JESTER CHALLENGE #2 – Die Teilnehmer

Segelregatta – ein magisches Wort, das Segler zum Nachdenken bringt. Ein Blick in die eigene Seele – ein Abschätzen eigenen Mutes – ein Blick auf die Chancen des segelnden Untersatzes – und es entsteht eine Entscheidung, sich in eine Regatta zu wagen – oder eben nicht. Dies gilt im Grossen, wie im Kleinen, denn erst im Vergleich eigener Leistung und den Möglichkeiten von Schiff und Crew wird deutlich, wie es um eigenen Mut und Zähigkeit bestellt ist. Grenzen kann man hier schnell erfahren – besser jedenfalls, als an Land.
In aller Regel werden bei Segelregatten die Kämpfe auch an der Kasse ausgetragen, denn mit Geld kann man schnelle Schiffe, schlanke Segel und elektronische Helferlein kaufen, die den Ausgang einer Veranstaltung sehr wohl beeinflussen können. Der Kolateraleffekt strahlt dann auf den Skipper ab, überstrahlt ihn vielleicht sogar – denn am Ende ist es der Mensch, der Medaillen am Hals oder Pokale in die Vitrinen stellt – das Schiff liegt da schon längst im Hafen.
Regatten sind heute zu Materialschlachten mutiert, in denen Geld und finanzielle Potenz die Regeln bestimmen und mehr Geld nahezu zwangsläufig zu einer Vergrösserung der Chancen führt.

Über Sponsoring wollen wir an dieser Stelle nicht reden, denn die wechselseitigen Abhängigkeiten sind allseits bekannt. Das Thema wurde hier abgehandelt.

Weniger bekannt ist, dass bei einer der ältesten Regatten der Welt, der OSTAR – heute JESTER CHALLENGE – auch nach 50 Jahren der Gedanke einer reinen Amateur Regatta immer noch lebendig ist, wie am ersten Tag.

Wenn in den Köpfen einer allseits belesenen Segler Gemeinde als Mindestgrösse für eine hochseetaugliche Yacht eine Grössenordnung von 37 – 40 Fuss als Selbstverständlichkeit angenommen wird, entsteht schnell der Verdacht, dass eine Hochsee Regatta für Schiffe von 20 – 30 Fuss sicher eine leichtsinnige Veranstaltung verrückter Segelenthusiasten sei!

Dies ist mitnichten der Fall, handelt es sich doch nahezu ausnahmslos um erfahrene Segler, die mit ihren kleinen Schiffen auch grosse Reisen – sogar Weltumsegelungen absolvieren – danach heil und unversehrt wieder nach Hause kommen.

In loser Folge werden hier Segler vorgestellt, die bei der JESTER CHALLENGE 2010 teilgenommen haben.

Heute der Bericht von
Thomas Jucker, Schweiz, SV Marta einem Bristol Channel Cutter 28

Als ich in Plymouth vor dem Start mit anderen Jester-Seglern sprach, merkte ich schnell, dass es vielen von ihnen gleich ergangen war wie mir. Wir hatten einen winzigen Artikel in einem englischen Seglermagazin gelesen und schon nach den ersten paar Zeilen gewusst: Da will ich dabei sein!
Die Idee war bestechend. Eine quasi anarchistische Regatta: Kein Startgeld, keine Preise, keine Sicherheits-Checks, keine Qualifikationsmeilen. Nur eine simple Abmachung: „Wer kommt mit am 23. Mai 2010? Wir starten um 13:00 Uhr beim Breakwater vor Plymouth und segeln so schnell es geht nach Newport in Amerika.“ Eine Regatta, wie sie in den 60er-Jahren gesegelt wurde, ins Leben gerufen von Blondie Hasler mit seinem Schiff „Jester“. Blondie, der auch die Pendel-Windfahnensteuerung erfunden hat, begründete damit das heute weltberühmte OSTAR-Rennen. Zu seinen Ehren wollten wir also 50 Jahre später im Geiste des Erfinders erneut starten. Nicht zufällig war die treibende Kraft hinter unserer kleinen Regatta der Hasler-Biograph Ewen Southby-Tailyour. Und nicht zufällig heisst das Rennen, das übrigens schon 2006 gesegelt worden war, Jester Challenge (2006 kamen drei von 10 Startern in den USA an).

Doch vom sehnlichen Wunsch dabei zu sein, bis zur wirklichen Teilnahme, ist es ein einigermassen mühsamer Weg. Und so erstaunt es nicht, dass sich am Ende nur 24 Schiffe tatsächlich in Plymouth einfanden – eine ganze Reihe von ihnen übrigens mit einer Windpilot am Heck.
Wer nun aber denkt, hier seien lauter Dilettanten zu einer lebensgefährlichen Schnapsidee angetreten, der irrt. Der Segler der auf dem zweiten Platz landete, nota bene mit einem 6,1 Meter kurzen Sperrholz-Katamaran, stand schon vor dem Start im Guinnesbook der Rekorde, denn er hatte mit diesen selbstgebauten Schiff die Welt umrunden. Zudem waren zwei weitere Weltumsegler unter den Startern, und der am Ende Viertplazierte trat zu seiner 17 Atlantik-Überquerung an, der Fünftplazierte zu seiner 13. Natürlich hatte es auch Segler mit weniger Erfahrung: Einer von ihnen beispielsweise hatte über 20 Jahre nicht mehr gesegelt – trotzdem, und trotz schwerer Rigg-Probleme, kam seine Dehler 29 als drittes Schiff in in den USA an.
Am Ende erreichten neun Schiffe den Newport Yacht Club. Ein Schiff, eine ältere Mini-Transat-Yacht, sank nachdem der Mast über Bord gegangen war und ein Loch in den Rumpf geschlagen hatte. Der Segler wurde von einem Frachter gerettet. Ein anderes Schiff kenterte im Sturm, wobei sich der Skipper ein paar Rippen brach – er segelte aber mit seinem nur 6,1 Meter langen Boot zurück nach Plymouth, das er eineinhalb Monate nach dem Start mit schon fast verheilter Rippe erreichte. Die übrigen Teilnehmer, die es nicht nach Newport schafften, segelten zurück nach England oder stoppten auf den Azoren, nachdem ihre Schiffe in einem der zum Teil heftigen Tiefs Schäden erlitten hatten.
Die nächste Jester Challenge findet 2012 statt. Sie wird – wie schon die Jester von 2008 – von Plymouth auf die Azoren führen. Die nächste grosse Jester Challenge, von Plymouth nach Newport, startet 2014.
Thomas Jucker ist 58 Jahre alt und wohnt in Zürich. In den 80er-Jahren lebte er auf einer Stahl-Ketch und machte während neun Jahren Charterfahrten für einen Studentenreise-Veranstalter im englischen Kanal, im Mittelmeer und in der Karibik. 1992/93 baute er zusammen mit seiner Frau Irene in einem Schuppen in Frankreich eine radikale Rennmaschine aus Holz und Epoxy. Das Schiff ist mit Ballasttanks, asymmetrischen Schwertern und zwei Rudern ausgerüstet und hat Ähnlichkeit mit den heutigen Open-40-Yachten. Thomas und Irene segelten ihren Eigenbau in den Jahren 1997 bis 2001 um die Welt. Der Grund, dass „Marta“, das heutige Schiff des Paares, ein schwerer Langkieler ist, ist in dieser Reise zu suchen. Thomas erklärt dies so: „Mit einem solchen Leichtbau nach Neuseeland und rund Südafrika zu segeln ist eigentlich nicht besonders schwierig – aber auch nicht besonders lustig“.

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2 Antworten zu JESTER CHALLENGE #2 – Die Teilnehmer

  1. Thomas Hau sagt:

    Hallo Peter Foerthmann,
    habe mich im Juni zur Jesterchallenge 2012 angemeldet, da aus deutscher Sicht, bisher keine Beteiligung stattgefunden hat. Habe meine Trident 24 mit einem
    Junkrigg getakelt und die ersten Probeschläge hinter mir. Werde jetzt die nächsten
    Monate nutzen um meine CHANDICE-MARIE vollens ausrüsten, werde dann am
    1.Mai 2012 von Rendsburg in Richtung Plymoth auslaufen.
    Grüße von Bord der C.M
    Thomas Hau

  2. Anne Busch sagt:

    Hello Thomas.
    Greetings from Anne Busch (Anwa). I stumbled across this blog when doing some research for my book re our round the world adventure in the 90’s. Which due to the lock down in Spain I have found time to continue writing. Just arrived in Wreck Bay as you were departing!
    I hope you and Irėne are well. I am doing fine, sadly alone though, Walt died 7 years ago.
    I still go sailing, with my sister on her Hallberg Rassy in the Ostsee. We hope to be able to go this summer but it looks increasingly unlikely. Fingers crossed though.
    Best regards
    Anne

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