Schiffe, die mir beruflich und privat die Richtung vorgegeben haben, wobei beides nicht zu trennen ist, zumindest wenn man die See mit allen Imponderabilien als ernstes Biotop begreift, auf dem man sich vorzugsweise verantwortungsbewußt bewegen sollte, wenn man mit Schiff dort unterwegs und weite Strecken bewältigen möchte. Womit wir nahtlos an einem Scheideweg angekommen sind, ob wir unsere Schiffe für den „Spass“ auf See oder doch vorzugsweise dem „Ernst“ ausrichten, der uns dort erwarten kann?
Kompliziert? Nein, eher das genaue Gegenteil! Das magische Wort heisst KISS … womit man immer am besten klar kommt, und unnötige Fragen sich von selbst beantworten.
Ein schneller Ritt durch die Legende meiner Schiffe, immerhin bis dato 46 schwimmende Begleiterinnen in meinem Leben, manche davon nur Kurzzeit Amouren, andere dagegen in Herz und Seele durchs Leben geleitet, aufgefixt, umgebaut, verbessert, gestaltet und ausprobiert. Viel gelernt bei allen und resilient verdaut, alles aufgeschrieben, um nix zu vergessen.
Die ersten 25 Schiffe waren in 24 Jahren abgehandelt und verdaut, dann ging es zur Sache, quasi über Nacht. War es Hypnose oder schlicht Verrücktheit, die mich eine solide Stahl-Yawl gegen einen Haufen öliger Maschinen auf einem Pferdehof in Mölln hat tauschen lassen? Die Antwort ist bekannt. Der Schlüssel war die Marke Windpilot.
Entscheidungen kann bzw. muss man lernen, man wächst daran, wird frecher, schneller und mit den Jahren besser, bis das der innere Kompass zuverlässig funktioniert. Hat natürlich auch ein wenig mit dem sozialen Tiefolot zu tun, das immer wieder zur falschen Seite schlägt … das man austricksen muss, will man überleben.
Ich habe viele meiner Schiffe nur mit Handschlag gekauft, weil ich der Meinung war, dass eine Vereinbarung zwischen 2 Menschen keine Schriftform benötigt, wenn man sich denn einig ist. So bin ich zum Eigentümer der Stahl-Yawl Lilofee geworden ohne sie zuvor gesehen zu haben, die ich Jahre später gegen die Marke Windpilot getauscht, habe später eine First 18 gegen einen 2CV gewechselt, und etliche andere Schiffe erworben, deren Eigner bereits ihr Lebewohl im Herzen getragen haben. Im Wortsinne habe ich einen Tumlare Kreuzer von seinem traurigen Schicksal auf den Stacks vor St. Margarethen gegen eine symbolische DM erlöst, deren Eigner dort sein Leben im Nebel verloren hatte. Auch ein Schiff gegen ein Versprechen, es wieder in Fahrt zu bringen, hat es gegeben. Das Leben schreibt wundervolle Geschichten, die mit einem schnöden Vertrag kaum zu umfassen sind, derweil sie Versprechen zwischen zwei Menschen spiegeln, die fortan unvergesslich werden.
Und wie bekomme ich nun die Kurve ins JETZT? Das ist die Geschichte, die hier erzählt werden soll, denn sie erfolgte derart plötzlich und unkonventionell, dass sie mich fast selbst überrumpelt hätte.
Es ist die Geschichte einer Jagd nach einem Schiff, die mich alle Vorsichtsmaßregeln hat links liegen lassen, weil ich innerhalb von Sekunden – es war morgens um 04:30 auf meinem Sofa – im Netz einen VERTUE 25 Pocketcruiser entdeckt hatte, der mich fanszinierte, den ich haben wollte, weil er mit meiner DNA zu tun hatte, die mich ausgerichtet, geformt, mir eine Richtung gegeben hat, die zum Roten Faden in meinem Leben geworden ist.
Unnötig zu berichten, dass ich etliche VERTUE mit meinen Heckverzierungen im Verlauf der Jahrzehnte ausgerüstet habe. So wie Matteo Richiardi, geboren in Turin, der als Professor an der University of Essex arbeitet … und unter Windpilot mit seiner uralten Holz Vertue MEA weite Strecken im Atlantik segelt.
Ich war versucht, eine Vertue gebaut von Cheoy Lee in Hongkong zu kaufen. Die Geschichten um diese Schiffe haben mich fasziniert, zumal es so viele von ihnen gibt.
Zurück zum Sofa am Sonntag früh um halb fünf … der Schlaf war futsch … auf die Frage meiner Frau, was denn los sei, meine Antwort: ich muss ein Schiff kaufen … Du spinnst, das kommt nicht in Frage! … Soweit so klar! Also Warteschleife bis Sonntags ca 09:00, Anruf beim Verkäufer, lag er noch in der Koje? bange Frage: ist das Schiff schon verkauft? Nein! Okay, dann kaufe ich Ihr Schiff „jetzt“ … telefonisch? … klar, aber gern auch mit schriftlicher Bestätigung, wenn Sie das möchten. … ohne es gesehen zu haben? … ja klar! Der Vertrag wurde besiegelt.
Schnell offenbarte sich eine Geschichte mit ungewöhnlichem Hintergrund: es hatten sich verschiedene Interessenten aus dem Ausland gemeldet, darunter einer aus Venedig, ein weiterer aus Frankreich, der sofortige Überweisung des gewünschten Kaufpreises inkl.der LKW Fracht nach Frankreich im Werte von € 9.000 versprach. Zur Untermauerung der Seriosität wurde die Kopie des Passports beigefügt. Wenig später sodann die Kopie einer Überweisung des gesamten Kaufpreises per Mail übersandt, gefolgt von der Aufforderung, den Betrag von € 9.000 bitte dem kurzfristig anreisenden französischem Bootstransporteur in bar zu übergeben, damit der das Schiff sodann nach Frankreich bringen könne. An dieser Stelle zögerte der Verkäufer – und erkannte zum Glück und mit Hilfe der örtlichen Kriminalpolizei eine Betrugsmasche, die derzeit etlichen Flurschaden im Markt verursacht.
In just diesem Moment jedenfalls erfolgte offenbar mein Anruf, der mein Gegenüber hat vorsichtig Nachfragen stellen lassen. Wir sind uns dann erfreulich schnell einig geworden, das Schiff befand sich in einer einsamen Halle unweit der Schlei, nur 10 Minuten Fahrt von mir entfernt. Ich hätte mit dem Fahrrad hinfahren können.
Ein Schiff mit einer besonderen Geschichte: erbaut als ONE OFF unter Lizenz der Laurent Giles Naval Architects Ltd., als Kasko in Aluminium von Otto Künemund vor 28 Jahren gebaut, hernach von seinem Auftraggeber in Berlin in Eigenarbeit ausgebaut … und infolge dessen plötzlichen Todes sodann für 20 Jahre in einer abgelegenen Halle in Berlin eingelagert. In 2016 sodann aus seinem Dornröschenschlaf erweckt und seitdem von seinem heutigen Eigner an die Schlei verlegt.
Dort wurde sie später aufgespürt.
Wenig später wurde ich von Stephan, einem Orgelbauer aus dem hohen Norden gefragt, ob es mir Ernst sei mit der LUANA, oder ob ich gewillt sei, sie an ihn weiter zu verkaufen? Immerhin habe er bereits die passende Heckverzierung, die er nur an das neue Schiff montieren müsse. Leider negativ, Stephan musste tapfer sein.
Ein Herzensprojekt für mich, denn ich habe die Idee, diese Vertue vorsichtig umzubauen und ein wenig zu verbessern … mal schaun´, was daraus wird. Ich werde berichten, versprochen.
Jedenfalls liegen nun in ca 4 sm Luftlinie zwei Vertues an der Schlei, die erste je gebaute, die ANDRILLOT aus 1935 zerrt in Lindaunis dezent an ihren Leinen, nachdem sie lange Zeit in einer Scheune in Groedersby einem Lifting unterzogen wurde, und nun, vor der Sonne geschützt, nahezu vollständig eingetütet, bis der Eigner sie entblättert um sie aus dem Hafen zu entführen .. und fortan dann in Arnis die Baunummer 219, als VERTUE BLUE bald in Freude und neuer Farbe erstrahlen wird.
Augenfutter für Liebhaber beidenfalls …
Hamburg 18.08.2024
Peter Foerthmann
Lieber Peter
ich gehöre wahrscheinlich zu den häufigsten Kommentatoren Deiner Blogs.
Einschleimer ?
Gefälligkeitskommentator ?
Nö.
Ich folge Deinem Lebensalter ja nur ein paar Jährchen hinterher. Da hat man faule Kompromisse, falsche Zeugnisse nicht mehr nötig. Das hast Du einiges früher als ich begriffen. Was motiviert mich denn zu diesen Äusserungen ?
Ganz einfach: Respekt!
Du gibst hier seit vielen Jahren, nebst total fundierten Kenntnissen, auch viel privates über Dich preis. Einiges habe ich, im persönlichen Gespräch mit Dir, zusätzlich erfahren.
Du folgst, trotz allen Imponderabilien, trotzt schmerzhaften Erfahrungen und Enttäuschungen, wie ein Spürhund, getreu Deinem inneren Kompass. Hunde haben bekanntlich ja ein sehr sensibles Gespür und einen 7-ten Sinn.
Deine Leidenschaft für das Wahrhafte dringt aus allen Poren, respektive aus allem Geschriebenen. Da gibt es keine faulen Kompromisse. Dabei verfügst Du über eine gewaltige, schriftliche wie mündlich Ausdruckskraft, die manchem seine eigene Genua unkontrolliert backstehen und flattern lässt.
Wie sagen die Norddeutschen gerne? Hart und präzise auf die Kante genäht.
So bist Du und Deine Co-Skipperin an Deiner Seite, die auch gerne mal das Ruder Dir aus der Hand nimmt, das ist die perfekte Ergänzung. So ist die Symbiose zwischen zwei Menschen geglückt. So sollte es eigentlich sein.
Aber der Egoismus, der sklavische Drang sich selbst wichtiger zu nehmen als sein persönliches Umfeld, seine berufliche Berufung steht dem zu oft im Wege. Da bist Du einfach ein Glückspilz (offensichtlich Deiner mütterlichen Gene geschuldet).
Aber das Glück ist kein Generalanspruch, das muss man sich hart erarbeiten, mit Schmerzen, Niederlagen, aber auch mit dem Hochgefühl seinem gewählten Kurs treu geblieben zu sein.
Etwas, das sich auch in diesem Artikel klar widerspiegelt.
Das musste von mir einfach mal gesagt werden. Eben, dem Respekt wegen!
Beste Grüsse aus dem Nordatlantik.
Moin Herr Foerthmann,
Bei den unterschiedlichen Vertues auf den Bildern sehe ich teils WP Pacific, teils WP Pacific light verbaut. Nun ist die Vertue ja ein 25-Fuß-Boot und zudem ein kursstabiler Langkieler, was für Pacific light spräche. Andererseits als GFK-Vertue 2 fast 4,5t schwer, was eher für die ‚große Pacific‘ spricht.
Bei der diesjährigen Jester Azores Challenge hatten wir übrigens eine Vertue 2 dabei mit WP Pacific, der wegen des geringeren Gewichts etwas neidisch auf die Pacific light an meiner Allegro 27 schaute.