Vassilingalou – Ein Wort über M. Narjeat

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EIN WORT über M. NARJEAT
Monsieur Narjeats Augen haben auf dem Kopfkissen dünne Blutspuren hinterlassen. Sein Gesicht ist angeschwollen, die Verletzung oberhalb seiner dunkelbraunen Stirn ist wie eine halbe Orange. Er ist sichtlich verwirrt. Braucht viel Zeit, um zu entscheiden, mit welcher Hand der Ständer mit den Tropftüten zu packen ist. Eine Ewigkeit bis das Manöver an der Badezimmertür beendet ist. Er schläft viel, tagsüber zumindest. Nachts isst er mehrmals Gehamstertes aus unserer beiden Speisetabletts und raschelt systematisch in tiefen Nylontüten. Fast meine ganzen Portionen landen dort, weil ich niemanden überzeugen kann, dass ich Vegetarier bin. Sein nächtlicher Schlaf wird immer plötzlich vom Harndrang unterbrochen. Auch nach mehrtägiger Routine und erheblicher Verkürzung des Hantiers mit dem Ständer, schafft er es nicht bis hinter die Badezimmertür. Sein Strahl zielt auf die Kloschüssel aus der Entfernung. Ein guter Schütze ist er nicht. Geschweige mit der schweren Artillerie. Eines Nachts vergisst er den Infusion-Ständer und sein Blut zeichnet quer über das Zimmer bizarre Bilder. Ich liege gelähmt von Schmerz und Tropf, kann kaum den Notknopf drücken. Die Krankenschwester, aufgebretzelt wie die Königin von Kongo, nimmt etwas von den Flüssigkeiten mit einer Windel auf und legt sie auf meinen Speisetisch. Ein Albtraum? Die Windel liegt zum Frühstück immer noch da.

Vier Tage später geht es mir deutlich besser. Es ist klar, was mit mir los war. Jetzt laufe ich mit meinen Tropftüten rum und kann arbeiten, denn Monsieur Narjeat lässt mich nicht langweilen. Ihm geht es auch besser. Die Orange ist weg, die Augen bluten nicht mehr, der Tropf ist ab. Verwirrt ist er dennoch und sein Strahl unverbesserlich ungenau. Das Krankenhaus in Form einer faulen, krummbeinigen Sanitäterin, hat mir Putzlappen und Desinfektionsflasche zugewiesen. Nach jedem Besuch von Monsieur Narjeat auf der Toilette putze ich und bin glücklich. Ich komme hier bald raus. Ich bin bald den Stein in meiner Niere los. Ich werde die Frau meines Lebens heiraten. Nur eine kleine Wolke gibt es. Wir zwei müssen unsere Reise unterbrechen, denn ich bin nicht krankenversichert und mein mickriger Nierenstein wird teurer als drei große Diamanten. Egal, ich war in Not, man hat mir geholfen. Danke! Ich zahle! Ich arbeite und zahle. Mit diesem Versprechen werde ich entlassen.

Monsieur Narjeat muss noch bleiben, ich weiß nicht warum. Sein Besuch bringt ihm Wasser, Säfte, Eau de Collogne. Das ganze Zimmer duftet! Es vergeht einige Zeit, bis ich begreife, dass die Eau de Collogne- Duftwolke um ihn, kein Produkt der Eitelkeit ist. Sie kommt mit seinem Atem. Monsieur Narjeat ist versichert und bleibt.

„Wie viel hat das Krankenhaus gekostet?“ Interessiert alle sehr. Ich war lange drin, aber die Immobilie an sich ist dennoch wesentlich teurer, obwohl ziemliche Ruine, denke ich mir. Genau drei unserer fünf bekannten Segler hier fragen mich allen Ernstes: „Warum bist du nicht einfach abgehauen? Warum setzt ihr nicht einfach Segel?“

Abhauen? So tun, als wenn nichts gewesen wäre? Wer würde dann von Monsieur Narjeat erzählen?

Vasill, Martinique im Jahre 2014

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Eine Antwort zu Vassilingalou – Ein Wort über M. Narjeat

  1. hubert.reg sagt:

    bring den stein mit nach italien,wir mauern ihn neben meinem gallenstein mit in die mauer.
    hat dir inga kein profumo und raumspray ins krankenhaus gebracht?
    mann,passt auf euch auf und schafft euch eine grundversicherung an,denn ich will euch wiedersehen.
    wo schauckelt ihr momentan herrum?
    passt auf die franzosen auf.
    alles liebe +das noetige glueck dazu wuenscht euch hubert

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